Mit Zug und Tram braucht Simone Westerfeld eine Stunde und 36 Minuten, um von Hedingen ZH an den Basler Aeschenplatz zu gelangen. Das sind eine Stunde und 36 Minuten zu viel, wenn es nach den Baslern geht. Denn in der Stadt am Rhein tut man sich schwer damit, jemanden zum neuen Chef der Basler Kantonalbank (BKB) zu machen, der kein Basler oder nicht zumindest «in der Nordwestschweiz verwurzelt» ist. So stand es in einer Stellenanzeige, welche die Staatsbank schaltete, um öffentlich nach einem CEO zu suchen, nachdem sich Amtsinhaber Guy Lachappelle im September ins Präsidium von Raiffeisen Schweiz verabschiedet hatte.
Logische Nachfolgerin war die 43-jährige Westerfeld. Die smarte Finanzchefin der Bank sprang als CEO-Stellvertreterin in die Bresche und führt die BKB seither ad interim. Viele in der Branche wünschen sie definitiv ins Amt, von allen wird sie gelobt. Und doch liess der Bankrat der BKB, das Aufsichtsgremium, breit nach Alternativen suchen. Dass für die Stelle ein Inserat geschaltet wurde, war ungewöhnlich. Der Verweis auf die Verwurzelung fiel auf. Offenbar störte man sich daran, dass Westerfeld aus Deutschland stammt und mit ihrer Familie im Kanton Zürich lebt.
Ein Artikel der «BZ Basel» verstärkte den Eindruck. Ehemalige Mitglieder des heute entpolitisierten Bankrats warben für Lokalkolorit, für ein Bewusstsein um die Bedeutung der Bank für den Kanton. Ein «Insider» der Bank wurde zitiert: «Es darf keiner sein, der Walliserdeutsch spricht. Ein Basler wird klar favorisiert.»
Die Zeichen deuten auf Westerfeld
Der blinde Patriotismus sorgt indes auch in Basel für Kopfschütteln. «Verwurzelung ist für mich – gerade bei staatsnahen Betrieben – schon ein Kriterium», sagt etwa Patrick Hafner, Präsident der Finanzkommission des Basler Parlaments. «Aber wenn eine so kompetente Frau wie Westerfeld zur Verfügung steht, sollte man wohl darüber hinwegsehen.» Und am Ende wird man das wohl auch. Vieles spricht dafür, dass die Kantonalbank Westerfeld schon bald offiziell zur Konzernchefin krönen könnte.
Das erste Indiz: Am Vorabend der jährlichen Bilanzmedienkonferenz Ende Februar soll offenbar eine Kaderinformation stattfinden, wie Recherchen zeigen. Das ist ein Novum. Schon alleine deshalb, weil die BKB als kotiertes Unternehmen die Belegschaft zeitgleich mit der Öffentlichkeit informieren muss. Die Vorabinformation dürfte etwas Grösseres betreffen.
Zweites Indiz: Westerfeld hat zugesagt, gemeinsam mit John Häfelfinger, dem CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB), für die nächsten drei Jahre das Co-Präsidium der Basler Bankenvereinigung zu übernehmen. Das bestätigt Häfelfinger der «Handelszeitung». Turnusgemäss steht das Amt 2019 der Bank aus dem Baselbiet zu. Es war Häfelfinger, der sie dazu einlud, das Amt gemeinsam auszuüben. Und Westerfeld sagte zu. Würde sie das tun, wenn sie sich nicht sicher wäre, auch nach der Wahl im April noch die Basler Kantonalbank vertreten zu können? Am Mittwochabend wurde die gemeinsame Kandidatur in Bankkreisen lanciert.
Offiziell äussert sich die Bank nicht zur Personalie. Es gebe noch keinen Termin für eine Ankündigung, so Pressesprecher David Riedo. Doch die Suche ist weit fortgeschritten. Bereits Ende Oktober hatte das Beratungsunternehmen Boyden mögliche Kandidaten kontaktiert. Kaum einer im Kader einer regionalen Bank sei nicht angefragt worden, sagt ein Basler Banker. Um gegen die Interims-Chefin zu bestehen, müsste ein Kandidat deutlich besser sein. Und solche Kandidaten gibt es nicht viele.
Wenig weibliche Konkurrenz
Offenbar aspirieren auch BKB-Kader auf die Stelle. So werden etwa der Name von Privatkunden-Chef Andreas Rusch und Vertriebschef Luca Bertoldi herumgereicht. Frauen, die infrage kämen, sind am Rheinknie hingegen dünn gesät – und die Wahl einer Frau von ausserhalb würde wohl erst recht niemand verstehen.
Ebenso schwer zu kommunizieren wäre, wenn der Bankrat der Basler Kantonalbank einem Mann den Vorzug geben würde. Auch die sozialdemokratische Basler Finanzdirektorin Eva Herzog – formell nicht direkt in die Wahl involviert – dürfte sich kaum über eine Männerwahl freuen. Schon gar nicht in einem Wahljahr, in dem sie für Basel-Stadt als alleinige Abgesandte in den Ständerat einziehen will. Und so ist es wohl alleine dem in Basel etwas gar ausgeprägten Lokalpatriotismus zuzuschreiben, dass überhaupt über die Personalie Westerfeld diskutiert wird.
Westerfeld hat eine steile Karriere hingelegt. Seit 2015 arbeitet sie als Finanzchefin für die Staatsbank. Sie war Teil des Aufbruchs nach Jahren der Krise, war unbelastet von den Pleiten und Pannen, die beim Anlagebetrug um die ASE-Gruppe begannen und bei ausländischem Schwarzgeld (39 Millionen Euro Busse an Deutschland, 60 Millionen Dollar an die USA) endeten. Als Finanzchefin entwarf sie bald ein neues Steuerungsinstrument, das nicht mehr auf Wachstumskennzahlen aufbaut, sondern auf einem «ökonomischen Gewinn», der Kapitalkosten berücksichtigt. Da setzen nun auch die Boni der Banker an.
Trotz jungem Alter verfügt Westerfeld bereits über einen doppelten Rucksack: Das Banking lernte sie als Bankkauffrau von der Pieke auf. Erst bei der Deutschen Bank in Bielefeld, später unter anderem bei der UBS im Kreditgeschäft. Daneben verdiente sie sich akademische Titel ab. Im Alter von 35 Jahren legte sie an der Uni St. Gallen eine Habilitation vor, danach lehrte sie an der HSG und an der Basler Fachhochschule. Die «Aargauer Zeitung» betitelte sie als «Tough cookie mit Herz».
An der Nordwestschweizer Integration arbeitet Westerfeld. Ihr Auftritt am strategisch wichtigen Neujahrsapéro des Basler Gewerbeverbands wurde von Besuchern gelobt. Ein Banker aus dem BKB-Umfeld konstatiert: «Wenn sie sich nun auch noch eine Wohnung in Basel nimmt, passt das schon.» Jetzt muss sie nur noch wollen.