Dolmetschen ist ein anspruchsvoller, abwechslungsreicher Beruf, der jedoch auch grosse Herausforderungen mit sich bringt. Der Simultandolmetscher von heute führt einen Mehrfrontenkampf. Einerseits versucht er, möglichst gute Arbeitsbedingungen mit den Konferenzveranstaltern zu verhandeln und andererseits bemüht er sich, dem Publikum das Zuhören so angenehm wie möglich zu gestalten.

Veranstalter versuchen oft, den Dolmetschern unmögliche Arbeitsbedingungen aufzuzwingen: «Ich brauche nur eine Person, denn die Sitzung dauert höchstens zwei bis drei Stunden.» Für sie sind Dolmetscher oft ein lästiges Muss. Sie sehen nicht, dass Simultandolmetschen ein Höchstmass an Konzentration erfordert und ein Dolmetscher deshalb nach einer halben Stunde von seinem Kabinenkollegen abgelöst werden muss. Sie sehen auch nicht ein, dass die Verdolmetschung oft ein elementares Recht oder mindestens ein Gebot der Höflichkeit ist: «Für die zwei Welschen an der Sitzung geben wir kein zusätzliches Geld aus.» Simultandolmetscher sind in ihren Augen auch viel zu teuer. Dass die Vorbereitung aber selbst für eine kurze Pressekonferenz mehrere Tage in Anspruch nehmen kann und sich Dolmetscher fortwährend in ihren Arbeitssprachen à jour halten müssen, wird kaum je bedacht.

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An Konferenzen werden selten allgemeine Themen behandelt. Meist treffen sich Spezialisten, um sich über die neusten Entwicklungen in ihrer Branche auszutauschen. Als «Laie» hier das Bindeglied zwischen den verschiedensprachigen Konferenzteilnehmern zu sein, gehört zu den Schwierigkeiten, aber auch zu den Reizen des Dolmetscherberufes. Ein Dolmetscher muss vielseitig interessiert und bereit sein, sich in so unterschiedliche Themen wie Quantenphysik oder Quallenfische einzuarbeiten. In den letzten zehn Jahren wurde die Recherchierarbeit und Vorbereitung, ein wichtiger Bestandteil eines Dolmetschauftrags, um einiges einfacher. Eilte der Dolmetscher früher noch kurz vor der Konferenz in die Bibliothek oder Buchhandlung, um Sachbücher zu konsultieren, findet er heute einen reichen Fundus an Informationen im Internet.

Die Zusammenarbeit mit dem Redner ist ebenfalls ein zentraler Punkt. Oft wissen die Referenten nicht, wie viel sie den Zuhörern (mit oder ohne Verdolmetschung) zumuten können, was Geschwindigkeit, Satzstruktur oder Länge des Vortrages angeht. Wenn ein komplexer schriftlicher Text, den der Dolmetscher nie zu Augen bekommen hat, im Eilzugstempo vorgelesen wird, fällt die Verdolmetschung in den wenigsten Fällen zuhörerfreundlich aus. Ebenfalls ins Schwitzen geraten Simultandolmetscher bei englischen Ansprachen, die nicht von Rednern englischer Muttersprache vorgetragen werden.

Unqualifizierte Dolmetscher

Dolmetscher arbeiten in der Regel als Freiberufler. Nur grosse Organisationen wie z.B. die Uno und die EU stellen Dolmetscher fest an. Freiberufliche Dolmetscher organisieren sich zum Teil in Gruppen oder Sekretariaten. Dazu kommen professionelle Agenturen wie z.B. die Dolmetscher- und Übersetzervereinigung in Zürich (Tel. 044 360 30 30, agentur.zuerich@duev.ch), die in der Regel nicht nur Dolmetscherteams rekrutieren, sondern ihren Kunden zusätzliche Dienstleistungen wie die Vermittlung der notwendigen technischen Ausrüstung (Simultantechnik, Kabinen, Mikrofone, Kopfhörer usw.) anbieten.

Kunden sind gut beraten, Simultandolmetscher nicht selber im Internet oder in Telefonbüchern zu suchen, denn die Gefahr, auf unqualifizierte Dolmetscher hereinzufallen, ist sehr gross. Der Berufstitel Dolmetscher ist nämlich nicht geschützt. Agenturen vermitteln ausschliesslich qualifizierte Dolmetscher. In der Schweiz gibt es insgesamt nur etwa ein halbes Dutzend professionelle Agenturen für das Konferenzdolmetschen, darunter zwei in Zürich. Oft bieten auch Übersetzungsbüros und Event-Agenturen Dolmetscherdienste an, obwohl ihnen die Arbeitsbedingungen der Simultandolmetscher, die vom Internationalen Simultandolmetscherverband (AIIC) festgelegt werden, nicht geläufig sind. Dieser Verband hat mit den grossen internationalen Organisationen Verträge über den Einsatz der Dolmetscher abgeschlossen und legt auch für Freiberufler die allgemeinen Arbeitsbedingungen wie Anzahl Dolmetscher pro Team, je nach Anzahl Sprachen, Arbeitszeit, technische Anforderungen usw. fest. Um bei einer Tagung eine reibungslose Kommunikation zu gewährleisten, lohnt es sich in jedem Fall, mit professionellen Agenturen zusammenzuarbeiten, die auf die Bedürfnisse ihrer Kunden zugeschnittene Lösungen anbieten.

Pino Oberegger, Geschäftsführer Agentur der Dolmetscher- und Übersetzervereinigung, Zürich.www.duev.ch