Wie kam Ihre Doppelspitze zustande?
Ana Campos: Ich bin im Jahr 2018 zum zweiten Mal Mutter geworden und für mich war klar: Ich übernehme gern die Führungsposition, aber ich will den Job nicht alleine machen. So kam die Idee auf, eine Doppelspitze zu etablieren. Gerry und ich kannten uns bereits, wenn auch in anderen Rollen, da wir beide sehr unterschiedlich sind. Deshalb haben wir viele Gespräche geführt, um uns besser kennenzulernen. Wir haben überlegt, wo wir hinwollen und wie das Co-CEO-Modell bei Trivadis aussehen könnte. Es ging vor allem auch darum, herauszufinden, ob einer von uns beiden machtgetrieben ist – denn dann hätten wir den Plan von der Doppelspitze beerdigt. Mit zwei Platzhirschen kann ein Co-CEO-Modell aus unserer Sicht nicht funktionieren.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Co-CEO aus – beackern Sie tatsächlich alle Felder gemeinsam?
Campos: Nein, denn das würde uns tatsächlich hemmen. Am Anfang haben wir uns jeden Morgen kurz zusammengesetzt und besprochen, was ansteht und wer was macht. Wir haben aber schnell gemerkt, dass wir nur stark sind, wenn wir auch autonom funktionieren. Gerry kümmert sich deshalb mehr um den operativen Teil der Arbeit, während ich mich verstärkt damit auseinandersetze, wie wir als Unternehmen möglichst gut auf aktuelle und zukünftige Anforderungen – sowohl intern als auch extern – reagieren können. Trotzdem berichten alle Mitarbeitende und Geschäftsbereiche an uns beide. So ist jederzeit sichergestellt, dass wir beide über alle Prozesse im Bilde sind. Auch, weil wir uns jederzeit vertreten können wollen.
Wie gelingt es Ihnen, gemeinsame Entscheidungen zu treffen, auch wenn sich Ihre Meinungen mitunter unterscheiden?
Gerald Klump: Wenn Ana eine Entscheidung trifft, ist für mich klar, dass ich diese Entscheidung mittrage – und umgekehrt. Dabei gehen wir nach dem Prinzip der sogenannten integrativen Entscheidungsfindung vor. Im Gegensatz zur konsensorientierten Entscheidungsfindung geht es nicht darum, Vorschläge des anderen anzunehmen, sondern sie nicht abzulehnen. Werden keine schwerwiegenden Einwände eingebracht, gelten Lösungsvorschläge als angenommen. Sie können dann zu einem späteren Zeitpunkt immer noch angepasst werden.
Campos: Die Mitarbeitenden merken auch, dass das gut funktioniert. «Habe ich jetzt zwei Chefs?» – Diese Frage haben wir am Anfang oft gehört. Mittlerweile hat sich die Skepsis jedoch zerstreut. Die Mitarbeitenden merken, dass Gerry und ich beide in die gleiche Richtung gehen und an einem Strang ziehen – und zwar auch dann, wenn einer seine Meinung mal nicht durchsetzen kann. Im Endeffekt haben alle Mitarbeitenden nun zwei Ansprechpartner mit hoher Kompetenz, an die sie sich wenden können.
Haben Sie ein Beispiel für eine Situation, in der Sie unterschiedlicher Meinung waren, aber kompromisslos entschieden haben?
Klump: Um ein vermeintlich banales Beispiel zu nennen: Seit wir im Amt sind, stehen auf den Visitenkarten aller Trivadis-Mitarbeitenden keine Titel mehr. Für mich als langjährigen Mitarbeitenden mit Sales-Erfahrung war das keine so leichte Entscheidung, ich hätte gern die traditionelle Machart der Visitenkarten beibehalten. Aber Ana hat dafür plädiert, die Karten moderner zu gestalten und den Menschen in den Vordergrund zu stellen statt seine Position. Im Endeffekt haben wir es im Sinne einer zeitgemässeren Form dann anders gemacht als zuvor.
Das klingt alles sehr harmonisch. Birgt ein Co-CEO-Modell keine Fallstricke?
Klump: Unser Sharing-Modell birgt wohl den grössten Fallstrick: Würden wir, anders als jetzt, unsere Aufgabenbereiche doch wieder klar trennen und auf uns beide verteilen, ginge dieser Vorteil verloren, die Abstimmungsprozesse würden mühsamer. Und ganz allgemein gilt: Bei einem Co-CEO-Modell müssen auf jeden Fall die richtigen Personen zusammenarbeiten, die sich gut ergänzen und deren Arbeitsweise zueinander passt. Ist das nicht gegeben, geht die Sache sehr wahrscheinlich schief.
Campos: Co-CEO sollen neugierig sein, das Gegenüber verstehen wollen. Wenn die zwei Teile der Doppelspitze sich nicht gut kennen und wenig miteinander reden, besteht die Gefahr, dass bestimmte Aufgaben doppelt erledigt werden oder Wissen verloren geht.
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