Gedacht waren sie als Hilfe für finanzschwache Innovatoren. Kleine Firmen verkaufen ihre Patente an Investoren, die dank ihrer Finanzkraft die Erfindungen auch gegen Grosskonzerne durchsetzen können. Doch Dienstleister, die sich darauf spezialisieren, Patente aufzukaufen und Firmen auf Verletzung von Schutzrechten zu verklagen, haben sich in der IT- und Software- Branche zu einer Plage entwickelt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Sogenannte Patent-Trolle oder -Haie produzieren selber nichts und setzen auch fragwürdige und Trivialpatente als Druckmittel ein. Angegriffene Firmen zahlen oft, um juristische Kosten und lange Verfahren zu vermeiden. Etwa 45 Prozent aller vom US-Patentamt erteilten Patente, die im Rahmen eines Rechtsstreits einer teuren gerichtlichen Überprüfung unterzogen wurden, werden aberkannt. Sie hätten also gar nicht erst erteilt werden dürfen, stellt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, fest. Vor allem Software ist für Trivialpatente anfällig.

Zwei amerikanische Journalisten recherchierten für die Radiosendung «This American Life» das Geschäftsprinzip von Intellectual Venture (IV). Die im Jahr 2000 gegründete Firma produziert nichts, hat aber rund 35000 Patente zusammengekauft, vorgeblich zum Schutz von Erfindern. Die Wirklichkeit, welche die Journalisten in ihrer spannenden Reportage «When Patents Attack» kürzlich aufdeckten, ist eine ganz andere.

Das patentfreundlichste Gericht des Landes

Auf der Suche nach Beispielen für die innovationsfördernde Tätigkeit von IV stiessen die Reporter auf ein Bürogebäude in Marshall, Texas. Sie fanden zahlreiche Büros von Firmen, ohne Personal, ohne Aktivität, mit einem einzigen Geschäftszweck: Dem Einklagen von Patenten. Die bekannteste ist Lodsys, die über 30 Entwickler von Apps für iPhones und Android-Geräte eingeklagt hat.

Die Klägerfirmen sitzen nicht zufällig in Marshall. Das dortige Gericht gilt als das patentfreundlichste im Land. Doch die Reporter fanden noch mehr heraus. Sie deckten auf, dass zumindest einzelne dieser Firmen eine Vertragsbeziehung mit Intellectual Venture haben. Gegen aussen tritt IV also als Verteidiger der Innovatoren auf, aber heimlich verkauft sie Patente an die Klägerfirmen – und verdient so bei den Angreifern mit.

Der Vorteil dieses Geschäftsmodells: Die Klägerfirmen haben kein Produkt und sind damit immun gegen die bei Patentstreitigkeiten üblichen Gegenklagen. IV hat fünf Milliarden Dollar bei Investoren aufgenommen, aber erst zwei Milliarden Einnahmen erwirtschaftet. Die bisherigen Klagen dürften also erst ein Vorgeschmack gewesen sein.

Reine Klägerfirmen sehr viel erfolgreicher als

Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC hat den Markt für Patentklagen im Detail untersucht. Seit 1991 nehmen die Streitfälle vor US-Gerichten um über 5 Prozent pro Jahr zu, 2010 waren es 2892 Fälle. Die auf Klagen spezialisierten Firmen ohne eigene Produkte setzten sich vor Gericht in 31 Prozent der Fälle durch, mit steigender Tendenz. Unternehmen, die selber etwas herstellen und ihre Konkurrenten einklagten, blieben in 40 Prozent der Fälle siegreich.

Aber wenn es ums Kassieren geht, sind die reinen Klägerfirmen sehr viel erfolgreicher. Im Durchschnitt erstritten sie in den letzten acht Jahren dreimal so hohe Schadenersatzzahlungen wie die produzierenden Unternehmen. Einige wenige Gerichte sind sehr viel patentfreundlicher als der Durchschnitt, mit höheren Erfolgsraten für die Kläger, höheren Schadenersatzsummen und schnellerer Prozesseröffnung – darunter die Gerichte in Marshall, Texas.

(tno)