Die Sonderprüfung ist anlässlich der Aktienrechtsreform 1991 mit dem Ziel eingeführt worden, die Informationslage der Aktionäre zu verbessern; sie soll ihnen den Entscheid erleichtern, gegen Organe der Gesellschaft Verantwortlichkeitsklage anzuheben oder nicht. Bei der Sonderprüfung handelt es sich um ein reines Untersuchungsinstrumentarium. Es findet lediglich eine Abklärung von bestimmten Sachverhalten statt; Rechtsfragen und Ermessensentscheide können nicht Gegenstand der Sonderprüfung sein. Obwohl sich in jüngster Zeit verschiedene Publikumsgesellschaften mit einem Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung konfrontiert sahen, sind viele Begehren bereits im Antragsstadium aus formellen Gründen gescheitert. Im Rahmen der Diskussion um die Corporate Governance bestehen nun Bestrebungen, die formellen Hürden der Sonderprüfung zu senken. Eine solche Stärkung der Informationsrechte der Aktionäre ist zu begrüssen. In Zukunft ist daher mit einer wachsenden Bedeutung der Sonderprüfung zu rechnen.
Antragsverfahren
Erst nachdem der Aktionär das Recht auf Auskunft oder Einsicht ausgeübt hat, kann er laut Obligationenrecht (Art. 697a Abs. 1) der Generalversammlung (GV) beantragen, bestimmte Sachverhalte durch eine Sonderprüfung abzuklären. Der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers ist gegenüber dem Recht auf Auskunft und Einsicht somit subsidiär. Eine Traktandierung eines entsprechenden Antrages an die GV ist hingegen nicht erforderlich. Dieser Antrag kann von jedem Aktionär direkt an der GV gestellt werden (Art. 700 Abs. 3 OR). Stimmt die GV dem Antrag auf Sonderprüfung zu, hat die Gesellschaft oder jeder einzelne Aktionär die Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen den Richter um Einsetzung eines Sonderprüfers zu ersuchen (Art. 697a Abs. 2 OR).
Lehnt die GV den Antrag des Aktionärs auf Durchführung einer Sonderprüfung ab oder weigert sich der Verwaltungsrat, den Antrag in der GV zur Abstimmung zu bringen, können Aktionäre, die zusammen mindestens 10% des Aktienkapitals oder Aktien im Nennwert von 2 Mio Fr. vertreten, innert drei Monaten nach dem GV-Beschluss den Richter anrufen (Art. 697b Abs. 1 OR). Zusätzlich zu den Voraussetzungen bei der Zustimmung der GV zu einem Antrag auf Sonderprüfung (d.h. ausgeübtes Auskunfts- oder Einsichtsrecht und Erforderlichkeit für die Ausübung der Aktionärsrechte) haben die Gesuchsteller dabei glaubhaft zu machen, dass Gründer oder Organe Gesetz oder Statuten verletzt und damit die Gesellschaft oder die Aktionäre geschädigt haben (Art. 697b Abs. 2 OR). In beiden Fällen wird bei Bewilligung des Antrags die Person des Sonderprüfers und die Umschreibung des Prüfungsgegenstandes vom Richter festgesetzt (Art. 697c Abs. 2 OR).
Im Rahmen der Durchführung der Sonderprüfung sind unter anderem die Organe des Unternehmens dem Sonderprüfer gegenüber verpflichtet, Auskunft über erhebliche Tatsachen zu erteilen (Art. 697d Abs. 2 OR). Hat der Sonderprüfer die Untersuchung abgeschlossen, hört er die Gesellschaft zu den Ergebnissen der Prüfung an (Art. 697 Abs. 3 OR). Danach legt er dem Richter seinen Bericht vor, wobei er verpflichtet ist, die Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft zu wahren (Art. 697e Abs. 1 OR).
Der Sonderprüfer befindet sich daher in einem Dilemma, da er zwischen dem divergierenden Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung und demjenigen der Aktionäre an einer umfassenden Information abzuwägen hat. Um diesen Konflikt zu lösen, stellt der Richter den Bericht zunächst nur der Gesellschaft zu. Diese kann beantragen, dass gewisse Stellen des Berichtes wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen oder anderen schutzwürdigen Interessen den Gesuchstellern nicht vorgelegt werden sollen. Der Richter entscheidet über die Begehren der Gesellschaft (Art. 697e Abs. 2 OR). Danach hat er der Gesellschaft und den Gesuchstellern Gelegenheit zu geben, zum bereinigten Bericht Stellung zu nehmen und Ergänzungsfragen zu stellen (Art. 697e Abs. 3 OR). Nach Abschluss des Bereinigungsverfahrens und der Stellungnahme zum Bericht wird der Bericht zusammen mit der Stellungnahme vom Verwaltungsrat der nächsten GV unterbreitet (Art. 697f Abs. 1 OR).
Die Kosten der Sonderprüfung trägt grundsätzlich die Gesellschaft. Wenn besondere Umstände es rechtfertigen (wie etwa bei einem querulatorischen Begehren), kann der Richter die Kosten jedoch ganz oder teilweise dem Gesuchsteller auferlegen.
Die praktische Bedeutung der Sonderprüfung blieb bisher gering. Aufgrund der Komplexität des Verfahrens und der hohen Anforderungen der Gerichte an die Glaubhaftmachung sind viele Begehren bereits im Antragsstadium gescheitert. Da die Befugnis des Sonderprüfers auf die Abklärung von Tatsachen beschränkt ist, kann mit diesem Instrument beispielsweise nicht umfassend abgeklärt werden, ob sämtliche Voraussetzungen für eine Haftung aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit erfüllt sind. Mit Blick auf eine allfällige Verantwortlichkeitsklage besteht auch eine zeitliche Problematik. Wurde dem Verwaltungsrat von der GV die Entlastung erteilt, so erlischt auch das Klagerecht der Aktionäre, die dem Entlastungsbeschluss nicht zugestimmt haben, sechs Monate nach diesem Beschluss. Da jedoch die Durchführung der Sonderprüfung sehr zeitintensiv ist, wird sie kaum innert dieser Frist die erhofften Resultate liefern. Wurde die Entlastung dagegen verweigert, findet die ordentliche fünfjährige Verjährungsfrist Anwendung.
Kaum praktikabel ist die Institution der Sonderprüfung übrigens im Rahmen eines Nachlass- oder Konkursverfahrens, indem sie einzig dem Aktionärs- und nicht dem Gläubigerschutz dient und weil der Prüfungsgegenstand eng auf die vom Richter festgelegten Sachverhalte beschränkt ist. Im Nachlass- oder Konkursverfahren verschiebt sich die Interessenlage dagegen von den Aktionären in Richtung der Gläubiger. Unter diesen Bedingungen lässt sich die Frage der Verantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane daher auf andere Weise umfassender und effektiver abklären. Als Beispiel dazu ist der Fall der SAirGroup zu erwähnen, bei dem der Sachwalter mit Zustimmung der Gesuchsteller beschloss, auf die Fortsetzung der Sonderprüfung zu Gunsten einer spezifischen Abklärung der Verantwortlichkeiten durch den Sachwalter zu verzichten.
Revisionsbestrebungen
Zurzeit bestehen verschiedene Bestrebungen, den rechtlichen Rahmen rund um das Thema Corporate Governance zu reformieren, wobei auch der Bereich der Sonderprüfung überdacht wird. Gemäss dem Expertenbericht der Arbeitsgruppe Corporate Governance zur Teilrevision des Aktienrechts vom 30. September 2003 der Professoren P. Böckli, C. Huguenin und F. Dessemontet soll die Schwelle für die Anhebung eines Minderheitsbegehrens an den Richter auf 5% des Aktienkapitals oder auf Aktien mit einem Börsenwert von 1 Mio Fr. herabgesetzt werden. Das gerichtliche Verfahren zur Bewilligung der Sonderprüfung soll sodann auf zwei Instanzen beschränkt werden, nämlich auf eine kantonale Instanz und das Bundesgericht. Zudem sollen die Anforderungen für die Einsetzung eines Sonderprüfers und das Kostenrisiko des Antragstellers für die Durchführung der Sonderprüfung sowie für die Kosten für das Antragsverfahren vor Gericht in beiden Instanzen gemildert werden.
Sollten diese Vorschläge der Expertenkommission in das Gesetz aufgenommen werden, käme dies einer wesentlichen Stärkung des Institutes der Sonderprüfung gleich und würde damit klar im Trend der Corporate Governance liegen. Gleichzeitig würde damit die präventive Wirkung der Sonderprüfung verstärkt werden, indem die Unternehmen vermehrt von sich aus für Transparenz sorgen würden.
Dr. René Schwarzenbach, Rechtsanwalt, Managing Partner, EY Law AG, und Geschäftsleitungsmitglied Ernst & Young, Zürich;
Franziska Lerch, Rechtsanwältin, Manager, EY Law AG, Zürich.