Seit die Expofil, der Welt grösste Messe für Garne, in Paris ihre Tore geöffnet hält, zeigen wie jedes Jahr auch die Schweizer Baumwollspinner, was sie seit jeher produzieren: Garne in gewohnt schweizerischer Spitzenqualität. Was sich im Laufe der vergangenen Jahre jedoch geändert hat, ist die Anzahl der ausstellenden Schweizer Baumwollspinnereien: Nahmen 1990 noch 19 im Textilverband Schweiz organisierte Unternehmen teil, so sind es in diesem Jahr nur noch sechs.

Das verbliebene halbe Dutzend, Schicksalsgenossen in einem Markt, in dem Preiskrieg herrscht, hat sich organisiert, aus den einstigen Konkurrenten sind Mitstreiter geworden. Die «Swiss Spinners» werben an der Expofil gemeinsam mit jenen Schweizer Tugenden, die sie in einem immer schnelllebigeren Metier zum Sonderfall machen: Absolute Zuverlässigkeit bei stets gleich bleibend hoher Qualität und prompter Lieferung, schnellere Reaktion auf Marktbedürfnisse und einen hohen Anspruch an Kundenservice. Dennoch – und dessen sind sich die Baumwollspinner bewusst – sind sie mit ihren Produkten im Weltmarkt Nischenplayer, David in einem fast aussichtslosen Kampf gegen Goliath.

*Tiefe Preise im Osten*

Dieser sitzt im Fernen Osten, in Indien, China oder Pakistan, und produziert von Jahr zu Jahr mehr Baumwollgarne. Und das zu Preisen, mit denen «in Europa kein Produzent mithalten kann», wie Herwig Strolz, Direktor beim Weltdachverband der Textilindustrie ITMF in Zürich, klarstellt. Drittweltländer wie China und Pakistan etwa haben seit 1980 ihre Garnproduktion mehr als verdoppelt. Und in diesem Zeitraum auch die Qualität dieser Garne verbessern können. Im selben Zeitraum ging – vor allem seit Beginn der 90er Jahre – die Produktivität der europäischen Baumwollgarnindustrie eklatant zurück. Belegen lässt sich dieser Schwund in der Schweiz mit beeindruckenden Zahlen: Gab es 1990 noch 546 000 Ringspindeln, die zusammen 48 151 t Baumwollgarne produzierten, so waren es fünf Jahre später nur noch 422 000, die 28 556 t Garne produzierten. Und im vergangenen Jahr 2001 ging die Zahl der Ringspindeln gar auf 203 000 zurück, die produzierten Baumwollgarne auf 13 221 t. 8,3% Produktionsrückgang mussten die Spinner allein 2001 im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen.

Zahlen, die sich weder schönreden noch frisieren lassen und die in der Spinnereibranche zur nüchternen Erkenntnis geführt haben, «dass, wer sich nicht ständig neu ausrichtet, morgen weg vom Fenster sein kann», wie es der Präsident des Arbeitskreises Garne, Paul Schnepf, formuliert. Die überlebenden Spinnereien haben denn auch allesamt spezielle Strategien entwickelt, um im beinharten Markt überleben zu können. Ganz auf traditionelle Baumwollspinnerei setzt die zur italienischen Gruppe Niggeler& Küpfer gehörende Spinnerei Linthal. Ihre supereffiziente und hochmoderne Ringspinnanlage konnte sie allerdings vor sieben Jahren von Oerlikon-Bührle zu einem günstigen Preis erwerben. Die Anlage läuft 24 Stunden sieben Tage die Woche, auf diese Weise kann die Spinnerei im Moment noch immer mit ausländischen Herstellern konkurrieren. Die Firma ist finanziell gesund, macht einen Umsatz von 20 Mio Fr., wobei der Cashflow bei 10% liegt. Mitinhaber Hans Peter Keller ist einigermassen zufrieden mit dem Ist-Zustand, fragt sich allerdings auch, «wie lange das so weitergehen kann».

*Auf Kunststoff setzen*

Andere Spinnereien setzen derweil nicht mehr nur auf Baumwolle, sondern zunehmend auf Alternativen. Hermann Bühler in Sennhof bei Winterthur produziert neben seinen angestammten Garnen Swiss Cotton auch Modalfasern oder Mischgarne aus Modal und Baumwolle. Bei der Spinnerei Streiff in Aathal bei Zürich ist man stolz auf das brandneue Wellness-Yarn by Spinnerei Streiff. Eine Baumwollfaser, die mit SeaCell «active» gemischt wurde, einer Faser, die aus Algen gewonnen wird und die unter anderem bakterienhemmende Eigenschaften hat. Nef+Co in St. Gallen hat Swiss Shield im Programm, ein Garn, in das ein Metallfaden eingesponnen wird, das daraus entstehende Gewebe hält auf diese Weise elektromagnetische Strahlungen ab.

Mit solchen Spezialgarnen, die viel Know-how und eine technisch komplizierte Produktionsanlage verlangen, schaffen sich die Schweizer einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. Und sind schwerer zu kopieren. Genau darin sieht auch Herwig Strolz die Chance, «man muss sich in der derzeitigen Situation von der Vorstellung lösen, reiner Baumwollspinner sein zu können».

Denn wie beim ITMF statistisch belegt, nimmt das Interesse an Kunstfasern weltweit zu, sogar die naturfasernbewussten Europäer verändern ihr diesbezügliches Verhalten. Kunstfasern, schon lange im Sportbereich eingesetzt, werden zunehmend auch in der Alltagsmode eingesetzt. Dort liegt ein gewaltiges Potenzial an Möglichkeiten, vorausgesetzt man ist kreativ.

Das wollen die Schweizer Spinner sein. Und sich darüber hinaus ihren Standort im Herzen Europas zunutze machen. Denn ihre Abnehmer sind vorwiegend in Deutschland, England, Frankreich, den Benelux-Staaten, Italien und Skandinavien angesiedelt. «Diese Nähe zu den Kunden», sagt Herwig Strolz vom ITMF, «verschafft ihnen einen Vorsprung, den die Chinesen niemals werden einholen können.»

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