Der in Deutschland als Skandal-Aufdecker gefeierte Stuttgarter Jurist Eckart Seith ist in Zürich vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage freigesprochen worden. Ihm wurde wegen Anstiftung zu einem Verstoss gegen das Bankengesetz aber eine Geldstrafe auf Bewährung auferlegt, wie der Richter am Donnerstag vor dem Bezirksgericht in Zürich ausführte. Seiths Anwalt kündigte umgehend Berufung an. «Ein schmutziges Urteil», sagte Seith nach dem Verdikt.
Ein mitangeklagter Deutscher wurde in einem Fall wegen Wirtschaftsspionage verurteilt und erhielt eine Haftstrafe von 13 Monaten auf Bewährung und eine Geldstrafe. Ein weiterer mitangeklagter Deutscher erhielt ebenfalls eine Geldstrafe auf Bewährung.
Angeklagt waren der Anwalt und zwei ehemalige Angestellte der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin. Beim Prozess Ende März forderte der Staatsanwalt Schuldsprüche wegen Wirtschaftsspionage. Dafür sollten sie mit unbedingten und teilbedingten Freiheitsstrafen bestraft werden. Die Beschuldigten hatten die Vorwürfe zurückgewiesen.
Drogerie-König Müller und die Bank Sarasin
Ausgangspunkt des Verfahrens war ein Zivilprozess vor dem Landgericht Ulm, in dem der deutsche Drogerie-König Erwin Müller hohe Entschädigungszahlungen von der Bank J. Safra Sarasin forderte. Diese habe ihn falsch beraten, er sei über den Tisch gezogen worden. Nur deshalb habe er in einen Fonds investiert, über den die umstrittenen Cum-Ex-Geschäfte abgewickelt wurden, mit denen dank Steuertricks der deutsche Fiskus um hunderte Millionen Euro geprellt wurde.
Spionage gegen Sarasin: Die Hintergründe
Die Schweiz und Deutschland sind in Sachen Cum-Ex schon mehrmals aneinandergeraten. In Deutschland gilt Seith als mutiger Whistleblower. Er selbst sagte vor dem Bezirksgericht, er sei stolz darauf, einen Beitrag zur Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals geleistet zu haben, einen der grössten jemals aufgedeckten Steuerskandale. Er würde sich nochmals «exakt gleich verhalten».
Die Hintergründe des Falls hat «Handelszeitung»-Journalistin Seraina Gross hier aufgeschrieben. Die Story ist ein veritabler Krimi. Das erste Treffen der drei Deutschen, über die heute geurteilt wurde, fand demnach im März 2013 im Weinkeller des Restaurants Santa Lucia in Schaffhausen statt. Die drei Männer waren offenbar allein. Nach zehn Minuten war man per Du, heisst es.
2012 wurden diese Geschäfte in Deutschland verboten. Der Fonds brach zusammen, Müller verlor Millionen und ging in Ulm vor Gericht. Dieses gab ihm Recht und verurteilte die Bank 2017 dazu, Müller 45 Millionen Euro Schadenersatz zu zahlen.
Müller wurde damals vom Anwalt Eckart Seith vertreten. Dieser hatte dem Gericht geheime Bank-Dokumente vorgelegt, welche belegten, dass Müller seinerzeit im Hinblick auf die Investitionen tatsächlich nicht richtig aufgeklärt worden war. Seith soll die Unterlagen von den zwei ehemaligen Angestellten der Privatbank erhalten haben, die dafür insgesamt 450'000 Franken hätten erhalten sollen.
Darum standen Seith und seine beiden Helfer als Beschuldigte vor dem Bezirksgericht Zürich. Der Anwalt eignete sich laut Ankläger mit Hilfe der beiden Mitangeklagten illegal Bankgeheimnisse an. Er habe sie nicht nur im Prozess in Ulm verwendet, sondern sie auch dem Deutschen Staat weitergeleitet. Für den Staatsanwalt war klar: Die Bank J. Safra Sarasin wurde ausspioniert, die drei Beschuldigten haben sich der Wirtschaftsspionage schuldig gemacht und müssen bestraft werden.
(sda/awp/ise)