Die Investitionen von chinesischen Risikokapitalgesellschaften in US-amerikanische Biotech-Firmen sind im ersten Halbjahr um fast 60 Prozent eingebrochen, berichtet die «Financial Times» (Paywall). Unternehmer in diesem Sektor warnen deshalb vor einer Verlangsamung in der Forschung und Schwierigkeiten beim Eintritt in den grossen chinesischen Markt.
Hintergrund der geringeren Investitionen aus China sind zusätzliche Hürden der US-Regierung für ausländische Geldgeber. Washington wirft den Chinesen seit langem systematischen Diebstahl von geistigem Eigentum vor und unterzieht deshalb seit November ausländische Investitionen über fünf Prozent in verschiedenen Sparten einer zusätzlichen Überprüfung durch das Committee on Foreign Investments in the US (Cfius).
Das chinesische Interesse an medizinischen Forschungsergebnissen ist bekannt. Erst in dieser Woche wurde der Fall eines chinesischen Wissenschaftlers in Basel bekannt, der Erkenntnisse aus einem Novartis-Institut weitergegeben und ein Labor für Tests für eine vom chinesischen Staat mitfinanzierte Biotechfirma missbraucht haben soll. Dennoch sind die Schutzmassnahmen der US-Regierung ein Problem für Biotech-Startups.
Wie ein Chinese vertrauliche Daten aus einem Novartis-Institut in Basel stahl. Und warum der Pharmakonzern ihn nicht zur Rechenschaft zog. Die Recherche von Seraina Gross und Sven Millischer lesen Sie hier.
Grosszügige Geldspritzen für Neugründungen
Trotz der Gefahr für das geistige Eigentum stellen sich Unternehmer hinter die chinesischen Geldgeber. Denn während US-Biotech-Firmen im ersten Halbjahr 2018 noch 1,65 Milliarden Dollar aus China erhalten hatten, waren es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nur noch 725 Millionen Dollar, zeigen Zahlen der Marktdaten-Firma PitchBook.
Laut William Haseltine, einem Firmengründer im Biotech-Bereich, waren chinesische Risikokapitalgeselllschaften besonders in der kritischen Zeit zwischen der Entwicklung eines neuen Konzepts und der Herstellung eines Prototyps von grosser Bedeutung. «Was sie taten war sehr nützlich: sie finanzierten Firmen in einem sehr, sehr frühen Stadium sehr grosszügig – mit 5 Millionen, 10 Millionen oder 20 Millionen Dollar», so Haseltine gegenüber der «Financial Times».
Er selber habe eine Firmengründung abblasen müssen, nachdem ein chinesischer Investor seine 30-Millionen-Dollar-Geldspritze zum Bau eines Labors zurückgezogen habe.
Branche hat im letzten Jahr 20 Milliarden Dollar aufgetrieben
US-Firmen im Bereich der Biowissenschaften haben im letzten Jahr laut Schätzungen 20 Milliarden Dollar an Risikokapital aufgetrieben, wobei chinesische Investoren eine grosse Rolle spielten. Fallen diese weg, könnte dies die Forschung in den USA – wo 80 Prozent der neuartigen Medikamente entwickelt werden – ernsthaft ausbremsen.
Ein weiteres Problem ist der Marktzugang wenn die Medikamente einmal Marktreife erlangt haben. Industrievertreter rechnen mit grösseren Hürden beim Eintritt in den grossen und weiter wachsenden Markt im Reich der Mitte. «Beziehungen können nicht über Nacht aufgebaut werden», warnt Jeremy Levin von der Branchenvereinigung Biotechnology Innovation Organisation.