Dass Sportmedizin eine Domäne der Privatspitäler ist, hat laut Matthias Spielmann, Direktor der Schulthess-Klinik in Zürich, einen triftigen Grund: «Es macht Sinn, Sportmedizin dort anzusiedeln, wo bereits Spezialisten für Orthopädie und Traumatologie tätig sind, und das ist an vielen Privatkliniken der Fall.»

Sportmediziner gibt es natürlich auch an vielen öffentlichen Spitälern. Sie verfügen dort aber häufig nicht über die notwendigen Infrastrukturen und betreiben die Disziplin bloss nebenbei. Ottmar Gorschewsky, Leiter der Sportorthopädie der Klinik Sonnenhof in Bern, glaubt, dass die öffentlichen Spitäler vielerorts den rechtzeitigen Aufbau dieses Segments verschlafen haben. Inzwischen ist das Feld weit gehend besetzt. Laut Swiss Olympic, der Dachorganisation von über 80 Sportverbänden, gibt es allenfalls noch zwei weisse Flecken (Zentralschweiz und Engadin) auf der sportmedizinischen Landkarte.

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Olympisches Label

An der Spitze der sportmedizinischen Kliniken stehen jene mit dem Label «Swiss Olympic Medical Center» (SOMC). Verliehen wird es von Swiss Olympic, die damit die sportmedizinische Betreuung in der Schweiz prüft und koordiniert. «Das Label soll Leistungs- und Hobbysportlern helfen, sich zu orientieren und sofort an die richtige Adresse zu gelangen», erklärt Christoph Nützi vom Bereich Sportmedizin bei Swiss Olympic.

Sämtliche sieben SOM-Center der Deutschschweiz sind an Privatkliniken angesiedelt. Wegweisend sind die Schulthess-Klinik in Zürich, weiter die Praxisklinik Rennbahn in Muttenz, wo Sportmedizin sowie sportmedizinische Orthopädie wie auch Leistungsdiagnostik seit Jahren das eigentliche Kerngeschäft bilden. Das Angebot in Muttenz umfasst die komplette Behandlungskette bis zur biomechanischen Diagnostik, der Betreuung von Spitzenteams und von grossen sportlichen Events.

An der Schulthess-Klinik in Zürich sind acht Sportmediziner im Einsatz, die Spitzenathleten (Ruderer, Volley- und Handballer, Uni-Hockeyaner, Fussballer des Grasshoppers-Clubs, Eishockeyaner des EHC Kloten) betreuen. In der Physiotherapie mit Trainingszentrum sind 60 Personen beschäftigt. Das Fitnesscenter ist öffentlich zugänglich. «Zwar ist es keine luxuriöse Wellness-Oase, dafür aber bieten wir eine optimale Betreuung», betont Spielmann. Zur Leistungskontrolle und -diagnostik gehören Belastungs-EKG, Conconi-Test, Laktat- und Stoffwechselanalysen, Ernährungsberatung usw.

Die Hirslanden-Gruppe hat mit dem SOM-Center move-med mit 30 Ärzten und Therapeuten in Zürich und der Anfang Juni eröffneten Sportklinik Birshof in Münchenstein zwei sportmedizinische Flaggschiffe. Doch das ist nur die Spitze eines breiten Angebotes, das laufend ausgebaut wird. Am Sport-Lab der Lausanner Clinique Bois Cerf können im Computer Bewegungen dreidimensional visualisiert und analysiert werden. Auch an den Hirslanden-Kliniken in Aarau, Bern und Schaffhausen ist Sportmedizin ein grosses Thema. Die Expertenteams der Hirslanden-Gruppe beherrschen auch das ganze der Sportmedizin vorgelagerte Spektrum der Fuss- und Wirbelsäulenchirurgie, der Rheumatologie und der Traumatologie.

Fast alle bauen aus

SOM-Center müssen einen sportmedizinischen Notfalldienst mit Erreichbarkeit rund um die Uhr offerieren. Und sie sollen, so ist es im Kriterienkatalog formuliert, Sportverbänden, Leistungs- und Hobbysportlern ein umfassendes Angebot an medizinischer Beratung, Fachwissen, Leistungstests und Physiotherapie anbieten.

Das tun auch zahlreiche Kliniken ohne SOM-Label. Beispiel Sonnenhof in Bern: Rund 20 Spezialisten decken hier die komplette sportmedizinische Behandlungskette ab, von der operativen Versorgung bis zur Sportpsychologie sowie der Lehre und Forschung. Auch die RehaClinic Zurzach ist in diesem Bereich aktiv, mit wasserspezifischen Trainingsmöglichkeiten als eigentlicher Spezialität, wie Marketingleiterin Judith Meier verrät. Betreut werden zudem der Spitzenhandballklub Endingen und Skiathleten aus Australien. Und die Klinik schickt immer wieder eigene Leute zum Masterstudium in Sporttherapie nach «down under».

Marketing- und Imagefaktor

Die sportmedizinische Landschaft der Schweiz ist also dicht besiedelt. Noch zeichnet sich aber kein Ende der Entwicklung ab. «Wir bauen das Angebot laufend aus», so Spielmann. Die Nachfrage steigt, vor allem von Seiten der Hobbysportler. Auch in den Klubs ist das Bewusstsein grösser geworden, dass gute Sportmedizin unerlässlich ist. Ein verletzter Spitzenfussballer ist ein unliebsamer Kostenfaktor. Firmen gehören ebenfalls zu den fleissigen Besuchern der sportmedizinischen Center. Die Kader der Bank Leu etwa, oder die Mitarbeiter der Migros Kosmetik-Tochter Mibelle lassen sich in der Schulthess-Klinik sportmedizinisch testen. «Bei zunehmender Freizeit, längerer Lebensdauer und wachsendem Körperbewusstsein nimmt auch das Potenzial von sportmedizinischen Kunden zu», so Gorschewsky. Behörden, Sozialversicherer und Arbeitgeber hätten erkannt, dass durch Prävention, gute Diagnostik und rechtzeitige Therapie enorme Kosten im Schadenbereich eingespart werden könnten, glaubt Judith Meier.

Trotzdem wird die wirtschaftliche Bedeutung des Segments von allen Beteiligten relativiert. Mit Blick auf den Gesamtumsatz von 110 Mio Fr. in der Klinik sei die Sportmedizin bloss ein Ergänzungsgeschäft, verrät Schulthess-Direktor Spielmann. Lediglich 2 Mio Fr. würden damit im ambulanten Bereich generiert. Nicht mitberechnet sind dabei stationär behandelte Sportverletzungen, die für ein Mehrfaches des erwähnten Umsatzes sorgen.

Wie gross der sportmedizinische Kuchen gesamtschweizerisch ist, lässt sich kaum ermitteln. Im Jahresbudget von Swiss Olympic sind 600000 Fr. für sportmedizinische Betreuung ausgewiesen. Die Zahl ist aber wenig aussagekräftig. Die Verbände zahlen zusätzlich aus den eigenen Kassen, und bei Sportunfällen sind Versicherungen in der Zahlungspflicht. Klar ist: Auch wenn sich mit Sportmedizin nicht das grosse Geld machen lässt, so ist deren Bedeutung selbst in jenen Kliniken, wo sie nicht zum Kerngeschäft gehört, nicht zu unterschätzen. Gorschewsky vom Sonnenhof unterstreicht den Imagefaktor: «Wir gewinnen so aktive, junge, bewegungsorientierte Klienten unsere Patienten von morgen.» Und Hirslanden-Sprecherin Agnes Jenowein betont: «Mit der Sportmedizin können wir den Bekanntheitsgrad der Kliniken erhöhen.»

Wettbewerb um Sportler: Das Tempo entscheidet

Die Privatkliniken rechnen damit, dass künftig auch die öffentlichen Spitäler energischer versuchen werden, sich ihren Marktanteil in der Sportmedizin zu sichern. Der Bereich könnte für Gemeinschaftspraxen und öffentliche Spitäler zur willkommenen Alternative werden, wenn die KVG-gestützten Leistungen der kurativen Medizin abgebaut werden. Allerdings wird es nicht leicht sein, den aktuellen Rückstand auf die Privatkliniken wettzumachen.

«Gefragt ist heute », sagt Hirslanden-Sprecherin Agnes Jenowein. Sportler seien höchst anspruchsvolle Kunden, die besonders schnell wieder genesen möchten. Dafür eigne sich am besten die Kombination aus minimalinvasiver Chirurgie und schneller Mobilisierung nach der Operation. Privatkliniken seien prädestiniert, die Domäne Sportmedizin auch in Zukunft optimal abzudecken. Nur sie verfügten über die dafür erforderlichen schnellen Reaktionszeiten, die notwendigen innovativen Modelle und den Spielraum für eine optimale individuelle Betreuung, ist die Hirslanden-Sprecherin überzeugt. (ps)