Am Freitag, dem 26.  Februar, präsentierten sich die verbleibenden Kandidaten für das Amt des Generaldirektors dem Nominationsausschuss des SRG-Verwaltungsrats. Die Gespräche mussten an geheimem Ort und nicht am SRG-Hauptsitz stattfinden. Zu gross die Gefahr, jemand könnte mitbekommen, wer im Rennen um einen der exponiertesten Spitzenjobs im Land ist.

Der Prozess geht in die entscheidende Phase. Ende Mai wird der Nachfolger von Armin Walpen gewählt. Als Königsmacher im Nominationsausschus sitzen SRG-VR-Präsident Jean-Bernard Münch, der jurassische Ex-Ständerat Jean-François Roth, der frühere Luzerner Staatsschreiber Viktor Baumeler und SBB-Präsident Ulrich Gygi. Ein halbes Dutzend Kandidaten sind noch im Rennen und reisten an. Edipresse-Chef Tibère Adler etwa, der als Favorit gilt, oder Ex-TV-Chefredaktor und FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger, der mit Aussenseiter-Chancen antritt (siehe unter 'Weitere Artikel')).

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Wer den Job ergattert, tritt mitten im Umbau an. Nach 14 Jahren unter der Ägide von Armin Walpen bekommt die Institution nicht nur neue Aushängeschilder verpasst, sondern auch eine neue Struktur, eine Radikalkur für mehr Effizienz, eine Rüstung für die digitale Zukunft. Der Staatsbetrieb soll – soweit möglich – zur modernen Wirtschaftseinheit umorganisiert werden. Und zwar mit Tempo.

«Konvergenz & Effizienz» heisst das Vorhaben, das vor einem Jahr vom Verwaltungsrat verabschiedet wurde und seitdem zum Mammutprojekt gewachsen ist. Zügig werden die Zusammenführung der Sender, die Schaffung von «trimedialen» Redaktionen, das Effizienzprogramm für die Supportdienste wie Informatik oder Human Resources und ein Sparprogramm vorangetrieben, als ob die Existenz der Gebührensender auf dem Spiel stünde. Bis 2011 sollen die Unternehmensteile TV und Radio in der Deutschschweiz zusammengelegt sein, was in der Westschweiz und im Tessin formell bereits erfolgt ist. Bis 2015 will man bei der SRG den Umbau abschliessen.

Gesamtprojektleiter ist der Radiodirektor der Romandie, Gérard Tschopp. Architekt für die Deutschschweiz ist Projektleiter und Radio-Chefredaktor Ruedi Matter, die Co-Leitung hat der stellvertretende SF-Chefredaktor Hansruedi Schoch. Unter ihnen arbeiten zehn Teilprojektleiter für einzelne Bereiche wie Sport, News oder Unterhaltung. Seit letztem Jahr sind die Arbeitsgruppen von knapp 10 auf rund 150 Mitglieder angewachsen. Die Folgen sind ein Staccato-Sitzungsrhythmus, Papierschlachten mit dem «Charakter einer gewaltigen Betriebsamkeit», wie ein Insider sagt. «Tatsächlich fällt auf, dass hier eine alltägliche Umstrukturierung als epochales Unterfangen zelebriert wird», meint Medienexperte und Unternehmensberater Kurt Zimmermann.

Das Konvergenz-Detailkonzept soll bis Ende Mai vorliegen und vom Verwaltungsrat abgesegnet werden. In diese Zeit fällt auch die Wahl des neuen Generaldirektors, der das Programm in den kommenden Jahren umsetzen muss.
Dieser wird zwar bei der Wahl für den Superdirektor für Radio und Fernsehen – wenige Wochen nach seiner eigenen Ernennung – gerade noch das entscheidende Votum abgeben dürfen. In die Vorauswahl war er aber nicht involviert, ausserdem werden den beiden neuen Top-Kaderleuten fertige Konzepte vor die Nase gesetzt. Die zeitliche Abfolge von Umstrukturierung und Neubesetzung der Kaderposten im Betrieb strotzt vor Unlogik.

Chaos und Verzögerung. Manche Beobachter fürchten deshalb bereits Chaos und Verzögerungen, etwa für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass sich die neue Spitze doch noch einbringen möchte. Am Ende drohe eine «SRG-typische» Lösung: die Verlängerung. Noch gibt man sich eisern. «Die Prozesse sind im Gang und irreversibel», erklärt SRG-Sprecher Daniel Steiner.

Und sie werden noch bis Ende 2010 vom scheidenden Generaldirektor (GD) Armin Walpen gesteuert, der sich ausbedungen hat, dass der neue GD erst 2011 übernimmt. Ganz nebenbei wurden Schlüsselstellen wie jene des Chefs SRG in der Romandie noch ohne Mitwirken des künftigen GD besetzt.

Auf die Frage, ob es sinnvoll sei, dass die abtretende Garde die Weichen für die neue Führung stelle, reagiert man bei der SRG spitz. «Welche abtretende Garde?», fragt Sprecher Steiner zurück. Sowohl Personal- als auch Strategieentscheide würden vom Verwaltungsrat beschlossen.

Grundlage für den Umbauentscheid war allerdings der 96-seitige Bericht «Medienkonvergenz und Wirtschaftlichkeit», verfasst vom abtretenden GD Walpen, der auch im Nominationsausschuss für die Auswahl möglicher Superdirektoren sitzt.

Der Walliser Service-public-Übervater verabschiedet sich mit einer Weichenstellung, an der er – das ist kaum von der Hand zu weisen – massgeblich beteiligt war. Neben mehr Effizienz werden mit der neuen Struktur auch eine Zentralisierung und die Autorität des Generaldirektors gestärkt. «Keine Königreiche mehr», heisst das Motto. Selbst der instinktsichere Machtmensch Armin Walpen ist in der Vergangenheit immer wieder aufgelaufen, wenn die autonomen Republiken und ihre starken Fürsten wie TV-Chef Peter Schellenberg oder Radiodirektor Andreas Blum nicht mitzogen. Auch in der Ära von Ingrid Deltenre und Walter Rüegg setzte sich die Zentralmacht nicht immer durch. Die Schaffung regionaler Multimedia-Zentren etwa, in denen medienübergreifend zusammengearbeitet werden sollte, war beschlossene Sache, wurde aber nie implementiert.

Ob bei der jetzigen Übung am Ende der Wille zur Umsetzung da ist, wird sich weisen. Zuerst einmal sorgt der Umbau für Lärm. Nicht einmal so sehr am Leutschenbach, wo sich die TV-Leute entspannt geben und finden, es laufe «erstaunlich gut». Doch bei den Radioangestellten ist Feuer im Dach, die Unsicherheit und der Unmut über den Aktivismus sind gross. Man vermutet hinter der strukturellen Mammutübung schlicht ein getarntes Sparprogramm. Traditionell verstehen sich die Radioschaffenden als Hüter der journalistischen Qualität und fürchten Abstriche.

Stärker betroffen als die Redaktionen sind die Support-Funktionen wie Human Resources und Informatik, wo jede zweite Stelle gestrichen werden könnte. Vorerst wurde ein Abbau von 100 Stellen angekündigt. Viele Kaderleute in diesen Funktionen sind vorerst interimistisch gesetzt – ob und wer unter dem neuen Superdirektor im Amt bleibt, ist unsicher. «Das ist gerade in einem Change-Prozess ungünstig, in dem das Management beruhigend wirken sollte», sagt ein involvierter Berater.

Generaldirektor Walpen markiert beim Umbau wenig Präsenz. Im vergangenen November erkrankte er an einer schweren Lungenentzündung, ist aber wieder genesen. Hält er sich bewusst zurück? «Ihre Wahrnehmung dürfte damit zusammenhängen, dass bei der Umsetzung der Projekte vor allem die Kommunikation mit den Mitarbeitenden wichtig ist», sagt SRG-Sprecher Daniel Steiner. Armin Walpen habe darum der «internen Kommunikation volle Priorität eingeräumt».

Nur kommt dies intern nicht an. «Man hat das Gefühl, er sei schon weg», sagt ein TV-Kadermann. Auch Medienexperte Zimmermann moniert die mangelnde Präsenz Walpens: «Bei einer solchen Übung muss der Chef als Erstes seine Position zu den wichtigsten Eckpunkten klar durchgeben. Darauf wartet man heute noch.»

Kulturpendler. Die Konfusion ist zuweilen gross. Ein Beispiel: Der Schwerpunkt der vereinigten Kulturredaktion sollte nach Basel an den Sitz der Radio-Kulturleute verlegt werden. In der Detailplanung sah man dann, dass die TV-Produktion an diesem Standort kaum möglich ist. Nun droht das groteske Szenario, dass die TV-Kulturleute «nach Basel zu Sitzungen karren und dann zurück nach Zürich zur Produktion», so ein Betroffener.

Während der Bereich Information weitgehend von einer Zusammenführung ausgeklammert wird und in der Deutschschweiz auch jeweils ein eigener Chefredaktor für TV und Radio bleibt, wird bei Sport oder Kultur voll fusioniert. «Die unpräzisen Vorgaben und der hohe Zeitdruck führen zu merkwürdig inkohärenten Modellen», sagt ein Radio-Kadermann.

Der Prozess in der Westschweiz und im Tessin läuft separat und nach anderem Muster. Während in der Romandie ein Informationschef über beide Kanäle installiert wird, operiert man in der Deutschschweiz im Bereich Information weiterhin mit zwei Chefredaktoren.

Warum wird nicht ein stimmiges einheitliches Modell erarbeitet? SRG-Sprecher Steiner: «Die regionalen Besonderheiten müssen respektiert werden, um den unterschiedlichen Mentalitäten der Bevölkerung, unseres Publikums, gerecht zu werden.» In der Westschweiz wurden zuerst die grossen Linien geregelt, die Details erst nach dem Zusammenschluss von Radio und Fernsehen. In der Deutschschweiz werden viele Detailfragen bereits vor dem Zusammenschluss geregelt.

«SRG-typische Wucherungen», tut ein Kadermann die Kritik ab. Dass in einer Umbauphase gewettert wird und die Belegschaft verunsichert ist, sei eine normale Begleiterscheinung.

Auch externe Experten hinterfragen den Kurs. Die im Herbst gegründete Gesellschaft für Medienkritik, angeführt vom ehemaligen TV-Direktor Ulrich Kündig, kritisiert das Konvergenzmodell als «klassisches Top-down-Projekt», das die unterschiedlichen Arbeitsabläufe der beiden Medien zu wenig berücksichtige. Radio – schnell, leicht zu führen – und TV – teamorientiert und komplizierter – sollten «in pragmatischen und kleinen Schritten» zusammengeführt werden.

Vorbehalte äussert auch der Zürcher Professor für Publizistikwissenschaft Otfried Jarren: «Die kulturellen Unterschiede zwischen den Medien sind gross. Die journalistische und redaktionelle Integration, in der sich derzeit ja auch Verlagshäuser versuchen, ist nicht ganz einfach.» Dieser Prozess sei vorsichtig anzugehen. Jarren fürchtet, dass es bei der SRG «etwas schnell» geht. «Das Wagnis bei einem solchen Umbau ist sehr gross», lautet seine Einschätzung, «speziell bei Institutionen, die stark traditionelle Produzenten-Nutzer-Bindungen haben wie die SRG.»