Der Dieselskandal holt Volkswagen mit voller Wucht ein: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig klagt die Unternehmenspitze wegen Marktmanipulation an. Sowohl der heutige Konzernchef Herbert Diess als auch der frühere Finanzvorstand und jetzige Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sowie der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn hätten die Pflicht zur Information des Kapitalmarktes verletzt, teilte die Behörde am Dienstag mit.
Die Manager hätten die Börse vorsätzlich zu spät über die aus der Aufdeckung der Abgasmanipulationen resultierenden erheblichen Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert und damit rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen.
Pötsch und Diess wollen im Amt bleiben
Der Rechtsanwalt von Diess teilte mit, der Vorstandschef werde sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Vorwürfe verteidigen. Weder Fakten noch die Rechtslage rechtfertigten die Anklage. Auch der Anwalt von Pötsch wies die Anklage als unbegründet zurück. Ein Sprecher des Aufsichtsrats teilte mit, das Präsidium des Kontrollgremiums werde noch am Dienstag über das weitere Vorgehen beraten.
Insidern zufolge wollten sowohl Pötsch als auch Diess im Falle einer Anklage im Amt bleiben. Pötsch gilt als wichtige Klammer im Aufsichtsrat, der den Kontakt zu den Familien Porsche und Piech hält. Diess hat den Konzern nach dem Dieseldesaster umgebaut und will Volkswagen zu einem führenden Anbieter von Elektroautos machen.
Der Anwalt von Winterkorn teilte mit, er sei überrascht über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Die Anklage sei in tatsächlicher sowie in rechtlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Winterkorn habe nicht vorzeitig vom Einsatz einer verbotenen Motorsteuerung erfahren. Der damalige Konzernchef war im September 2015 zurückgetreten, nachdem der Dieselskandal bekanntgeworden war.
Kostenpunkt bisher 30 Milliarden Euro
Nach Überzeugung der Ermittler erfuhren alle drei Angeklagten schon früh von den Abgasmanipulationen. Winterkorn habe spätestens im Mai 2015 davon Kenntnis gehabt. Pötsch sei seit dem 29. Juni 2015 und Diess seit dem 27. Juli des gleichen Jahres informiert gewesen. Jeder für sich hätte ab dem jeweiligen Zeitpunkt die erforderliche Ad-hoc-Mitteilung veranlassen müssen, was nicht geschehen sei.
Volkswagen hatte im September vor vier Jahren erst auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, millionenfach Diesel-Abgaswerte durch eine Abschalteinrichtung manipuliert zu haben. Die Wiedergutmachung des Skandals hat Volkswagen bisher 30 Milliarden Euro gekostet - vor allem Schadensersatzzahlungen und Strafen in den USA.
(reuters/gku)