Der «Secteur public» unternimmt vieles, um die unangenehme Konkurrenz aus der Privatwirtschaft auszuschalten und damit Marktanteile der Zusatzversicherten zurückzugewinnen. Der von den Kantonen festgelegte und vom Bundesrat bislang immer bestätigte Tarmed-Taxpunktwert im ambulanten Sektor entspricht einer Tarifreduktion von rund 22% und erschwert, ja verunmöglicht den Privatkliniken, weiterhin Leistungen in diesem Bereich anzubieten. Die Einführung des Tarmed im allgemeinen, stationären, später auch im Zusatzversicherungsbereich steht vor der Tür und bedeutet ein faktisches Ende der freien, privatwirtschaftlichen Unternehmensführung. Die Rentabilität privater Einrichtungen sinkt, während die Defizite im öffentlichen Bereich stetig zunehmen der Kollaps des Systems ist absehbar.

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Privatkliniken müssen sich deshalb gut überlegen, ob sie weiterhin solange man sie braucht innerhalb eines fremdbestimmten Rahmens geduldet werden möchten oder ob sie nicht besser aktiv den Ausstieg aus dem KVG an die Hand nehmen.

Verunsicherung auf breiter Front

Die soziale Krankenversicherung sollte den selbstständigen Ärzten und privaten Spitälern ein gutes, ihrer Ausbildung, Verantwortung und Aufgabe entsprechendes Einkommen bieten, so die klare Vorstellung des Bundesrates bei Erlass der KVG-Botschaft. Die Entwicklung seit 1995 zeigt jedoch in eine andere Richtung: Tarmed, Tarifschutz und wieder anziehende Spitallistenverfahren verunsichern auf breiter Front und werfen die Frage nach Alternativen auf.

Es gibt mehrere Anlässe für eine Standortbestimmung, die letztlich auf Unzufriedenheit mit dem Absinken der ökonomischen Attraktivität des Berufsumfeldes, aber auch auf die Unsicherheit über künftige Entwicklungen zurückzuführen ist. Im Hintergrund debattieren Versicherer und Leistungserbringer deshalb zunehmend intensiver Versicherungsmodelle, die sich vollständig ausserhalb der sozialen Krankenversicherung bewegen. Die 2. KVG-Revision lässt auf sich warten; und ob sie die richtigen wirtschaftlichen Anreize setzt, wird vielerorts bezweifelt. Immer mehr Ärzte und Spitäler bewegen sich zumindest mental in Richtung Ausstand, und bei grösseren Leistungserbringern und Versicherern ist das Thema des Ausstandes Teil der Zukunftsstrategien.

Der Ausstand kann nach Artikel 44 Abs. 2 KVG von jedem Leistungserbringer gegenüber der Kantonsregierung erklärt werden. Wer sich im Ausstand befindet, muss hierüber den Patienten aufklären und rechnet mit diesem auf einer ausschliesslich privatrechtlichen Grundlage ab. Die Tarife des KVG gelangen wie auch andere Bestimmungen des KVG für den Ausstandsarzt gar nicht zur Anwendung. Es gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Sowohl der Leistungserbringer wie auch die Versicherer entscheiden frei, mit wem sie welche Verträge zu welchen Konditionen abschliessen wollen.

Halbe Lösungen sind nicht möglich

Nach einer sehr verbreiteten Meinung kann der Leistungserbringer entweder nur unter dem KVG tätig werden oder muss dann global in den Ausstand treten. Dies stimmt zumindest für die Wirkungen des Ausstandes gegenüber den Versicherern. Ein partieller Ausstand gegenüber einzelnen Versicherern ist ausgeschlossen. Eine nähere, bislang gerichtlich jedoch noch nicht überprüfte Analyse der rechtlichen Regelungen führt jedoch für die weiteren Wirkungen des Ausstandes zu eher liberalen Schlüssen: Das KVG geht von einem numerus clausus an Leistungserbringern aus. Mit Ausnahme der Spitäler ist jede im KVG-Katalog genannte Person automatisch Leistungserbringerin, ausser sie erklärt den Ausstand.

Ein Arzt kann sich in verschiedenen Funktionen innerhalb oder ausserhalb des KVG bewegen, so in seiner eigenen Praxis, in einer Einrichtung der ambulanten Krankenpflege oder an einem Spital. Das Spital kann als Ganzes oder abteilungsweise dem KVG unterstehen (Art. 39 Abs. 1 KVG). Der Arzt kann teilzeitlich oder als privater Belegarzt am Spital tätig sein.

Diverse Kombinationen im Ausstand sind denkbar

Da das KVG die Zulassung zur sozialen Krankenversicherung und damit auch den Ausstand nicht an eine Person knüpft, sondern an einen bestimmten Leistungserbringer, kann eine einzelne Person in verschiedenen Funktionen Leistungserbringer sein oder in den Ausstand treten. Die dabei entstehenden Kombinationsmöglichkeiten lassen sich modular einsetzen. Ein Arzt, der mit seiner Praxis in den Ausstand tritt, kann an einem Spital ambulante, teilstationäre oder stationäre Leistungen erbringen, denn diese Leistungen werden gemäss KVG dem Spital zugerechnet. Er kann sich auch einer KVG-Einrichtung der ambulanten Krankenpflege anschliessen, darf jedoch weder in seiner Praxis noch in einer anderen Einzelpraxis KVG-Leistungen erbringen.

Sodann kann sich ein Spital intern in Ausstandsabteilungen und KVG-Abteilungen gliedern. Zulässig ist weiter die Bildung von Konzernstrukturen auf der Spitalebene, wo ein Spital Ausstandsleistungen erbringt, ein anderes KVG-Leistungen.

Interessante Kombinationsmöglichkeiten eröffnen sich dem Belegarzt. Dieser wird an einem öffentlichen oder privaten Spital oder an einer teilstationären Einrichtung tätig, ohne dass er dort angestellt wäre. Tritt das Spital als Ganzes oder mit einzelnen Abteilungen in den Ausstand, so betrifft dies auch den Belegarzt, allerdings nur hinsichtlich seiner Tätigkeit an diesem Spital. Nicht erfasst wird seine Belegarzttätigkeit an anderen Spitälern oder seine ambulante Praxis. Umgekehrt kann ein Belegarzt, der in seiner ambulanten Praxis in den Ausstand tritt, als Belegarzt an einem oder mehreren Spitälern im Rahmen des KVG wirken, dies im stationären oder teilstationären Bereich. Er kann sich sogar von einem Spital teilzeitlich anstellen lassen und für das Spital ambulante Leistungen erbringen. Tritt der ambulant tätige Arzt in den Ausstand, so wird damit einzig seine ambulante Tätigkeit in dieser Praxis erfasst. Unberührt bleiben davon die Tätigkeit des Ausstandsarztes an einem Spital, sei es als Belegarzt oder teilzeitlich angestellter Arzt im stationären oder teilstationären Bereich oder als teilzeitlich angestellter Arzt im Spitalambulatorium.

Die Ausstandsregelung bietet entgegen dem ersten Anschein zahlreiche Kombinationsmöglichkeit zwischen einer KVG-Tätigkeit und privater Leistungserbringung. Vereinfacht gesagt kann der Leistungserbringer modular in den Ausstand treten, wenn er sich entsprechend flexibel organisiert. So kann der Ausstand genutzt werden für eine wirtschaftliche Optimierung des eigenen Tuns. Und er fördert die aus Patientensicht durchaus erwünschte Durchlässigkeit zweier Entschädigungssysteme.

Tomas Poledna, Rechtsanwalt und Partner bei Badertscher Dörig Poledna, Zürich, sowie Titularprofessor und Dozent für Gesundheitsrecht an der Universität Zürich. Beat Huber, Direktor der Klinik Pyramide am See, Zürich, und Präsident von The Swiss Leading Hospitals.

Grauer Star: Grotesker Streit um Kostengutsprache

Krankenkassen und Spitäler streiten zunehmend um die Übernahme von Kosten. Exemplarisch dafür sind die Katarakt-Operationen (grauer Star). Davon betroffen sind etwa 99% der über 65-Jährigen. Es ist die häufigste Operation in der Medizin überhaupt. Die allermeisten Eingriffe erfolgen ambulant oder teilstationär allerdings nicht ohne Ausnahme. Die Helsana hat es unlängst aber abgelehnt, die Kosten für eine stationäre Katarakt-Operation im Umfang von rund 5000 Fr. zu übernehmen. Der Vorfall ereignete sich in der Zürcher Privatklinik Pyramide am See und betraf eine privatversicherte, 82-jährige Patientin, die im Jahr 14 000 Fr. Prämien an die Helsana zahlt.

Pyramide-Chef Beat Huber ist über den ablehnenden Entscheid der Helsana erbost. «Es kann doch nicht sein, dass eine Privatversicherte mit freier Arzt- und Spitalwahl und garantierter voller Kostenübernahme auf die Poliklinik des Universitätsspitals verdammt wird.» Die Versicherer würden sich eben immer mehr in die Kernkompetenzen der Leistungserbringer einmischen, so Huber. (res)