Den Stahlproduzenten weltweit geht es so gut wie seit Jahren nicht mehr. Und die Party scheint noch längst nicht vorbei zu sein. Ein Indiz dafür ist die rege Investitionstätigkeit in der Branche. Inzwischen haben etwa in Deutschland sämtliche grossen Stahlkocher von Saarstahl über Salzgitter bis Thyssen angekündigt, ihre Kapazitäten deutlich ausbauen zu wollen. So auch in der Schweiz, wo der einzig verbliebene Stahlhersteller Swiss Steel seine Investitionen alleine im letzten Jahr auf über 40 Mio Fr. verdoppelt hat.
Eisenerzpreis ist «explodiert»
Investiert wird bei Swiss Steel dabei aber nicht primär in erweiterte Kapazitäten, sondern in die Verbesserung von Produktivität und Qualität, wie Konzernchef Marcel Imhof sagt. Für Swiss Steel, die weltweit zwar nur einen Marktanteil im Promillebereich hat, dafür aber im Segment der hochwertigen Nischenprodukte eine globale Leaderposition beanspruchen kann, zählen so genannte Spezialstähle zum Kerngeschäft. Dazu gehören Produkte wie Edelbaustahl oder Werkzeugstahl für den Maschinenbau oder für den Bereich Formenbau und Spritzguss in der Automobilindustrie sowie zum Beispiel säurebeständiger Stahl für die chemische Industrie und andere Speziallegierung etwa für die Luftfahrtindustrie. Für die Abnehmer dieser Produkte sind die Preise auch in den letzten Monaten weiter gestiegen. Gemäss Imhof macht es bei diesen Produkten zwar keinen Sinn über Richtpreise oder Durchschnittspreise zu sprechen, wie dies beim Stahl für den Bausektor üblich ist. Die Preise für Industriestahl bewegten sich ab 800 Fr. pro Tonne nach oben und könnten schnell mehrere tausend Franken betragen. «Wir haben heute Stahlprodukte im Sortiment, die über 10000 Fr. pro Tonne kosten», sagt Imhof. Zur Herstellung ihrer Produkte benötigt die Stahlindustrie einerseits Schrott, zum anderen Eisenerz und Legierungsmittel.
Während sich die Lage auf dem Schrottmarkt inzwischen etwas beruhigt hat, sind die Preise für Eisenerz und vor allem Legierungsmittel in den ersten Monaten 2005 förmlich explodiert. «Es ist, als hätte sich die ganze Welt um eine Etage hinauf bewegt», sagt Imhof, der darauf verweist, dass alleine seit Anfang Jahr die Preise für Eisenerz und Legierungsprodukte um bis zu 70% angestiegen sind. Immerhin machen die Legierungen rund einen Drittel des Preises aus. Das hat Folgen, vor allem für den Werkzeugmaschinenbau, wo die Schweiz global nach wie vor eine Spitzenposition einnimmt. Zum Beispeil bei Feintool. «Alleine wegen des hohen Materialanteils können sich unsere Werkzeugmaschinen um mehrere zehntausend Franken verteuern», erklärt dazu Reto Hartmann, CEO des Lysser Press- und Feinschneidespezialisten Feintool.
Trotz der teilweise massiven Preiserhöhungen für den Rohstoff Stahl ist das grosses Murren bei den Mitgliedern des Branchenverbandes der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) allerdings bisher ausgeblieben. Der Grund liege vor allem darin, dass Preiserhöhungen nicht nur die Schweizer Produzenten treffe sondern die Preise weltweit gelten, sagt Swissmem-Sprecherin Dorothea Tiefenauer. Eine viel grössere Gefahr für die internationale Konkurrenzfähigkeit der Firmen ginge von einer Veränderungen beim Faktor Arbeit oder von Währungsverschiebungen aus.
Preisentwicklung 2005
«Stahl bleibt ein spannendes strategisches Produkt, das zentral ist vor allem für die Infrastrukturbauten in den aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften», sagt Swiss Steel-Chef Imhof, der davon ausgeht, dass der Bedarf weiter zunehmen wird. Lag die weltweite Stahlproduktion letztes Jahr zum ersten Mal über 1 Mrd t, rechnet Imhof auch für dieses Jahr wegen der nach wie vor starken Nachfrage aus China und Indien mit einem weiteren globalen Wachstum von 5 bis 10%. Zum Vergleich: In der Schweiz ist der Markt für Stahlprodukte rund 2 Mio t gross.
Mit den teilweise grotesk anmutenden Verzerrungen im Preisgefüge, wie sie 2004 an der Tagesordnung waren, rechnet Imhof für dieses Jahr nicht mehr. Im letzten Jahr war der Brutto-Preis für Betonstahl von 482 Fr die Tonne auf bis zu 865 Fr. (Mai/Juni 2004) gestiegen. Zwischenzeitlich hat sich die Lage beruhigt, heisst es auch beim Schweizerischen Stahlhändlerverband. Nach Angaben des Verbandes hat sich der Richtpreis für Betonstahl inzwischen auf 570 Fr. je Tonne eingependelt. Zurückgekommen sind auch die Preise auf dem Schrottmarkt sowie der so genannte Schrottpreiszuschlag. Dieser wurde im letzten Jahr wegen der extremen Preishausse eingeführt, hat sich aber inzwischen um 20 bis 30% reduziert.
Betonstahl bleibt teuer
Für die kommenden Monate erwartet Roman Rogger, Präsident beim Schweizerischen Stahlhandelsverband, dass die Stahlpreise auch im Bausektor wieder anziehen werden. Nach dem Überschiessen der Marktpreise im letzten Jahr wurden die Lager gefüllt, ein Abbau dann aber im 1. Quartal wegen des starken Winters verzögert. Doch dies sei nun vorbei, begründet Rogger. «Ich bin der Meinung, dass die Preise möglicherweise wieder ansteigen.» Auf jeden Fall sei davon auszugehen, dass die Preise für Betonstahl über dem langjährigen Durchschnitt bleiben werden.
China wächst ungebremst
Die Rohstahlproduktion ist weltweit auch im vergangenen Monat weiter angestiegen. Dies vermeldet das International Iron and Steel Institute (IISI), an deren Adresse monatlich über 60 Länder ihre Produktionszahlen weitergeben. Diese lagen im April 2005 mit 92,1 Mio Metric-Tonnen 8% höher als im entsprechenden Vorjahresmonat. Fast gleich hoch ist die Zunahme über die ersten vier Monate 2005 gerechnet. Mit fast 400 Mio Metriktonnen liegt die Produktion 7% über Vorjahr. Am stärksten zugenommen hat die Produktion im April einmal mehr in Asien (+16,5%), wo inzwischen rund die Hälfte des weltweiten Rohstahls produziert wird. Der grösste Anstieg entfiel auf China, das im April 28,1 Mio Tonnen Rohstahl produzierten, was gegenüber April 2004 einer Zunahme von 25,4% entspricht. Gefolgt von Indien mit +21,4% und Japan +3,3%, wobei beide Länder bedeutend tiefere Volumen haben. (hub)
Fazit: Nach der Übernahme der Edelstahlwerke Südwestfalen und Edelstahl Witten-Krefeld dürfte auch 2005 ein margenstarkes Jahr für Swiss Steel werden. Mit einem KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) von 7 hat der Industrietitel durchaus noch weiteres Potenzial.