Auch wenn Ed Russell noch nicht lange im Kinderbuch-Business ist: Vier wichtige Dinge hat der Gründer von Librio seit dem Firmenstart im Frühling 2017 gelernt und sich in allen Sprachen hinter die Ohren geschrieben.
Erstens: Weihnachten gibts nur einmal im Jahr. Zweitens: Trams sind Gold wert. Drittens: Wenn etwas noch mehr wert ist als Trams, dann Götti und Gotte. Und viertens … Aber dazu später.
Ein Geschenk. Eine Marktlücke
Schlagen wir zunächst einmal nach beim Prolog zur Firmensaga. Es war noch zu seiner Zeit als Tech-Unternehmer, als Ed Russells Tochter ein personalisiertes Kinderbuch zum Geburtstag erhielt. Ein Buch also, dessen Hauptperson individuell gestaltet ist und so schneller den Weg zu Herz und Hirn der kleinen Betrachter finden soll.
Das Wesen solcher Bücher ist vor allem im angelsächsischen Bereich stark verbreitet. Doch was Vater Russell da sah, gefiel ihm nicht recht: «Bilder und Gestaltung sind nicht liebevoll gemacht», dachte sich Russell. Und noch etwas dachte sich der Engländer: «Marktlücke.»
Vom Domain-Parking zu den Kinderbüchern
Russell, der sich zuvor im Bereich des Domain-Parking herumschlug, also Internet-Domains mit Werbung bestückte, stieg ins Geschäft mit personalisierten Kinderbüchern ein. Dazu programmierte er mit seinen Librio-Mitgründern ein System, das es erlaubt, für ein Kinderbuch einen Avatar zu erstellen.
Russell erklärt das so: «User können sich die Hauptperson eines Buches zusammenstellen, Name und Geschlecht, Haarfarbe, Frisur und so weiter wählen.» Die Nutzerinnen und Nutzer hatten so 8000 Möglichkeiten beim ersten Werk, dem Waldmärchen «Farbenfroh», das im November 2017 erschien.
17 Sprachen und Dialekte
Ebenso wählbar ist die Sprache. Russells Librio-Verlag bietet insgesamt 17 Sprachen und Dialekte an, neben Deutsch, Englisch und Rätoromanisch unter anderen auch die Dialekte aus dem Wallis, den Kantonen Bern, Glarus, Graubünden und Zürich. Das kommt an: «Über 50 Prozent unserer Bücher werden in Schweizer Dialekten bestellt, das hätten wir so nicht erwartet.»
Daneben stellten sich bei Russell weitere Learnings ein. Etwa, dass es pro Jahr nur eine Weihnacht gibt. Was rein kalendarisch betrachtet recht trivial klingt, hat es für Librio in sich: «Wir müssen die Saisons besser planen, damit nicht zu viel Druck auf dem Jahresende liegt.» Lektion zwei: Werbung im Offline-Bereich ist erfolgsträchtig: «Wir machten Werbung in Trams in Zürich und Basel. Das gab einen grossen Rücklauf.»
Götti und Gotte: Geschenk-Sonderfall Schweiz
Lektion drei: «Götti und Gotte sind in der Schweiz extrem wichtige Bezugspersonen für die Kinder – viel wichtiger als etwa in Deutschland oder England.» 65 Prozent der Bücher, so die Erkenntnis, seien allein von dieser Zielgruppe bestellt worden.
Man sei also nicht so sehr im Büchermarkt tätig, sondern fische eher im Götti- und Gotte-Teich. Und das erfolgreich: Um 22'000 Exemplare von «Farbenfroh» und dem jüngst erschienenen Wimmelbuch seien bisher über die Ladentische gegangen. Zurzeit werkelt Russell an drei neuen Büchern, die 2019 erscheinen sollen, zwei im Frühling, eines zu Weihnachten.
8000 Avatar-Varianten sind zu viel
Wobei Russell im neuen Metier noch etwas lernte: Weniger ist mehr. Beim ersten Werk hatten die User 8000 Varianten zur Avatar-Ausstattung. Nun werden am Verlagssitz im Zürcher Kreis 6 nur noch 1500 aufbereitet. Russels Lektion vier: «Zu viele Optionen, zum Beispiel die Augenfarbe, überfordern die Schenker.»