Man kann ausgepowerte Ketchup-Flaschen, Senf-, Mayo- und Zahnpastatuben drehen und wenden, drücken und falten, wie man will: Immer bleibt am Ende noch ein Rest der zähflüssigen Masse drin im Behältnis. Ein Umstand, der Sparfüchse ebenso wurmt wie Umweltfreundinnen.

Das weltumspannende Ärgernis hat in den USA ein Startup auf den Plan gerufen. Die Mission von Liquiglide: zähflüssige Stoffe besser zum Gleiten zu bringen. Auf dass sich Tuben und andere Gefässe besser entleeren lassen. Die Gründung von Liquiglide ist zwar schon ein paar Jahre her. Doch jetzt sollen Schweizer Partner mehr Schwung in die Tube bringen.

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Der Fight um den Flutsch-Faktor

«Ausbeuteverlust» nennen Profis das Problem, das sich aufgrund feststeckender Materialien in geschlossenen Behältnissen ergibt.

Die Lösung: extrem rutschige Innenflächen, die für einen erhöhten Flutsch-Faktor sorgen. Schon 2012 gründete Kripa Varanasi, Professor für Maschinenbau am renommierten US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT), das Unternehmen, das helfen soll, Tuben vollständig zu entleeren.

Für diesen Zweck entwickelt Liquiglide dauerhafte Gleitbeschichtungen, die im Innern von Gefässen zur Anwendung kommen. Dabei gehe es, weiss der Professor, um die richtige Kombination von Oberflächenchemie und -struktur, «sodass die Imprägnierflüssigkeit die strukturierte Oberfläche bevorzugt benetzt und durch Kapillar- und intermolekulare Kräfte stabilisiert wird».

Das alles klingt für einen Konsumenten, der doch eigentlich nur seine Zahnpastatube reibungslos ausschlachten will, furchtbar technisch. Und wahrscheinlich war auch die Technikobsession schuld daran, dass die Welt bisher bezüglich Ausbeuteverlust noch keinen wirklich entscheidenden Schritt vorwärtsgekommen ist. Man sollte es den Produkten eben auch ansehen, was sie drinnen draufhaben.

So soll eine leere Tube aussehen; Liquiglide macht's möglich.

So soll eine leere Tube aussehen; Liquiglide macht's möglich.

Quelle: Getty Images

Und hier kommt der erste Schweizer Partner ins Spiel. Seit kurzem baut Liquiglide fürs Design auf die Dienste des Westschweizer Industriedesigners Yves Béhar. Der Lausanner Tausendsassa, längst in die USA ausgewandert und dort mit seiner kalifornischen Firma Fuseproject aktiv, ist eine Allzweckwaffe fürs coole Produktdesign. Béhar kann Turnschuhe und Wohnhäuser ebenso in Form bringen wie Türgriffe, Sonnenbrillen, Bürostühle und Smartwatches. Ferner war der Exil-Romand auch fürs letzte Redesign der Rivella-Flaschen zuständig.


Mit Béhars Händchen sollen nun Produkte von Liquiglide unter der Marke Everydrop ein schnittiges Äusseres erhalten. Daneben stellt das Unternehmen seine Technologie auch anderen Firmen zur Verfügung, so etwa Colgate: Jüngst lancierte die Zahnpastamarke ein Produkt, das auf der friktionslosen Methode von Liquiglide beruht.

Migros-Tochter mit an Bord

Aus dem Bereich der Schönheit, Kosmetik und Hygiene kommt auch der zweite Schweizer Partner: Die Mibelle-Gruppe, ein Tochterunternehmen der Migros. Per Ende 2019 hat Mibelle bei der jüngsten Finanzierungsrunde von Liquiglide partizipiert. Zur Höhe der investierten Summe – die Runde betrug insgesamt 13,5 Millionen Dollar – will Mibelle zwar nichts sagen, bestätigt aber, dass man zusammen mit Liquiglide an einer «revolutionären Lösung arbeitet, um Flüssigkeiten ressourcensparender aus Tuben und ähnlichen Gebinden zu entfernen».


Wobei Mibelle die Technologie zunächst einmal nicht im Bereich Verpackung für Konsumgüter, sondern in der Fabrikation einsetze, wie es beim Unternehmen heisst: «Dies mit dem Ziel, eine bessere Entleerung der Produktionsanlagen zu erzielen.»

Wenn es dort so richtig flutscht, sollte es auch in der Produktwelt klappen. Denn auf eine spezielle Anwendung, so notierte der «Economist» kürzlich völlig zu Recht, warten Konsumenten und Konsumentinnen weiterhin: auf einen Einsatz im besonders reibungsbehafteten Ketchup-Bereich. Offenbar ist es Liquiglide noch nicht gelungen, in dieser Welt einen Partner zu finden oder selber zu liefern. Was nur heissen kann: Jetzt aber gleitig, Herr Béhar!