Sich ausgerechnet während des Lockdowns selbständig zu machen, braucht Mut. Doch genau das hat der 25-jährige Schweizamerikaner Christopher Bieri bewiesen. Er hat seinen gut dotierten Posten bei einer Münchner Unternehmensberatung aufgegeben und sich mit seinem Startup Seatti selbständig gemacht. 

Seatti ist eine Onlineplattform, über die man ungenutzte Räume tagsüber als flexiblen Arbeitsplatz nutzen kann. Ein Airbnb fürs Arbeiten sozusagen. Oder wie es Gründer Bieri nennt: «Airbnb für Working-Spaces». Vor allem Hotelzimmer, die tagsüber leer stehen, hat Seatti im Visier. So etwa auch in Zürich oder Basel

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Krise als Chance

Eine grosse Krise wie Corona führt zu wirtschaftlichen Umbrüchen. «Das sind nicht unbedingt die schlechtesten Voraussetzungen für ein Startup», sagt Bieri. Konkret wollte er die Gunst der Stunde, die das Thema Remote Work (Deutsch Telearbeit) zurzeit erlebt, für sein Geschäftsmodell nutzen. Denn dass Seatti nun vor allem auf Hotels setzt, sei eine logische Konsequenz aus der Krise, sagt Bieri.

Der 25-Jährige wurde in Zürich geboren, redet beim Zoom-Call aber astreines Hochdeutsch ohne Schweizer Akzent: «Meine Mutter ist Amerikanerin, mein Vater Schweizer», sagt Bieri.

Nach Zürich hat Bieri in den USA gewohnt, dann lange in Deutschland und ist für das Studium an der Universität St.Gallen mit knapp 20 Jahren wieder in die Schweiz gekommen. Dort hat er auch seinen späteren Mitgründer Johannes Eppler kennengelernt. Sie haben sich an der Uni zwar angefreundet, aber erst später gemeinsam gegründet.

Johannes Eppler (l.) und Christopher Bieri (Startup-Gründer)

Junges Gründungsteam: Johannes Eppler (l.) und Christopher Bieri.

Quelle: ZVG

Die Idee zu Seatti kam Bieri, als er bei Tesla in Amsterdam arbeitete. Dort war er von 2016 bis 2018 im Projektmanagement tätig. Zunächst im Bereich «Financial Service», dann auch in der «Enery Storage Unit».

Über die Hälfte der Zeit nicht in der Wohnung

In seiner Zeit bei Tesla sei er viele Stunden auf Geschäftsreisen gewesen, erzählt Bieri. «Ich habe aber ganz selten einen Platz gefunden, an dem ich ausserhalb des Büros befriedigend arbeiten konnte.» Als er auf Reisen war, dachte er an seine leere Wohnung in Amsterdam. Und dass in der Stadt, in der er gerade unterwegs war, auch Wohnungen waren, die gerade leer standen.

Bieri dachte sich, warum eine Wohnung nicht auch wie ein Auto oder andere Objekte «on-demand» nutzen? Eine Umfrage, die er nach der Gründung gemacht hatte, ergab, dass eine Wohnung oft nur 35 bis 50 Prozent der Zeit genutzt wird. «Dafür zahlt man eigentlich viel zu viel», sagt Bieri. Diese Mehrkosten wollten die Jungunternehmer ausgleichen. 

Pendlerei abschaffen

Doch die Idee, private Wohnzimmer als «Working Spaces» zu nutzen, erwies sich dann rechtlich als zu kompliziert, vor allem in Bezug auf die Mietverhältnisse. Die ursprüngliche Idee habe sich nun stark gewandelt, erklärt Bieri. Seatti setze jetzt auf B2B-Kunden.

«Wir wollen für die Mitarbeiter von Unternehmen jederzeit den bestmöglichen Arbeitsplatz finden – und zwar immer in der Nähe.» Dazu wolle Seatti einerseits die «Pendlerei abschaffen», anderseits aber auch die Kosten für Unternehmen senken, wenn sie auf traditionelle Büroflächen verzichten. Doch es gehe auch um Kollaboration. «Die Leute sollen trotz Corona nicht jeden Tag stumpf und alleine von Zuhause aus arbeiten», sagt Bieri

Übrigens setzt sich der Name Seatti aus den Wörtern «Seat-Table-Internet» zusammen. Das seien die drei Kriterien für effizientes Arbeiten, so Bieri.

Hotels sind oft gut erreichbar

Bieri und Eppler starteten diesen Frühling - genau in der Zeit als Corona kam. Das brachte das Duo auf die Idee, mit Hotels zusammenzuarbeiten. «Die Zimmer stehen tagsüber leer, aber oft auch die Konferenzräume und die Arbeits-Spaces in den Hotels», sagt Bieri.

Viele der Hotels seien zudem an bester Lage und man erreiche sie rasch, wenn man irgendwo mit dem Zug ankommt oder ein paar Stunden Zeit hat.

25hours

Auch im 25hours an der Zürcher Langstrasse kann man sich über Seatti tagsüber zum Arbeiten einmieten. 

Quelle: ZVG

Inzwischen bietet Seatti rund 400 Workspaces in der DACH-Region an, viele davon sind Hotels, es gibt aber auch Arbeitsplätze in klassischen Coworking-Spaces. In der Schweiz steht das Startup noch am Anfang und verzeichnet erst rund zehn Hotels als Partner. Man wolle aber auch hierzulande rasch expandieren, sagt Bieri

Die Hotels können sich bei Seatti kostenlos registrieren, das Startup verlangt pro Buchung eine Kommission von 15 Prozent. In der Corona-Krise, in der zahlreiche Hotelzimmer leer stehen, kostet ein Tag zwischen 25 bis 50 Euro. Das sei wesentlich günstiger als eine Übernachtung, sagt Bieri.

Vielfältige Working Spaces in Hotels

Doch warum soll man in einem Hotel arbeiten anstatt zu übernachten? Hotels würden eine Vielfalt von Working Spaces anbieten, sagt Bieri. In den meisten Zimmern gibt es einen Schreibtisch, in vielen Hotels Konferenztische und dazu schnelles Internet. «Ein Hotelzimmer eignet sich etwa auch, um in Ruhe Calls zu machen», sagt Bieri. Oder um sich für ein Strategie-Meetings zu treffen. «Dazu gibt es auch Zusatzservices wie Yogastunden, Gym oder Kinderbetreuung».

Seatti plane eine Finanzierungsrunde, sagt Bieri. Diese wolle man im Dezember oder Januar durchführen. Dabei erhoffen sich die Gründer ein Kapital von rund 300'000 Euro. Zudem sind sie in einem Startup-Förderprogramm mit dabei. 

Experte bei Telearbeit

Corona habe auch geholfen. «Die wirtschaftliche Lage ist zwar nicht gut, aber die Leute können nicht ständig im Homeoffice sein und brauchen Abwechslung. Da kam unser Angebot genau richtig», sagt Bieri. Aber vor allem habe Corona auch dazu geführt, dass Telearbeit funktioniert und zahlreiche Unternehmen nun längerfristig darauf setzen.

Neben dem Angebot von Arbeitsräumen aller Art will sich das Startup künftig auch als Software-Anbieter für Remote Teams auf dem Markt etablieren: «Wir haben ein Tool entwickelt, bei dem man Teams, die von verschiedenen Locations aus arbeiten, besser verbinden und abstimmen kann», erklärt Bieri.