Wenn ein Chef sein Büro räumt und damit aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit fällt, heisst es meist lapidar «im gegenseitigen Einvernehmen getrennt». Oder aber «er verlässt das Unternehmen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen» – wie im Fall von Ex-Skyguide-CEO Alain Rossier. Er gehe bei der Stellensuche nach dem Motto «nume nöd gsprengt» vor, sagt er auf Anfrage. «Ich habe verschiedene Eisen im Feuer, lasse mir aber Zeit. Zudem möchte ich auch noch meine Management-Kenntnisse anreichern.»
Zeit lässt sich auch Horst Edenhofer, besser als «Monsieur Cartier» bekannt. Schwer vorstellbar, dass jemand in seine Fussstapfen treten kann. Er wurde mit dem Brand Cartier identifiziert wie keiner zuvor. «Da möchte ich nur an das alte Sprichwort erinnern, wonach niemand unersetzbar ist.» Zurzeit leiste er sich «den unwahrscheinlichen Luxus, einmal Zeit zu haben, über die ich frei verfügen kann». Sein künftiges Aktionsfeld umreisst er mit folgenden Hinweisen: «Es wird der Luxusgüterbereich sein. Ich werde mehr selber schalten und walten können und das Heft in die Hand nehmen.»
Spuren hinterlassen
Klare Vorstellungen hat auch Beat Sigg, CEO des Luxushotels Dolder in Zürich. Obwohl er jetzt eigentlich die Früchte seiner Arbeit ernten könnte, strebt er nach einer neuen Aufgabe. Er vergleicht seine jetzige Situation mit derjenigen beim Zürcher Hotel Widder, wo er zuvor gewirkt hatte. «Etwas auf- und ausbauen, Spuren hinterlassen und dann auf zu neuen Ufern», fasst er sein Lebensmotto zusammen. Er lässt keine Zweifel darüber aufkommen, dass er bereits mindestens einen neuen Pfeil im Köcher hat, der seinen skizzierten Vorstellungen entspricht. Urban Fäh, der das Bieler Unternehmen Biella managte, wählt den Weg in die totale Eigenständigkeit. «Ich bin so viel unterwegs, weil ich nach einem geeigneten Unternehmen Ausschau halte, das ich – im Zug eines Management Buyin – übernehmen möchte. Es mangelt nicht an Angeboten, aber ich habe mich noch für keines so richtig erwärmen können», verrät er. Aber eines sei sicher: Er wolle sein eigener Herr und Meister werden und nicht mehr fremdbestimmt sein.
Mit dieser Option liebäugelt auch Fritz Gantert, ehemaliger CEO von Schaffner, Spezialistin von Komponenten zur Sicherstellung der elektromagnetischen Verträglichkeit und von Stromqualität. Weit oben auf seiner Traktandenliste stehen derzeit zwar die Vorbereitungen auf den ersten Luzerner Marathon im Oktober dieses Jahres. Parallel dazu prüfe er «verschiedene Optionen». Seine VR-Mandate – etwa bei der Wandfluh- oder bei der Eichhof-Holding – pflegt er weiterhin. «Noch intensiver als zuvor», sagt er. Dabei räumt er ein, dass er früher manchmal etwas weniger Zeit für diese habe aufwenden können, als ihm lieb gewesen wäre. Aber wie für Fäh steht auch bei ihm die Schiene «Einkaufs-Lösung» in eine Firma im Vordergrund. «Bei meinem Umgang mit Familienunternehmen stelle ich immer wieder fest, wie spannend und vielseitig die damit verbundenen Aufgaben sind», sagt er.
Ähnliche Pläne wie Fäh und Gantert hat auch Tim Talaat, Ex- CEO von SR-Technics. Er wird allerdings als Erstes seine Italienisch-Kenntnisse vor Ort nachbessern, ein alter Wunsch von ihm, und dann jene Optionen prüfen, die ihm möglichst viel Selbstständigkeit bieten. Er habe derzeit die Qual der Wahl, versichert er.
Branchen-Stallgeruch beliebt
Andere haben ihre neue Aufgabe bereits gefunden. Zu ihnen gehört Anton von Weissenfluh, der bei Kambly letztes Jahr ausschied. Er ist jetzt CEO der Halba, der Schokoladenseite von Coop. «Meine Affinität hat sich nach meinem Abgang bei Kambly nicht geändert: Ich bleibe dem Geschäft mit dem Süssem treu», sagt er.
Ebenfalls bereits wieder in einem Unternehmen engagiert ist Hans-Peter Baumgartner, der erst 2004 als CEO zu Sunrise gestossen war und nach zwei Jahren das Feld wieder räumen musste. Als Mitglied des Verwaltungsrates der Esmertec, für sophistizierte Handy-Software bekannt, hat er einen Aktionsradius gewählt, der ihm vertraut ist.
Mit der Treue zum angestammten Metier hält es auch Hans Heinrich Brunner, der das Bundesamt für Gesundheit managte und letztes Jahr verliess. Er ist neu Chef der Notfallstation und Leiter der angegliederten Forschungsabteilung im Inselspital in Bern. Daneben lehrt er auch noch an der Universität Bern. «Ich bin glücklich in meinem neuen beruflichen Umfeld, und geniesse es, politisch und publizistisch unabhängig agieren zu können.»
Wichtiger als die Rückkehr in die vertraute Branche ist für stellenlose Chefs die rasche Rückkehr. Unternehmensberater Björn Johansson: «Mein Rat ist, nicht zu lange zuwarten. Das kann gefährlich werden, weil man dann dem Markt entschwindet.»