Das Steuerregister der Stadt Zürich beginnt mit der Serviertochter Marta Abächerli von der Zollstrasse 116 und endet auf Seite 1142 mit dem Bauzeichner Werner Zysset in der Albisstrasse. Beide hatten nur bescheidene Einkünfte zu versteuern. Die Serviertochter deklarierte 1400 und der Bauzeichner 3500 Franken. Vermögen mussten sie nicht anmelden.
So stand es im Register vom Steuerjahr 1931, dem dritten Jahr der Weltwirtschaftskrise. Arm und Reich befanden sich sehr nah beieinander – nicht räumlich, nicht zahlenmässig, aber alphabetisch. Die Abeggs folgten der Serviertochter Abächerli nur wenige Zeilen weiter, noch in der gleichen Registerspalte auf Seite 1. Hermine Abegg-Strehler am Seefeldquai ist mit 73 500 Franken steuerbarem Einkommen und immerhin mehr als einer Million Franken Vermögen verzeichnet; der Kaufmann Carl Julius Abegg-Haegler mit 154 900 Franken Einkünften und nahezu 3,4 Millionen steuerbarem Vermögen. Und Carl Abegg-Stockar, der damalige Patron des Abegg-Clans, gab per Selbstdeklaration 886 100 Franken steuerbares Einkommen und mehr als 18,4 Millionen Franken Vermögen an.
Der damals 71-jährige Seidenhändler Carl Abegg senior hatte Textilfabriken in Russland und Italien aufgebaut, wohnte in einer Villa an der Zollikerstrasse und war mit der Patrizierin Anna Henriette Stockar verheiratet. Abegg sass in den Verwaltungsräten der Schweizer Rück (heute Swiss Re), der Kreditanstalt (heute Credit Suisse) und der Zürich-Versicherung. Sohn Carl Julius, gerade 40 Jahre alt, führte die Geschäfte weiter.
Milliardenbesitz, Milliardenverlust. Das deklarierte Vermögen der Abeggs lässt dennoch kaum erahnen, wie reich die Familie wirklich war. Sie besass Milliarden – nach heutiger Kaufkraft gerechnet. Und sie verlor Milliarden, insbesondere durch die Russische Revolution nach der Enteignung ihrer Seidenspinnerei, der damals grössten Europas. Hätte es die BILANZ 1931 schon gegeben, wäre den Abeggs das grosse Porträt sicher gewesen, und die Chronisten hätten ihre Verluste im Osten wohl ebenso ungeschminkt berechnet wie das verbliebene Vermögen. Sie wären auf weit mehr Vermögenswerte gestossen, als die Familie dem Steuervogt deklarierte. Denn sie waren die reichsten Schweizer.
2011, im Jahr vier der jüngsten Weltwirtschaftskrise, bleibt der Öffentlichkeit das beim Steueramt deklarierte Vermögen der Superreichen weitgehend verborgen. Das Steuerregister der Stadt Zürich gibt es nur noch im Antiquariat, die Einkommens- und Vermögensdeklarationen sind nur per Einzelanfrage einsehbar, und dies auch nur bei jenen Steuerbürgern, die ihre Zahlen nicht gesperrt haben.
Die Abeggs tauchen in der Gold-BILANZ seit Jahren nicht mehr auf, das Erbe ist inzwischen über viele Familien verteilt. Das Phänomen ist geblieben: Die Superreichen müssen beim Steuerkommissär nur einen Teil ihres wirklichen Vermögens angeben. Doch der politische Druck wächst wieder. Wie damals in den Depressionsjahren der Weltwirtschaftskrise wollen die Säckelmeister die Geldelite stärker zur Kasse bitten. In den Kernländern Europas wie in den krisengeschüttelten Mittelmeerstaaten und auch in den USA rufen die Regierenden nach einer Reichensteuer. Und einige Politiker denken sogar über radikale Abgaben nach, die an die Zeit der Enteignungen erinnern. Doch anders als in den 1930er Jahren wird ihre Jagd nach den vollen Portemonnaies keine reiche Beute einbringen: Die Superreichen sind mobil, kosmopolitisch und in keinem Land vollständig greifbar. Sie sind übernationale Geschöpfe.
«Hunting the Rich» betitelte im September der britische «Economist» seinen Bericht über den neuen Lieblingssport der Fiskalpolitiker: «Die Hörner erschallten, und die Hunde schlagen an.» Die Finanzpolitiker haben die Jagd eröffnet, nachdem sie bei ihren Kontrollaufgaben über die Bankenindustrie versagt hatten. In Grossbritannien beschönigt die Tory-Regierung einen fünfzigprozentigen Spitzentarif für Einkünfte ab 150 000 Pfund als «temporäre» Aktion. Die Reichensteuer war schon von der Labour-Vorgängerregierung eingeführt worden.
Angriff an allen Fronten. In Italien und Frankreich sollen die Bestverdiener mit drei Prozent Aufschlag die Sparprogramme mitfinanzieren. Die neue Regierung von Mario Monti kündigte eine verschärfte Jagd auf Steuersünder an, sie denkt über neue Immobiliensteuern nach. Die Linke bedrängt Monti, die Reichen weiter zur Kasse zu bitten.
«Ich bin nicht der Präsident der Steuererhöhungen», deklamierte einst Nicolas Sarkozy, doch nun bringt die Staatsverschuldung auch ihn unter Druck. Und in Spanien wurde eine Immobiliensteuer für Steuerpflichtige ab 700 000 Euro Vermögen reaktiviert. Betroffen davon sind auch ausländische Ferienhauseigner mit ihren Spanien-Besitzungen.
Und selbstverständlich rufen auch die Deutschen nach einer Reichensteuer. Eine SPD-Politikerin fordert gar eine radikale Vermögensabgabe wie einst in Notstandszeiten. Und ohne Rücksichtnahme auf die grausamen Motive der Steuern gegen Kapitalflüchtlinge, die einst von der Reichssteuerverwaltung als Terrorinstrument gegen fluchtwillige Juden eingesetzt wurden, setzen die Deutschen unerschrocken ihre drastische Wegzugsbesteuerung gegen die eigene Geldelite ein. Sie soll bleiben – oder zahlen.
Die Schweiz ist nach einer aktuellen Studie des Beratungskonzerns Boston Consulting immer noch Hort von zwei Billionen Dollar grenzüberschreitend angelegtem Offshore-Vermögen. Auch sie kann sich der Debatte nicht verschliessen, obwohl sie keinerlei Verschuldungsproblem hat. Die Eidgenossenschaft kann ihre Staatsanleihen sogar zum Nulltarif zeichnen lassen. Dennoch fordern Sozialdemokraten, Grüne, Gewerkschafter und Evangelische Volkspartei mit einer Volksinitiative, Erbschaften ab zwei Millionen Franken mit 20 Prozent zu besteuern, und zwar – sollte die Initiative erfolgreich sein – rückwirkend auf den 1. Januar 2012. Lange Zeit blieb es seitdem ruhig, doch seit Wochen grassiert unter den Betroffenen Torschlusspanik. Innert kurzer Zeit sind bei den Zürcher Notariaten Tausende von Schenkungsverträgen eingetroffen, mit denen die Erblasser zur Umgehung der drohenden Erbschaftssteuer ihre Vermögen vorzeitig an die Nachkommen übertragen wollen. Die Notariate sind heillos überlastet, einige nehmen für das laufende Jahr überhaupt keine Eintragungen mehr vor.
Panik im Mittelstand. Die Steuerberater nehmen vor allem eine Massenpanik beim oberen Mittelstand wahr, nicht bei den Superreichen. Familien mit zwei Kindern, zwei Häusern, zwei Autos und zwei Millionen auf der Bank ängstigen sich. «Zur Stunde werden in unserem Büro wieder fünf Schenkungsverträge fixiert», sagt der Zürcher Steuerexperte Richard Wuermli von der grossen Kanzlei Tax Expert International. Berater schreiben die öffentlichen Urkunden bereits selber, um das Verfahren zu beschleunigen. Wegfall der Pauschalbesteuerung, Wiedereinführung der Erbschaftssteuer – das Klima wird auch für Wuermlis Kunden rauer. Etliche denken darüber nach, die Schweiz zu verlassen. Vor allem die jungen Mobilen sind bereit, sich schneller zu bewegen als ihre Elterngeneration, die sich noch patriotischer verhielt. Wohin? Es gibt sie immer noch, die Steueroasen. Zum Beispiel bietet das EU-Land Malta eine Pauschalsteuer ab 15 000 Euro. Die Domizilnehmer müssen dafür nur 90 Tage im Land anwesend sein, und sie können davon ausgehen, dass dies allenfalls nach maghrebinischen Standards kontrolliert wird. Zypern bleibt nach wie vor attraktiv, und so mancher Oligarch weiss, warum er in London gemeldet ist.
Und immer wieder heisst die Wunschdestination Österreich. In aller Stille pflegte das EU-Land im Windschatten der Diskussionen über das Schweizer Bankgeheimnis seine reichen Domizilnehmer. Doch auch dort verändert sich die Lage. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann will neu die Vermögen ab einer Million besteuern. Aus seiner Partei erschallt der Ruf nach einem Volksbegehren zur Einführung der Vermögenssteuer. Eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe mit der konservativen ÖVP soll auch über eine Steuer auf Erbschaften ab einer Million nachdenken. Der Promi-Steuerberater Karl Bruckner droht bereits mit der Kapitalflucht seiner Kunden. Ausgerechnet aus der konservativen Ecke verlangte darauf ein Landespolitiker eine Steuer auf den Wegzug, falls Reiche das Land verlassen wollen. Sie könnten dann doppelt getroffen werden, denn die Auflösung einer österreichischen Privatstiftung – dort das übliche Vehikel zur Vermögensverwaltung – ist nicht einfach.
«Syt Dir öpper, oder nähmet Dir Lohn?», der legendäre Spruch der 1980 verstorbenen Berner Patrizierin Madame de Meuron wird kaum mehr bemüht. «Abgeben statt weglegen» lautet die neue Devise der Reichen. In fast allen grossen Industrienationen meldeten sich Wohlhabende zu Wort. Nicht etwa mit Protesten gegen die Reichenbesteuerung, sondern mit dem Appell, die Reichen an der Reform der Staatsfinanzen zu beteiligen. So kann sich US-Präsident Obama auf den Milliardär Warren Buffett und die Gruppe Patriotic Millionaires berufen und Italiens Mario Monti auf den Ferrari-Präsidenten Luca di Montezemolo, der es richtig findet, die Reichen höher zu besteuern. Das klingt nach vorauseilendem Gehorsam, und es wird dankbar aufgenommen. Bei den Reichen anzuklopfen, um das Staatsdefizit zu stopfen, sei «nicht Klassenkampf», erklärte US-Präsident Barack Obama, «es ist Mathe».
Das riecht nach Vergeltung. Dabei ist die Sache bei vertiefter Analyse keineswegs nur schwarzweiss zu betrachten. Es stimmt schon: Wie einst die Abeggs werden auch heute die Superreichen nicht mit Spitzensteuersätzen traktiert. Jorge Lemann, mit acht bis neun Milliarden Franken Vermögen heute der reichste Zürcher, ist ein Weltenbürger. Wem gehören die privaten Steuerabgaben des Bierbrauers? Den Finanzämtern in Brasilien, wo er sein Vermögen gemacht hat? Oder am Ort seines Schweizer Domizils? Es bleibt Lemanns Steuergeheimnis, was und wie viel er von seinem gewaltigen Vermögenszuwachs in der letzten Dekade abgeben musste. Und wo gibt Ingvar Kamprad, der reichste wie wohl auch knausrigste Wahlschweizer, etwas von seinem geschätzten Vermögen jenseits der 35-Milliarden-Grenze ab, das er über ein verwirrendes Netzwerk aus Stiftungen und Offshore-Firmen strukturiert hat? Wir wissen es nicht genau, aber wir ahnen, dass die Besteuerung moderat erfolgt. Die Steuertarife der Schweiz sind auch für die Grossbarone des Geldadels erträglich, und die Einnahmen der Wohngemeinden lassen nicht auf einen brutalen Aderlass schliessen. Im Vergleich mit Resteuropa ist der Schweizer Spitzensteuersatz nicht nur niedrig, er beginnt auch erst bei einer revolutionär hohen Marke von rund 712 500 Franken Jahreseinkommen. Kein nennenswertes Land kann da noch mithalten (siehe Grafik unter 'Downloads').
Aber auch in anderen Industrieländern ist seit den 1970er Jahren die Steuerlast der Wohlhabenden gesunken, teilweise rapide. Der Super-Cycle machte die Reichen reicher, während die Mittelständler sich kaum verbesserten. Kurzum: Die Verhältnisse sind so, dass im Mittelstand eher Neid entsteht.
Lieber investieren als steuern. Die andere Seite: Rund um den Globus zahlen die am besten verdienenden zehn Prozent laut der OECD substanzielle Beiträge in die Staatskassen: 42 Prozent in Italien, 39 in Grossbritannien, 31 in Deutschland und 28 in Frankreich. Im Kanton Zürich berappten 2007 die rund 21 500 Steuerzahler in der Einkommensklasse ab 200 000 Franken ein Drittel der kantonalen Einkommenssteuer, und 22 700 Steuerpflichtige mit mehr als zwei Millionen deklariertem Hab und Gut bezahlten 80 Prozent der Vermögenssteuern.
Schlichte Mathematik zeigt, dass nicht einmal die totale Enteignung der Superreichen genügen würde, um die Staatsschulden der stark verschuldeten Länder diesseits und jenseits des Atlantiks hinreichend zu dezimieren. Das gelänge nur in der Schweiz: Mit 481 Milliarden Franken Vermögen könnten die 300 Reichsten nicht nur die Schulden von Bund und Kantonen in Höhe von gesamthaft rund 162 Milliarden Franken auf einen Schlag tilgen, sondern gleich noch sämtliche Jahresausgaben der Eidgenossenschaft von 185,7 Milliarden berappen und dann immer noch ein Polster anlegen. Aber was hülfe das Vermögen der 300 reichsten Deutschen bei einem Schuldenstand von fast zwei Billionen Euro oder – wenn man das umzurechnen wagt – 2467 Milliarden Franken?
Studien der Steuerökonomen zeigen, dass die Steuereinkünfte des Staates sogar leicht sinken, wenn die Spitzensteuern um ein Prozent erhöht werden. Der Grund: Die Superreichen sind mobil und flexibel. Milliardär Thomas Schmidheiny ruft zur Vernunft auf: «Anstatt mehr Steuern zu zahlen, sollen die Vermögenden in Unternehmen investieren. Dies hat einen wesentlich nachhaltigeren Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch auf die Verschuldungssituation.» Er zählt noch zu den sesshaften Patrioten.
Mobile Reiche. Die Folge der Debatte: Das Geld ist wieder in Bewegung. Es wird umgeschichtet, strukturiert und optimiert. Die Schweizer Banken erleben eine ironische Wende der Geschichte. Trotz anhaltenden Debatten um das Bankgeheimnis strömen wieder Milliarden an Neugeldern ins Land. Oft von traditionellen Weissgeldanlegern, die sich nun vor einem Kollaps des Eurosystems fürchten. «Die sehr Wohlhabenden suchen sich schon länger vorteilhafte Domizile», sagt Jörg Walker, die Steuerrechtskoryphäe beim Schweizer Beratungskonzern KPMG. Davon profitiert nach wie vor auch die Schweiz. Jährlich 40 bis 50 Kunden werden von Walkers Team beim Zügeln in die Schweiz beraten – trotz drohenden Erbschaftssteuern und erschwerter Pauschalbesteuerung. Die oberen Hundert haben ihre Verhältnisse längst feuerfest geregelt, auch für den Todesfall. Ihre Vermögen sind über Aktiengesellschaften und andere juristische Vehikel gebunden. Diese Personen sind räumlich oft kaum noch greifbar, weil sie ihr Leben mit zehn komfortablen Domizilen rund um den Globus geografisch diversifizieren können. Wenn neue Steuergesetze kommen, wird nachjustiert.
Steuerexperte Walker stellt fest: «Viele sind räumlich mit einer nationalen Optik kaum noch zu fixieren.» Mit dem kosmopolitischen Lebensstil kann die Logik der Steuervögte nicht mehr mithalten, zu sehr sind sie noch in den Denkmustern des unbeweglichen Bürgers verhaftet, dem sie in einem bestimmten Land einen steuerrechtlich massgeblichen «Lebensmittelpunkt» eindeutig zuordnen können.
Wo liegt der «tatsächliche Lebensmittelpunkt», der das Steuerdomizil eindeutig begründen soll, wenn ein Bürger zwischen Gstaad, Zürich, Los Angeles, Vancouver, Bali und einer Hochseeyacht pendelt, sich in all diesen Domizilen auf Hauspersonal und eine warme Stube verlassen kann, seine Arbeit am Handy verrichtet, seinem Vermögensverwalter die Direktiven aus einer Hotelsuite oder einer Flughafen-Lounge erteilt? Da klingt es schon archaisch, wenn das Bundesgericht das Steuerdomizil an jenem Ort begründet sieht, «wo sich die betreffende Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält bzw. wo sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet».
Natürlich haben auch Steuerkommissäre und Bundesrichter begriffen, dass allein das polizeiliche Domizil, an dem die Schriften hinterlegt sind, nicht massgeblich sein muss. «Der Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen», urteilte das Bundesgericht. Er ist dort, wo sich jemand «mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält». Das Gericht meint damit zum Beispiel den Ort, von dem aus die Person zur «täglichen Arbeit» geht oder fährt, oder jenen Ort, an den sie durch «familiäre und gesellschaftliche Beziehungen» gebunden ist. Aber was gilt, wenn die Ehefrau das Sonnendomizil in Cap d’Antibes bevorzugt, während der Mann rund um den Globus jettet, die Kinder in Oxford und Boston studieren und nur die Schwiegermutter es länger als vier Wochen an einem Ort aushält? Und wo sind die gesellschaftlichen Beziehungen zu orten, wenn der Betroffene gleichermassen in wohltätigen Stiftungen in den USA wie in der Schweiz engagiert ist und am liebsten das Partyleben in Rio de Janeiro geniesst?
Tiefe Einkommen bei hohen Vermögen. Die Praxis zeigt: Am Ende gilt das Domizil des Staates, der das beste Angebot macht. Mit der Schweizer Erbschaftssteuer-Initiative ist es daher so wie oft mit den Reichensteuer-Kampagnen in den Nachbarstaaten: Die Reichsten trifft es weniger, aber für den oberen Mittelstand oder die kleineren Reichen kann es hart werden. «Eine solche Steuer belastet eben kaum die Ultra-Vermögenden, die man politisch im Kopf hat», sagt KPMG-Berater Jörg Walker. Denn was viele nicht einsehen wollen: «Die grossen Vermögen nehmen primär nicht durch eine Erhöhung der Einkommen zu, sondern durch eine Neubewertung der Vermögen. Entsprechend werden sie durch eine erhöhte Einkommenssteuer nicht erfasst.»
Die Depots der Superreichen sind heute, anders als in den 1930er Jahren, wetterfester gestaltet. Die meisten sind auf eine Neuauflage des New Deal vorbereitet, auch auf den Fall grosser Währungsreformen. Selbst wenn es ihnen so ergeht wie einst der Abegg-Familie, die durch Enteignungen geschätzte 1,5 Milliarden Franken verlor, wird den Nachfahren grosser Reichtum erhalten bleiben. Etwas mehr – oder etwas weniger.