Aktienoptionen bergen hohes Frustpotenzial: Die Mitarbeiter müssen sie im Zuteilungsjahr als Einkommen versteuern, obwohl sie keine Garantie haben, ob sie die Papiere nach der vom Arbeitgeber definierten Sperrfrist überhaupt ausüben können. Sei dies, weil die Optionen bis dahin wertlos sind oder der Mitarbeiter das Ausübungsrecht verloren hat, da das Arbeitsverhältnis während einer gewissen Periode (Vesting Period) aufgelöst worden ist.
Über die zweite Kategorie, Optionen mit so genannten Vesting-Klauseln, hat die Eidgenössische Steuerverwaltung am 6. Mai ein neues Rundschreiben an die kantonalen Steuerämter verschickt. Sein Inhalt: Mitarbeiter sollen Optionen mit Vesting-Klauseln erst versteuern, wenn sie sie «unwiderruflich erworben» haben. In anderen Worten: Für die direkte Bundessteuer gilt fortan die Besteuerung bei Ausübung und nicht mehr wie bisher bei der Zuteilung.
«Das ist eine signifikante Praxisänderung», sagen Andreas Risi und Robert Kuipers, Partner des Geschäftsbereichs Steuer- und Rechtsberatung von PricewaterhouseCoopers. Diese führe zu noch nicht absehbaren neuen Möglichkeiten für die Steuerpflichtigen, deren Optionen gemäss der alten Praxis im Zeitpunkt der Zuteilung besteuert werden. Konkret: Die Steuerbehörden müssen sich auf unzählige Einsprachen und Rückforderungen in Millionenhöhe gefasst machen. Zumal gemäss Risi anzunehmen ist, dass die Kantone die Bundes-Regeln übernehmen werden. «Die Steuerkommissäre der Kantone machen auch die Einschätzungen für den Bund. Sie werden kaum zwei unterschiedliche Besteuerungsarten führen», begründet er.
*Klagen werden wenn nötig abgelehnt*
Die Eidgenössische Steuerverwaltung dementiert jedoch die Kehrtwende. «Das Rundschreiben präzisiert lediglich das Kreisschreiben Nummer 5 aus dem Jahr 1997», sagt Peter Stebler. Bereits dieses regle, dass Optionspläne, die wegen individueller Bestimmungen (wie einer Sperrfrist von über 10 Jahren) nicht bewertbar sind, erst bei Ausübung zu besteuern seien. Die Ausübungs-Besteuerung werde heute im Zuge der Börsenbaisse schon bei zwei Dritteln aller Pläne angewendet.
Rückforderungen oder Einsprachen sieht Stebler deshalb keine auf die Steuerbehörden zukommen. Dies auch weil Arbeitgeber und Steuerbehörden feste Vereinbarungen, so genannte Rulings, haben, die die Besteuerung der Optionspläne im Vorfeld regeln. «Sie sind nach wie vor rechtskräftig und entscheidend», so Stebler. Sieht ein Ruling die Zuteilungsbesteuerung vor, würde eine Einsprache von Betroffenen folglich abgelehnt. Denn das neue Rundschreiben, das keine zeitlichen Bestimmungen beinhaltet, gilt gemäss Stebler erst für neue Rulings.
Das ist gemäss Risi und Kuipers jedoch anders: Das Rundschreiben sei rechtlich eine Verwaltungsverordnung, sagen die beiden. «Aus dem Verwaltungsrecht und bisheriger Praxis der Rechtsprechung geht hervor, dass eine neue Praxis ab sofort für alle offenen Fälle gilt.»
Dies bedeutet, dass alle Steuerpflichtigen, die noch nicht definitiv veranlagt und nach der Zuteilungsmethode steuerbar sind, Einsprache machen können. In Frage komme vor allem das Steuerjahr 2002. Aber auch für 2001 gebe es teils Fälle, die noch nicht abgeschlossen seien. Und Mitarbeiter, die ihre Aktienoptionen bei der Zuteilung versteuern müssen, gebe es nach wie vor noch viele, halten die beiden PricewaterhouseCoopers-Experten fest.
Zudem ist offenbar nicht klar, ob die Mitarbeiter wirklich rechtlich an die Rulings gebunden sind. Denn die Vereinbarung besteht zwischen Steuerbehörden und Arbeitgeber.
*Fragezeichen auch bei AHV-Beiträgen*
Unklar ist auch die Umsetzung des Rundschreibens bezüglich Sozialversicherungsabgaben und wie die Arbeitgeber abzurechnen haben, erklärt Kuipers. «Das Problem dabei ist, wie Optionen mit bisheriger Zuteilungs-Besteuerung AHV-mässig behandelt werden sollen.» Laut dem Rundschreiben hat der Arbeitgeber bei Ausübung der Option die Differenz zwischen dem Ausübungspreis und dem Wert der abgegebenen Aktien auf dem Lohnausweis als Bruttolohnbestandteil aufzuführen und über die Sozialversicherungsbeiträge abzurechnen. Das würde bedeuten, dass Arbeitgeber und -nehmer die Möglichkeit hätten, die bei der Zuteilung entrichteten AHV-Beiträge zurückzufordern und erst bei einer allfälligen Ausübung der Optionen Beiträge zu entrichten.
Das Rundschreiben der eidgenössischen Steuerverwaltung wirft auch bei den kantonalen Steuerbehörden Fragezeichen auf. Der Kanton Zug vertritt die Ansicht der Eidgenössischen Verwaltung: «Die Rulings gelten nach wie vor, Einsprachen würden abgelehnt», sagt Philippe Moos von der Zuger Steuerverwaltung. Im Kanton Basel Stadt dagegen ist noch unklar, wie bei einer Einsprache reagiert würde. Und auch im Kanton Zürich ist man sich des Zeitpunkts, ab wann das Rundschreiben gilt, noch nicht im Klaren.
Hoffnung auf mehr Durchblick bei der Options-Besteueurung setzen Steuerberater wie Behörden auf das neue Bundesgesetz über die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen, das zurzeit in Vernehmlassung ist und im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Bis dahin könnte nur ein Bundesgerichtsentscheid Transparenz in den Besteuerungs-Dschungel bringen.
Ein Rundschreiben der Eidg. Steuerverwaltung über die Versteuerung von Optionen sorgt für Verwirrung. Den Behörden drohen hohe Rückforderungen. Diese wollen davon nichts wissen.
Von Benita Vogel
am 13.05.2003 - 20:41 Uhr
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