Die Firma Stöcklin gehört zu den wenigen Firmen, die in der Schweiz anspruchsvolle und komplexe Logistikanlagen planen und realisieren. Wie erfolgreich war das Unternehmen in den letzten Jahren?

Urs Grütter: Lassen Sie mich dies so formulieren. Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen und haben unter dem Strich kaum etwas verdient.

Aber rote Zahlen musste Stöcklin nicht schreiben?

Grütter: Dies eindeutig nicht, aber unser Ertrag ist angesichts der Risiken, welche wir speziell im Anlagengeschäft tragen müssen, eindeutig unbefriedigend. Dieser Trend prägt die gesamte Branche. Negativ wirkte sich auch die zum Teil deutlich rückläufige Nachfrage im für uns wichtigsten Markt Deutschland aus. Derzeit herrscht ein unbarmherziger Preiskampf um jeden Auftrag.

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Trotzdem aber konnte die Firma Stöcklin im Geschäftsjahr 2003 den Umsatz auf 130 Mio Fr. halten. Mit anderen Worten: Es gibt offenbar noch Kunden, die nicht ausschliesslich auf den Preis, sondern auch auf die damit verbundenen Leistungen schauen.

Grütter: Dies trifft zu. Einige Kunden verlangen wohl Mehrleistungen, sind aber auch bereit, dafür einen etwas angemesseneren Preis zu bezahlen. Wir unserseits liefern ihnen auch einen klaren Mehrwert. Dieser spezifische Mehrwert ist oft das entscheidende Argument bei der Auftragsvergabe.

Dazu kommt, dass das Angebot besonders im Anlagengeschäft bei der Firma Stöcklin aus einer Hand kommt, inklusive der Generalunternehmerleistungen.

Grütter: Unsere Leistungen umfassen die Beratung, die Konzeptplanung und Eigenproduktion von Förderanlagen für Paletten, Spezialgebinde und Sonderlasten. Dieses umfassende Angebot aus einer Hand ist bei etlichen Kunden oft ein wichtiges Argument.

Welche Erwartungen verbinden Sie mit dem Geschäftsjahr 2004?

Grütter: Wir dürfen feststellen, dass wir derzeit recht gut ausgelastet sind. Wir verfügen über einen Auftragsbestand, der uns einigermassen optimistisch in die Zukunft blicken lässt.

Wie verteilt sich der Umsatz auf das derzeitige Produkteprogramm der Stöcklin Logistik?

Grütter: Auf den Anlagenbau entfallen etwa 70% des Umsatzes, auf die Stapler etwas mehr als 15% und der Rest auf die Container.

Wie verteilen sich die Aufträge auf das In- und Ausland?

Grütter: Mehr als 80% des Umsatzes erzielen wir im Ausland.

Die Stöcklin-Gruppe verfügt derzeit über sieben Auslandsgesellschaften. Kommen in Zukunft noch weitere dazu, Stichwort EU-Ost-Erweiterung?

Grütter: Kurzfristig betrachtet bestehen keine weiteren Expansionspläne. Die Nichtmitgliedschaft der Schweiz in der EU ist allerdings für uns mit Nachteilen verbunden. Sollte sich diese Situation weiter negativ entwickeln, müssen wir uns natürlich entsprechende Reaktionen überlegen. Anderseits folgen wir auch oft unseren Kunden, und so ergeben sich weitere Auslandsaktivitäten.

Welche Bedeutung hat der boomende China-Markt für Stöcklin?

Grütter: China ist ohne Zweifel ein attraktiver Absatzmarkt für Logistikeinrichtungen. Aber beim Anlagenbau kommt es auf den richtigen Partner an. Wir verfolgen diese Entwicklung sehr aufmerksam, aber im Moment hat das Land nicht erste Priorität für uns. Neben China darf aber auch Indien als Zukunftsmarkt nicht ausser Acht gelassen werden.

Im Herbst vergangenen Jahres übernahm Stöcklin die Retis Software AG in Jona von der Kardex-Gruppe. Welche Ziele verfolgt man mit dieser Akquisition?

Grütter: Wir arbeiten schon seit vielen Jahren mit der Firma Retis zusammen und gehörten zu deren Hauptkunden. Da lag es nahe, die Chance der Übernahme dieses Unternehmens zu nutzen und unsere Software-Kapazitäten zu stärken.

Anfang der 90er Jahre lagen überdimensional grosse Hochregallager im Trend. Viele Firmen konzentrierten die Fertigung auf einen Standort, verbunden mit einem grossen Lager. In den vergangenen Jahren wurde der Trend zu mittelgrossen und oft auch dezentralen Lagern wieder stärker...

Grütter: Ganz grosse Lageranlagen werden in der Schweiz keine gebaut, im Ausland schon eher. Doch dies hängt einerseits von der Verkehrspolitik und den Verkehrsverhältnissen auf Strasse und Schiene ab. Anderseits wollen etliche Unternehmen vor allem KMU noch immer ihre Produktion in einem eigenen Lager konzentrieren. Doch es besteht auch eine Nachfrage nach grossen Anlagen...

... wie beispielsweise das Lager von Quinn Glass in England.

Grütter: Mit 286000 Palettenplätzen und 24 Bediengeräten dürfte dieses Lager derzeit das grösste Palettenlager der Welt sein. Hier kommt unser umfassendes Know-how im Bereich von Regalbediengeräten für hohe Leistungen ganz speziell zum Tragen.

Muss sich Stöcklin bei der Planung und Realisierung von Logistikanlagen auf einige Kernbranchen konzentrieren?

Grütter: Hardwaremässig betrachtet ist dieses breite Spektrum auch in Zukunft zu bewältigen. Etwas anders sieht es bei der Software aus, hier könnte sich in Zukunft eine bestimmte Fokussierung aufdrängen.

Logistikanlagen müssen heute rascher als früher veränderten Produktionszyklen angepasst werden. Was bedeutet das für die Planung solcher Anlagen?

Grütter: Heute ist es durchaus normal, dass Lageranlagen rund um die Uhr, während sechs oder sieben Tagen pro Woche, in Betrieb sind, während der Produktionsprozess oft nur ein- oder zweischichtig verläuft. Die Anforderungen punkto Zuverlässigkeit und Robustheit an diese Lager sind deutlich gestiegen. Diesem Umstand tragen wir bereits in der Konstruktion Rechnung und ergänzen unsere Leistungen mit einem Rund-um-die-Uhr-365 Tage-24 Stunden-Hotline-Dienst.

Stöcklin ist der einzige Hersteller in der Schweiz, der Stapler produziert. Dabei muss man sich mit Giganten messen, die das Hundertfache an Staplern fertigen. Entstehen auch in Zukunft Stapler «Made in Dornach»?

Grütter: Absolut, es kann ja wohl nicht die Lösung sein, dass sämtliche Fertigungen ins Ausland verlagert werden. Unserer Meinung nach müssen wir uns doch auch in Zukunft noch diejenigen Erzeugnisse, die in der Schweiz gefertigt werden, leisten können. Anderseits wird in den derzeitigen so genannten Niedriglohnländern das Lohnniveau ebenfalls sukzessive ansteigen, sodass sich diese Differenz nivelliert. Dank unserer modularen Bauweise, also der Verwendung möglichst vieler Gleichteile, ist es uns möglich, auch am Standort Schweiz konkurrenzfähig Stapler zu produzieren. Auch die Nähe zum Kunden und unsere Flexibilität bezüglich spezieller Kundenwünsche sind Merkmale unserer Aktivitäten.

Bestehen Überlegungen, das derzeitige Produktprogramm zu erweitern?

Grütter: Im Moment bestehen keine derartigen Pläne, wir sind genügend diversifiziert und sehen auch in allen drei Geschäftsbereichen noch Entwicklungsmöglichkeiten. Doch die Lager- und Fördertechnik ist einem steten Wandel ausgesetzt, sodass auch wir uns dieser Entwicklung anpassen müssen.



Profil: Steckbrief

Name: Urs Grütter

Jahrgang: 1956

Zivilstand: Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung: Kaufmann

Funktion: VR-Präsident und CEO der Stöcklin Logistik AG, Dornach



Stöcklin-Gruppe: Weltweite Logistik-Kompetenz

Die Stöcklin Logistik AG mit Sitz in Dornach ist ein weltweit tätiges Unternehmen in der Förder- und Lagertechnik und erzielte im Geschäftsjahr 2003 mit 566 Beschäftigten einen konsolidierten Umsatz von 130 Mio Fr. Die Produktepalette umfasst Förder- und Lagersysteme für unterschiedlichste Branchen wie Kosmetik, Lebensmittel, Chemie/Pharma, Banken, Bibliotheken, Spitäler, Textilindustrie und Fahrzeugbau. Ferner Flurfördermittel (Gabelstapler) und Edelstahlcontainer in verschiedensten Ausführungen. Derzeit gehören acht Tochtergesellschaften in sieben Ländern zur Firmengruppe. Zu den aktuellen Aufträgen im Anlagenbau zählen u.a. ein Hochregallager für Quinn Glass in Grossbritannien mit insgesamt 286000 Palettenplätzen, ein Logistikzentrum der Firma Otto Bock mit einem Hochregallager mit 6500 Paletten und einem Kleinteilelager mit 80000 Behälterplätzen, ein Hochregallager für die Firma Firmenich in Brasilien, automatische Hochregallager für die Sika AG und die Schweizer Rheinsalinen sowie ein automatisches Kleinteilelager für den französischen Buchverteiler Interforum France.