Mitte März hat der Schweizer Kryptomillionär Dadvan Yousuf in Zürich eine Strafanzeige wegen Ehrverletzung eingereicht. Dies bestätigt sein Anwalt, der namentlich nicht genannt werden will. Betroffen sind zwei Autorinnen von SRF Investigativ. Es geht um einen Beitrag des Schweizer Fernsehens im Februar; er trug den Titel «Der Krypto-Milliardär und seine fragwürdigen Transaktionen».
Das SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) bestätigt den Eingang der Strafanzeige. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Eine seitens der Staatsanwaltschaft auf Ende Mai angesetzte Einvernahme der SRF-Mitarbeiterinnen wurde gestern Mittwoch kurzfristig verschoben. Nach erfolgter Einvernahme wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie die Untersuchungen aufnimmt – oder einstellt.
Im Artikel wurde über mehrere Kryptotranskationen Yousufs berichtet. Die Rede ist von Kryptoadressen, die auf schwarzen Listen stünden und vor denen auf Kryptoplattformen gewarnt werde. In diesen Warnungen werde von «Betrügern, Terrorfinanzierung und Verbindungen etwa nach Russland und in die Ukraine» gesprochen. Solche Transaktionen seien verdächtig, schreibt das Schweizer Staatsfernsehen und stützt sich dabei auf eine «zuverlässige Quelle».
Yousuf weist diesen Vorwurf zurück. Sein Anwalt sagt: «Diese Vorwürfe sind geeignet, die Ehre Dadvan Yousufs schwerwiegend zu verletzen.»
Er habe die Journalistinnen aufgefordert, ihre Behauptungen zu belegen. Die SRF-Mitarbeiterinnen haben dies laut Anwalt abgelehnt.
Die Berichterstattung habe Yousuf wirtschaftlich stark geschadet. «Mehrere Deals sind deswegen geplatzt», behauptet Yousuf auf Anfrage. Es wird scharf geschossen: Er veranschlagt den bislang entstandenen Schaden auf 10 Millionen Franken und schliesst nicht aus, dass er diesbezüglich gegen die angezeigten Journalistinnen vorgehen werde.
Geldwäscherei-Fall: Ein Vorverfahren
Damit nicht genug: Eine der beiden SRF-Journalistinnen hat vor sechs Tagen einen zweiten Artikel publiziert, der über Yousuf berichtet. Er trug den Titel «Unter Geldwäscherei-Verdacht: Staatsanwaltschaft eröffnet Verfahren gegen Krypto-King Yousuf». Auch dieser zweite SRF-Bericht habe Yousuf geschadet, sagt sein Anwalt. Dieser Artikel und die darauf basierende Berichterstattung anderer Medienunternehmen hätten eine vorverurteilende Wirkung gehabt.
Der Bericht habe insinuiert, dass die Staatsanwaltschaft ein ordentliches Untersuchungsverfahren gegen Yousuf eröffnet habe wegen eines konkreten Verdachts auf Geldwäscherei. Doch das sei falsch.
Ein Sprecher der Berner Staatsanwaltschaft bestätigt gegenüber der «Handelszeitung», dass sich die Prozedur im Stadium des Vorverfahrens befinde. Konkret: «Ein polizeiliches Ermittlungsverfahren und keine Untersuchung im Sinne von Artikel 309 der Strafprozessordnung.» Dieses endet entweder mit dem Einleiten eines Untersuchungsverfahrens oder mit einer Einstellung. Die Staatsanwaltschaft hat also bis dato keine eigentliche Untersuchung eröffnet.
Jährlich werden Tausende Meldungen abgesetzt. Davon führt nur ein kleiner Teil zur konkreten Untersuchung. Letztes Jahr trafen 5964 Verdachtsmeldungen ein. So steht es im Jahresbericht der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). 1351 Meldungen führten zu Anzeigen bei einer kantonalen Staatsanwaltschaft – der Fall von Yousuf gehört dazu. Weitere 205 Meldungen führten zu Strafbefehlen, 182 wurden als Anzeigen abgelehnt und 271 von den Staatsanwaltschaften im Vorfahren eingestellt. Anders gesagt: Yousufs MROS-Fall könnte ebenfalls eingestellt werden, sollte sich der Verdacht nicht erhärten.
Eine alte Meldung?
Den Anlass dazu bot eine entsprechende Meldung der MROS. Yousuf sagt, er sei von der Polizei weder kontaktiert noch dazu befragt worden. Er vermutet, dass die Meldung von Ende 2020 datiere und von einer seiner früheren Hausbanken stamme. Dort sei eines seiner Konten damals blockiert worden, weil er erstmals Kryptowährungen in Franken umgetauscht habe. Dies habe er bereits in Interviews, auch in der «Handelszeitung», letzten Sommer öffentlich gemacht. Er meint: «Ich habe nichts zu verstecken.»
Es seien sechs Schweizer Publikationen am Mittwoch abgemahnt worden, ihre Artikel über den Verfahrensstand zu korrigieren, sagt Yousufs Anwalt, darunter ein Bericht von «Inside Paradeplatz» und von der «Handelszeitung», die den SRF-Bericht zitierten.
Druck auf «Inside Paradeplatz»
Yousufs Anwalt kann erste Resultate seiner medialen Gegenstrategie vorweisen. Mit einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung erwirkte er, dass der Autor Lukas Hässig auf der Website von «Inside Paradeplatz» drei Artikel löschte, die zulasten Yousufs publiziert waren. Darauf hat Yousuf die Anzeige zurückgezogen.
Wirklich heiss könnte es werden, wenn es zwischen Yousuf und den SRF-Autorinnen tatsächlich zu einer Verhandlung vor dem Strafgericht käme. Denn dann müssen die Autorinnen vor dem Richter den Vorwurf fragwürdiger Transaktionen belegen. Gelingt ihnen dies nicht, riskieren sie eine Klage mit Schadenersatzforderungen.
Keine weiteren Details von SRF
Das Schweizer Fernsehen lehnt auf Anfrage ab, die Vorhaltungen der SRF-Berichte bezüglich Yousuf zu präzisieren: Weder will es darlegen, wer vor welchen Kryptoadressen gewarnt hat, noch wer die schwarzen Listen herausgegeben hat, die vor dubiosen Kryptoadressen warnen. Im SRF-Bericht stand weder, wer vor Krypto-Adressen gewarnt hat, die von Yousuf verwendet wurden, noch ein Wort dazu, welche Instanz oder Behörde diese schwarzen Listen erstellt hat. Auch wurde nur eine Quelle zitiert, obwohl üblicherweise zwei Quellen nötig sind, wenn es um schwere Vorwürfe geht. «Die zuverlässige Quelle ist der Redaktion bekannt und die Informationen konnten verifiziert werden, indem ein- und ausgehende Transaktionen analysiert wurden», sagt SRF-Sprecher Andrea Di Meo.
Auch findet SRF nicht, dass Yousuf mit dem zweiten Bericht vorverurteilt wurde: «Sämtliche journalistischen Sorgfaltspflichten werden eingehalten. Es wird klar gesagt, dass es sich um einen Verdacht der Ermittlungsbehörden handelt.»
Betreffend Schulabschluss Unwahrheit gesagt
Von Yousuf bestritten werden auch Passagen im SRF-Artikel, die Zweifel an seiner beruflichen Redlichkeit wecken. So hatte Yousuf in einem Paid-Video auf einer Kryptoplattform gesagt, der Finanzmarktaufsicht in der Schweiz unterstellt zu sein. Dies sei tatsächlich der Fall gewesen, sagt Yousuf gegenüber der «Handelszeitung». Denn deshalb laufe seit Mai 2021 ein Antrag zum Anschluss an eine Kontrollorganisation für Geldwäscherei (eine sogenannte SRO).
Anders beim Lehrabschluss. Letzten Sommer sagte Yousuf im Interview mit der «Handelszeitung», er habe einen Lehrabschluss in der Tasche. Dies war jedoch nicht der Fall, wie SRF im gleichen Bericht Mitte Februar ausführte.
Im April dann hat die Finma ein sogenanntes Enforcement-Verfahren über Yousufs Dohrnii-Stiftung verhängt und eine Untersuchungsbeauftragte eingesetzt. Sie ist bei der Stiftung die bestimmende Instanz. Und sie klärt im Auftrag der Finma ab, ob die Stiftung eine unerlaubte Tätigkeit gemäss Finanzmarktgesetz ausgeübt hat oder nicht.
Der Finma lägen Hinweise vor, dass die Stiftung und die involvierten Personen «ohne die erforderliche finanzmarktrechtliche Bewilligung Effekten angeboten, Zahlungsmittel ausgegeben und Publikumseinlagen entgegengenommen haben könnte». Damit gemeint sind die Dohrnii-Krypto-Token und im Zentrum steht ihr Gründer Dadvan Yousuf.
Die Token hat die Stiftung letztes Jahr ausgegeben. Sie waren gestern Mittwoch an der Kryptobörse Pancakeswap rund 40 US-Dollar-Cents (0,4 US-Dollar) wert, mit einer Marktkapitalisierung von 140 Millionen Dollar. Marktkapitalisierung heisst: die Summe aller Dohrnii-Token, die derzeit gehandelt werden. Das ist fast dreimal mehr als zum Zeitpunkt im letzten Herbst, als der Ausgabepreis 0,15 Dollar betrug. Die Finma kann vorerst nicht verhindern, dass diese Dohrnii-Token auf dezentralisierten Kryptobörsen im Ausland gehandelt werden.
2 Kommentare
Ihr Beitrag ist nicht ganz fehlerfrei!
Ein Staatsfernsehen würde vom Staat kontrolliert werden. Das würde bedeuten SRF wäre mit dem Staat unter einer Decke - zum Glück ist das nicht so! Das Schweizer Fernsehen bleibt ein öffentlich-rechtliches Fernsehen und ist frei.
Ihr kommentar ist ebenfalls nicht ganz fehlerfrei! Das Schweizer Fernsehen ist zwar frei, ist und war aber nie öffentlich-rechtlich, sondern privatrechtlich.