Bald geht wieder ein mittelmässiges Aktienjahr zu Ende. Viele Pensionskassen haben erneut vergebens gehofft, dass Börsengewinne die Unterdeckung beheben würden.

Jürg Roth: Mittelfristig wird es an den Börsen keine Erholung geben wie 2003. Für eine Pensionskasse mit durchschnittlicher Asset Allocation erwarten wir höchstens eine Rendite von 4%. Unter Einbezug der Kosten ist die Hoffnung vermessen, die Kasse über eine Markterholung zu sanieren. Kassen mit Unterdeckung müssen deshalb baldmöglichst Sanierungsmassnahmen ins Auge fassen.

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Das heisst, um Beitragserhöhungen werden die Versicherten nicht herumkommen.

Roth: Es bleibt nichts anderes übrig, als die Einnahmen zu erhöhen oder die Ausgaben zu kürzen. Dieser Tatsache muss man ins Auge schauen. Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen sind die einzigen nachhaltigen Sanierungsmassnahmen.

Das tönt für viele Versicherte dramatisch: Wie schlecht ist der Zustand der Schweizer Pensionskassen?

Roth: Wir jammern viel in der Schweiz, aber auf hohem Niveau. Anfang 2003 waren die Unterdeckungen noch viel dramatischer. Viele Kassen haben sich in den letzten 18 Monaten gut erholt, wie diverse Umfragen zeigen. Bei einem Grossteil der Kassen mit Unterdeckung beträgt diese zwischen 1 und 4%. Die Schwankungsreserven sind etwas knapp, vor allem wenn Kassen eine hohe Aktienquote wählen möchten. Doch grundsätzlich haben wir in der Schweiz ein gut abgestütztes System. Und für Kassen mit Problemen gilt: Wenn jetzt die Möglichkeit besteht, eine Sanierung durchzuführen, sollte man nicht zögern.

Trotzdem hoffen viele Pensionskassen mit Problemen auf Anlagen mit hoher Rendite. Sie fassen Hedge-Fonds ins Auge.

Roth: Hedge-Fonds sind kein Instrument, um die Rendite in die Höhe zu stemmen. Sie dienen der Diversifikation. Ohnehin kann man aber sagen, dass die meisten Pensionskassen keine überzogenen Erwartungen haben. Sie rechnen mit einer Rendite bei Hedge-Fonds von 6 bis 8%. Das entspricht etwa den langfristigen Prognosen für Aktien. Um aber von Hedge-Fonds zu profitieren, müssen Pensionskassen auch in ihr Fachwissen investieren. Zudem ist es unerlässlich zu diversifizieren, sei es über verschiedene Anlagestile oder verschiedene Verwalter.

Gleichwohl ist auch eine Rendite von 6 bis 8% kein Pappenstiel. In diesem Jahr sind Hedge-Fonds von dieser Schwelle jedenfalls weit entfernt. Möglicherweise werden die Renditen von Hedge-Fonds ebenfalls überschätzt, wie man früher den Ertrag von Aktien falsch eingeschätzt hat.

Roth: Eine Rendite von 6 bis 8% scheint mir über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren realistisch. Pensionskassen haben einen grossen Vorteil: Sie können langfristig investieren, obwohl sie jährlich rapportieren müssen. Zudem kann für die Kassen eine gewisse Trägheit im Investitionsverhalten durchaus vorteilhaft sein. Das zeigen die letzten eineinhalb Jahre. Ende 2002 verfügten die Kassen in der Regel über die ersten Zahlen zum Anlagejahr. Anfangs 2003 hatten die Stiftungsräte ihre Sitzungen, um über die Anlagen zu diskutieren. Im März 2003 setzte der Aufschwung an den Börsen ein und davon haben die Pensionskassen dann voll profitiert, weil sie vorher gar keine Zeit hatten, die Aktienquote panikartig zu reduzieren. Anders sieht es bei den Versicherungen aus. Da sie stets ihre Solvabilität sicherstellen müssen, waren sie gezwungen, die Aktienquote im unglücklichsten Moment zu reduzieren. Sie haben daher weniger vom Aufschwung profitiert.

Wie gross ist die Nachfrage nach Hedge-Fonds?

Roth: Man muss unterscheiden zwischen Interesse und dem tatsächlichen Kauf. Das Interesse ist sehr gross. Alle Veranstaltungen zum Thema sind gut besucht. Seit 2003 hat sich die Quote der Hedge-Fonds-Anlagen in den Kassenportefeuilles um 50% erhöht. Allerdings von einem sehr niedrigen Ausgangswert: Die Quote stieg von 1,2% auf 1,8%. In den USA sind Hedge-Fonds immer noch viel stärker verbreitet.

Akzeptieren die Pensionskassen die hohen Kosten?

Roth: Die Kosten sind ein Thema. Doch auch bei Hedge-Fonds spielt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. In den letzten Jahren sind unzählige Hedge-Fonds lanciert worden. Mit dem höheren Angebot steigt aber auch der Preisdruck. Auf der anderen Seite sind die Pensionskassen preisbewusster geworden, auch weil die Renditen zuletzt nicht so hoch waren wie erhofft. Zudem entstehen die hohen Kosten vor allem auch durch die performance-abhängige Gebühr. Bei schlechter Leistung sinken somit die Gebühren.

Gibt es auch bei den fixen Gebühren einen Trend zu tieferen Kosten?

Roth: Die Pensionskassen wählen Anbieter, bei denen das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Pensionskassen haben einen langen Anlagehorizont. Deshalb haben sie auch in Jungunternehmen und in Private Equity investiert. Damit sind viele Kassen aber auf die Nase gefallen. Gilt der Grundsatz noch, dass Pensionskassen in Private Equity investieren sollen?

Roth: Eine Volkswirtschaft ist auf Risikokapital für junge Firmen angewiesen. Doch es gilt dasselbe wie bei Hedge-Fonds: Die Anlagen müssen professionell angegangen werden und Diversifikation ist das oberste Gebot. Pensionskassenverwalter dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie Unternehmer seien. In den USA sitzen Branchenprofis in den Verwaltungsräten von Venture-Unternehmen und nicht Kassenvertreter.

Hierzulande ist auch noch anderes schief gelaufen: So war das Timing schlecht, denn Private Equity kann sich vom Wirtschaftsgeschehen nicht abkoppeln. Zudem waren nicht alle Vehikel nach professionellen Kriterien zusammengestellt worden. Grundsätzlich ist Private Equity eine sinnvolle Anlage. Die Stiftungsräte müssen jedoch geschult sein.

Mehr Fachwissen täte den Pensionskassen gut?

Roth: Ich erwarte eine Professionalisierung des Milizsystems. Es wird eine Entwicklung geben hin zu professionelleren Kassen mit besserer Organisation und mehr Ausbildung. Zudem werden sich immer mehr Pensionskassen Sammeleinrichtungen anschliessen, um Know-how einzukaufen. Denn die Anforderungen an die Stiftungsräte steigen. Deshalb wird es immer wichtiger, in die Ausbildung und Organisation zu investieren und nicht nur in die Selektion der Vermögensverwalter.

Die Wirtschaft in Europa wächst wegen des steigenden Durchschnittsalters nur noch wenig. Liegen Chancen in den Schwellenländern?

Roth: Diese Variante empfehlen wir schon seit langem. Aber auch hier gilt der Grundsatz der Diversifikation. Zudem sollten Pensionskassen nicht nur im Fernen Osten investieren. Zu den Schwellenländern gehören auch Mittel- und Südamerika sowie Osteuropa. Der Einbezug von Profis ist aber unerlässlich, denn die Transaktionskosten sind um einiges höher als in Europa: So sind zum Beispiel die Settlement-Kosten bis zu zehnmal höher als in der Schweiz.

Schwellenländeranlagen unterliegen grossen Kursschwankungen. Sind Sie deshalb nur für solide Kassen geeignet?

Roth: Gut diversifizierte Kollektivanlagen sind nicht riskanter als Investitionen in Schweizer Aktien.

Indonesien, Brasilien und China sind Schwellenländer. Daneben gibt es noch weitere Anlagen in wenig entwickelten Ländern, etwa Mikrokredit-Banken. Sollen Pensionskassen auch solche Anlagen wagen? Oder sind das mehr soziale Engagements?

Roth: Es gibt eine gewisse Nachfrage nach Mikrokreditanlagen. Aus heutiger Sicht ist aber schwierig zu beurteilen, ob sich Investitionen lohnen werden. Für ein endgültiges Urteil ist es zu früh, da wir noch zu wenig Erfahrungen haben.

Vernachlässigen die Pensionskassen die Schwellenländer noch?

Roth: Das Thema gewinnt an Gewicht. Solche Investitionen gehören eigentlich in jedes Portefeuille. Die richtige Höhe des Exposures in diesen Märkten ist genauso wie etwa die Höhe der Aktienquote von der Risikofähigkeit der Pensionskasse abhängig.

Neben Schwellenländern sind auch Rohstoffanlagen zu einer beliebten Anlage geworden. Eignen sie sich für Pensionskassen?

Roth: Rohstoffe sind tatsächlich in Mode gekommen. Allerdings müssen sich die Kassen vor Augen halten: Rohstoffe an sich bringen keine Rendite. Es steigen die Preise, wenn die Nachfrage hoch ist. Rohstoffe kommen deshalb als Inflationsschutz in Frage. Eine Alternative sind Aktien von Rohstofffirmen. Bei ihnen findet eine Wertschöpfung statt.

Doch Anleger klagen, dass es zu wenig Instrumente gebe, um in Rohstoffe zu investieren.

Roth: Es gibt Zertifikate auf die gängigen Rohstoffindizes. Allerdings ist zum Beispiel der Commodity-Index von Goldman Sachs sehr energielastig. Zudem kann es bei Finanzinstrumenten wie Futures Preisverzerrungen geben, die nichts mit dem Rohstoff zu tun haben, sondern mit dem Anlageinstrument.

Also eine sehr anspruchsvolle Anlageklasse auch für Pensionskassen.

Roth: Ja, umso mehr, als noch der Währungseffekt hinzukommt. Rohstoffanlagen sind dollarlastig.

Wäre es wünschenswert, dass die Pensionskassen mehr in Rohstoffe investieren würden?

Roth: Die Nachfrage ist, wiederum aus der Perspektive der Diversifikation, berechtigterweise da. Die Gewichtung von Rohstoffen muss aber im richtigen Masse erfolgen, denn die zyklischen Preisschwankungen können enorm sein.

Pensionskassen laufen Gefahr, wie bei Private Equity im dümmsten Moment zu investieren?

Roth: Genau.

Die Pensionskassen müssen auf die Kosten schauen. Das hilft, die Zielrendite zu erreichen. Hat die Nachfrage nach kostengünstigen Indexanlagen zugenommen?

Roth: Die Kassen achten auf die Kosten. Die Nachfrage nach Indexprodukten ist eindeutig gestiegen. Bei 50% der neuen Gelder stellen wir Offerten für Indexanlagen. Dabei gibt es einen Trend zu Core-Satellite-Strategien. Das heisst, dass die Kassen in effiziente Märkte wie Europa und die USA über Indexanlagen investieren; dagegen versucht man beispielsweise bei Small und Mid Caps sowie Schwellenländern mit einer aktiven Strategie eine Mehrrendite herauszuholen.

Und welcher Trend kommt nach den Hedge-Fonds und der Core-Satellite-Strategie?

Roth: Ein Thema sind Inflation-Linked-Bonds, weil sich viele Kassen gegen einen überraschenden Anstieg der Inflation absichern wollen. Und im letzten Jahr strömte auch viel Geld in Immobilienanlagen.

In ausländische oder schweizerische?

Roth: Zuerst war die Nachfrage nach schweizerischen Immobilien sehr hoch. Jetzt schauen sich aber immer mehr Kassen auch ausländische Immobilien an, um global zu diversifizieren.

Welche Spezialitäten will Credit Suisse Asset Management pflegen, um sich von der Konkurrenz abzuheben?

Roth: Wir wollen uns nicht als reiner Produktelieferant profilieren. Unsere Stärke sollen Gesamtlösungen sein. Zum Beispiel ist die Altersstruktur der Versicherten ein wesentlicher Faktor bei der Bestimmung der Asset Allocation. Wir legen entsprechend grossen Wert auf die konzeptionelle und strategische Beratung von Pensionskassen. Ferner bieten wir auch Ausbildungskurse an.



Profil

Name: Jürg Roth

Alter: 37

Ausbildung: Ökonom Universität St. Gallen

Funktion: Managing Director Credit Suisse Asset Management Schweiz und Head of the Institutionel Clients Departement Schweiz