Mit dem Abtauchen der Konjunktur sind zeitgleich die Anforderungen an das Marketing überproportional gestiegen. Als Folge werden Marketingstrategien zuhauf überprüft, angepasst, verworfen. Was ist zu tun? Welche Strategien versprechen den grössten Erfolg?

Mit seinen vier klassischen Markt- und Produktstrategien hat der Amerikaner Igor W. Ansoff Ansätze aufgezeigt und damit im Marketing zweifellos einen Meilenstein gesetzt. Doch was taugen die klassischen Ansätze in der Praxis?

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An einer Veranstaltung des Zürcher Marketing Forums (ZMF) sind die vier Ansoff'schen Grundmodelle unter die Lupe genommen worden. Und zwar an den Beispielen Emmi (Marktdurchdringung), Komax (Produktentwicklung), Raiffeisenbanken (Marktentwicklung) und Conzzeta (Diversifikation).

Selbstverständlich lassen sich Herausforderungen auch im Marketing nicht in Modelle und Theorien pressen, um gesetzte Ziele zu erreichen. Und doch: Modelle und Theorien haben ihre Berechtigung, ohne sie wäre alles noch schwieriger die viel beschworene Intuition reicht allein kaum zum nachhaltigen Erfolg.

Und selbstverständlich kommt in der Praxis die reine Umsetzung einer klassischen Strategie kaum vor. Wer etwa den Markt entwickelt, muss deswegen nicht weniger innovativ sein als dasjenige Unternehmen, das den Schwerpunkt eher bei der Produktentwicklung setzt.

Emmi Verdrängung und Penetration

Die Strategie beispielsweise der Emmi-Gruppe basiert auf den fünf strategischen Erfolgspositionen Innovationen, Kunden, der Marke Emmi, Internationalität und Finanzstärke. «Wir sind Anbieter eines Gesamtsortiments mit den dazugehörenden Dienstleistungen und Partner für Molkereiprodukte für Detailhandel-, Industrie- und Gastronomiekunden und stellen innovative Produkte für jeden Geschmack her», bringt Emmi-Verwaltungsratspräsident Fritz Wyss die Unternehmensgrundlage auf den Punkt.

Mit Produkten wie Aloe Vera, Aktifit, Energy Milk, Winzer Käse, Luzerner Rahmkäse, Höhlengereifter Käse sowie Übernahmen und Kooperationen hat die Gruppe den Markt immer stärker besetzt. Verdrängung und Penetration kennzeichnen die Strategie der Marktdurchdringung von Emmi in diesem wettbewerbsintensiven Markt, der mit der zunehmenden Marktöffnung künftig noch härter werden wird.

Die Zeiten regulierter Rahmenbedingungen gehören jedenfalls bald der Vergangenheit an, was das Leben aus Marketingsicht auch für den mit gegen 2500 Beschäftigten führenden Lebensmittelkonzern in der Schweizer Milchwirtschaft nicht einfacher macht.

Komax: Technologieführerschaft

Ausser es gelingt, durch eine erklärte Innovationsstrategie den Vorsprung zu halten. Keine einfache Sache, aber es ist machbar, wie das Beispiel der Luzerner Komax-Gruppe zeigt, eines weltweit führenden Anbieters von Kabelverarbeitungssystemen und Montageautomaten. 25% der weltweit 690 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet konstant an der Entwicklung neuer Produkte; rund 9% des Umsatzes werden in Entwicklung und Engineering investiert (siehe «HandelsZeitung» Nr. 6 vom 4.2.2004).

Der Aufwand lohnt sich, denn «um die Technologieführerschaft zu halten», so Leo Steiner, VR-Delegierter und CEO der Komax, «müssen wir konstant neuste und modernste Technologien einsetzen und nutzen».

Raiffeisen: Stallgeruch ist wichtig

Einen anderen Weg hat Steiners Kollege Pierin Vincenz, der Geschäftsleitungs-Vorsitzende der Raiffeisen-Gruppe, eingeschlagen. Vincenz fährt mit Raiffeisen eine klassische Marktentwicklungsstrategie.

Raiffeisen setzt auf persönliche Nähe, «faire» Produkte, kompetente Beratung und auf ein dichtes Bankennetz an noch 1300 Orten. Dies sind die wichtigsten Punkte, mit denen sich die Gruppe von Wettbewerbern abheben will. Die 480 selbstständigen Raiffeisenbanken sind im Schweizer Verband der Raiffeisenbanken zusammengeschlossen. Um umfassende Beratung und Betreuung aus einer Hand zu bieten, bestehen Kooperationen mit Helvetia Patria, Bank Vontobel und Cosba Private Banking.

Trotz derzeitiger Straffung des Bankennetzes auf dem Lande insgesamt 200 Filialen sollen geschlossen werden wagte Pierin Vincenz einen pragmatischen Vorstoss in Städte und Agglomerationen.

Mit Erfolg. Vincenz führt das auf eine klare Positionierung zurück: «Wir wollen kein internationales, gediegenes Bankhaus sein, sondern bodenständige Banker aus der Nachbarschaft. So gesehen sind wir stolz auf unseren .» Raiffeisen galt bislang als traditionelle, etwas behäbige Bank, die dort zu Hause ist, wo sich Fuchs und Hase Gutnacht sagen. Umdenken ist angesagt.

Schwieriger ist der Fall bei der Diversifikation. Eigentlich will diese nicht so richtig in den Rahmen der Marketingstrategien passen. Weil es sich hier doch um weitreichende Entscheide handelt, die in der Kompetenz des Verwaltungsrates liegen, zählt die Diversifikation eher zu den Unternehmensstrategien.

Mit dem konjunkturellen Niedergang hat vor Jahren das Ansehen der Diversifikation gelitten. Alles, was nicht zur eigentlichen Kernkompetenz gehört, ist von Unternehmen in den letzten drei Jahren wieder wie heisse Kartoffeln fallen gelassen worden.

Mit der Berner Valora-Gruppe hat sich letztes Jahr eines der letzten Unternehmen der Schweiz von der Strategie der verschiedenen Standbeine verabschiedet. Mit Georg Fischer, Diethelm Keller, Industrieholding Cham oder Conzzeta sind nur noch eine Handvoll übrig. Die Rückbesinnung auf Kernkompetenzen ist angesagt.

Conzzeta: Gemischtwarenladen

Bei der vertikalen Variante finden Übernahmen oder Zusammenschlüsse mit Lieferanten und Abnehmern statt. Bei der horizontalen Integration wird dagegen der Zusammenschluss mit Konkurrenten gesucht, wie das kürzlich Forster mit Piatti-Küchen vorexerziert hat, derweil bei der lateralen Diversifikation überhaupt keine Anknüpfungspunkte bestehen. Wie bei der Zürcher Conzzeta-Holding, die im Jahre 1912 aus dem Zusammenschluss von fünf Ziegelwerken hervorgegangen ist.

Heute ist Conzzeta eine Industrieholding mit Tätigkeiten in den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Schaumstoffe, Sportartikel, Beschichtungs- und Baumaterialien sowie Immobilien. Die Aktivitäten innerhalb der Conzzeta-Gruppe sind in sieben Geschäftsbereichen zusammengefasst: Systeme für Blech- und Glasbearbeitung, Schaumstoffe, Sportartikel, Beschichtungsmaterialien, Immobilien und Industrielle Beteiligungen.

Die Conzzeta-Gruppenstrategie beruht auf vier Pfeilern: 1. Stärkung der heutigen Bereiche (vor allem Maschinen- und Anlagenbau, Schaumstoffe und Sportartikel); 2. Wachstum vorwiegend durch innere Entwicklung; 3. Ausbau der internationalen Präsenz; 4. Fallweise Prüfung von Akquisitionen und Kooperationen.

Als letzter Mohikaner fühlt sich Heinrich M. Lanz, Vorsitzender der Konzernleitung, deswegen noch lange nicht: «Hinter unserer Strategie stehen klare Werte, denen sich Verwaltungsrat und operative Leitung gleichermassen verpflichtet fühlen. Auf dem Fundament gemeinsamer Werte und Haltungen ist es möglich, Freiräume zu gewähren und dezentral zu führen.»

Eine diversifizierte Gruppe wie Conzzeta ist auf verschiedenen Märkten tätig. Entsprechend unterschiedlich sind die Kunden und ihre Bedürfnisse. Lanz: «Dezentral führen heisst, Verantwortung an diejenigen zu delegieren, welche die beste Übersicht über ihre Märkte haben. Diese Form von Eigenverantwortung schafft Motivation für Bestleistungen und schliesslich Erfolg.»

Die Praxis zeigt, dass sich eine klare Differenzierung von Mitwettbewerbern vorwiegend in «neuen» Märkten durchsetzen lässt, in Märkten, in denen beispielsweise dank innovativer Produkte ein klarer Vorsprung gehalten wird. Doch dies lehrt die Erfahrung Innovationen werden von Konkurrenten immer rascher aufgegriffen, sodass mittel- bis langfristig die Produktpalette nivelliert wird und sich ein Unternehmen auf einem freien Markt mit einer Konkurrenzstrategie durchsetzen muss. Dies, obwohl Unternehmen wie Komax oder Conzzeta ihre Strategien seit Jahren erfolgreich fahren.

Vielleicht sind das aber nur die berühmten Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Igor W. Ansoff zum Trotz.

Veranstaltungshinweis

Zürcher Marketing Forum vom 11. Mai 2004: «Wie sich höhere Preise erzielen lassen.» Infos auf www.zmf.ch