Markus Stutz kommt ins Schwärmen: «Diese Leute haben uns hervorragend unterstützt und unsere hohen Erwartungen übertroffen», sagt der Logistikleiter von Leica Geosystems in Heerbrugg. Stutz redet von den ETH-Juniors. Diese studentische Unternehmensberatung hatte beim weltweit tätigen Vermessungsunternehmen den Auftrag, das ganze Frachtmanagement unter die Lupe zu nehmen und Vorschläge auszuarbeiten, wie es effizienter organisiert werden kann. Das haben die Juniors offenbar derart gut gemacht, dass Stutz die Dienstleistung der Studenten auch künftig jeder anderen professionellen Beratungsstelle vorziehen würde.

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Das Hauptquartier der «studentischen McKinseys» befindet sich in zwei unspektakulären Räumen im zweiten Stock der altehrwürdigen Zürcher ETH. Für die Miete kommt der als Verein organisierte Beratungsdienst selbst auf – was immerhin 500 Franken pro Monat ausmacht. Auch sonst sind die ETH-Juniors organisatorisch nicht mit der Hochschule verknüpft. «Wir sind rechtlich und finanziell vollkommen unabhängig», sagt Pascal Elsener (25), Präsident der ETH-Juniors und Elektrotechnik-Student. Man spüre allerdings die ideelle Unterstützung von Rektor Konrad Osterwalder und seinem Stab und könne hin und wieder auch von den internen Diensten der ETH profitieren.

Den Kern von ETH-Juniors bildet das so genannte Mainboard, der Vorstand. Etwa zehn Studenten sind für die Bereiche Firmenmarketing, IT, Finanzen, Studentenmarketing und das Präsidium zuständig, aber auch für die ersten Abklärungen bei Neuaufträgen. Die Mitglieder des Mainboards mit der passenden Studienrichtung evaluieren gemeinsam mit dem Management des Kunden die zu erfüllende Aufgabe und das Anforderungsprofil an die Studenten, die mit der Aufgabe betraut werden sollen. Die studentischen Unternehmensberater werden dann in der Datenbank von ETH-Juniors entsprechend dem definierten Profil gesucht und instruiert. Die Leitung der Projekte unterliegt aber stets den Mitgliedern des Mainboards.

Eine genügend grosse Anzahl von unterschiedlich qualifizierten und dafür motivierten Studenten in der Rückhand beziehungsweise in der Datenbank zu wissen, ist für den Verein deshalb besonders wichtig. Derzeit sind es stattliche 2300 Studierende. Dafür betreiben die Mitglieder des Vorstands aber auch intensives Studentenmarketing an der ETH: In Vorlesungen stellen sie die Organisation vor, machen durch Plakate auf sich aufmerksam oder durch Standaktionen im Eingangsbereich der Hochschule. Einmal haben sie dort auch schon ein lebensgrosses Plüschkamel hingestellt. Es warb für Ferien, die man bei einem Wettbewerb gewinnen konnte, sofern man sich in die Datenbank der Juniors einschrieb.

Als mögliche Berater werden ausschliesslich Studierende gesucht. Sie stehen letztlich auch im Zentrum des Engagements. Durch die Einsätze können die Juniors früh Erfahrungen machen und ein Netzwerk aufbauen. Darin liegt der eigentliche Zweck der ETH-Juniors. Die geforderten Preise verhelfen den Studierenden zwar zu einer marktüblichen Bezahlung und dem Verein zur Deckung seiner Kosten, Gewinne lassen sich aber kaum erzielen. «Höchstens ein Zustupf für die Ferien schaut dabei mal raus», sagt Christoph Baur (26), der im siebten Semester Betriebs- und Produktionswissenschaften studiert und im Mainboard für Firmenmarketing zuständig ist. Für das Vereinsengagement selber bleiben die Mitglieder unbezahlt.

Die Idee, auf diese Art den Studenten zu Erfahrungen und Kontakten zu verhelfen, war 1997, im Gründungsjahr, nicht neu. So genannte Junior-Entreprises hatten sich an französischen Unis bereits in den Sechzigerjahren mit ähnlicher Ausrichtung etabliert. Seither hat sich die Idee rasant verbreitet. Allein an Schweizer Hochschulen gibt es acht derartige Beratungsunternehmen, in der Deutschschweiz sind es drei. Neben der ETH existiert ein ähnliches Projekt an den Universitäten von Zürich und St. Gallen.

Zwischen den verschiedenen studentischen Unternehmensberatungsdiensten findet ein reger Austausch statt, selbst wenn sie auf dem Markt komplett unabhängig voneinander auftreten. Schon die Schweizer Organisationen sind im Landesverband Jade Switzerland zusammengeschlossen, darüber hinaus sind sie auch Mitglieder des europaweiten Verbandes Jade Europe. Diesem sind ungefähr 200 Nonprofitorganisationen angeschlossen, die wie ETH-Juniors Unternehmensberatung durch Studenten anbieten. Jade Europa führt regelmässig auch Treffen durch. Letztes Jahr etwa zwei in Spanien, eins in Granada, das andere in Barcelona, dieses Jahr ging das Treffen in Genf über die Bühne.

«Die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen ist stark konjunkturabhängig», sagt Christoph Baur. Die Jahre 1998 und 1999 waren die goldene Zeit von ETH-Juniors. Damals konnten 23 zum Teil grosse Projekte verwirklicht werden. Im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 16, allerdings kleinere, die zu einem Umsatz von 350 000 Franken führten.

Bei der Akquisition von Aufträgen spielt das so genannte Advisory Board des Vereins eine besondere Rolle. In diesem sind Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und der ETH versammelt, die den Verein ideell unterstützen, den Vorstand beraten und ihm zudem über das eigene Kontaktnetz neue Aufträge vermitteln. Im Gremium zu finden sind so prominente Köpfe wie der frühere Sulzer-Chef und heutige ETH-Professor Fritz Fahrni oder die ehemalige Swissair- und Centerpulse-Sprecherin Beatrice Tschanz. Auch der Ehemaligenverein sorgt immer wieder für Futter, und selbstverständlich ist auch die Mund-zu-Mund-Propaganda einstiger Auftraggeber nicht unnütz.

Und: Auch klassisches Klinkenputzen gehört zum Handwerk, um an Aufträge heranzukommen. Mitglieder des Vorstands rufen Firmenverantwortliche an und offerieren eine Präsentation. Zuweilen werden potenzielle Kunden gezielt gewählt, weil Medienberichte, die Aussagen von Bekannten oder Fallbeispiele in Vorlesungen auf einen möglichen Bedarf in diesen Firmen hinweisen.

Grundsätzlich bieten die Studierenden ihren Kunden jede Beratungsdienstleistung an, für die sich die passenden Fachleute in ihrer Datenbank finden lassen. Kernkompetenzen der ETH-Juniors sind allerdings Logistik-, Marketing- und IT-Dienstleistungen.

Diese Beratungsspezialisierung eignet sich bei weitem nicht nur für internationale Unternehmen wie Leica Geosystems. Das Beispiel der sozialen Stiftung Pigna, die sich für das Zusammenleben mit und die Unterstützung von behinderten Menschen engagiert, verdeutlicht dies. Konfrontiert mit dem Spardruck der öffentlichen Geldgeber, suchte das Behindertenwerk nach Wegen, um Personalkosten einzusparen. Mit einem Projekt wollte man zunächst die Abläufe in der Betreuung genauer erfassen und später ein Programm entwickeln, mit dem sich die nötigen Arbeiten möglichst effizient organisieren lassen. Die ETH-Juniors wurden mit dem Projekt betraut. Anfänglich sei beim Personal eine gewisse Skepsis vorhanden gewesen, berichtet Christine Steiger, Personalverantwortliche bei
Pigna. Doch die Studierenden – zeitweise waren es bis zu vier Leute – hätten nicht nur die einzelnen Arbeitsvorgänge gemessen, sondern sich auch viel Zeit für Gespräche mit den Mitarbeitern genommen. «Mit ihrer lockeren, offenen und auch feinfühligen Art haben sie die Leute für sich gewinnen können», schwärmt Steiger noch immer. Jederzeit würde sie die ETH-Juniors wieder engagieren. Überdies erfülle die von den Studenten entwickelte Lösung die gestellten Anforderungen vollauf.

Ein weiteres und über die ETH hinaus führendes Engagement der ETH-Juniors ist das so genannte Contact-Meeting. An diesem Anlass können Firmen Studenten an einem gemieteten Stand 45 Minuten lang interviewen, um sie für Praktika oder Diplomarbeiten zu rekrutieren. Die Bewerber werden ebenfalls aus der ETH-Juniors-Datenbank ausgewählt, entsprechend den Bedürfnissen der Firma. So ist sichergestellt, dass sich für die Gespräche bereits Leute treffen, die von den Anforderungen her zum anderen passen. Der Verein führt den Anlass jeweils im November an der Messe Zürich durch. Da die Unternehmen für Stand und Interviews etwas bezahlen müssen, ist das Meeting eine wichtige Stütze fürs Budget der studentischen Organisation – was vor allem in den vergangenen konjunkturell schwierigeren Zeiten wichtig war. Im Jahr 2003 machten die Einnahmen des Contact-Meetings etwa ein Drittel, jene aus dem Beratungsbereich zwei Drittel der Gesamteinnahmen von ungefähr einer halben Million Franken aus. Und insgesamt 23 Personen waren im letzten Jahr 4385 Stunden für den Verein tätig.

Alle Zahlen sagen allerdings noch nichts über das Engagement aus. Und dieses wird von den Kunden in den höchsten Tönen gelobt. «Die bei uns eingesetzten Studenten haben sich mit unserem Unternehmen vollständig identifiziert», schwärmt Markus Stutz von Leica Geosystems. Eine entsprechende Bedeutung hat man ihnen auch beigemessen. Zu ihren Einsatzorten gehörte nicht nur der Hauptsitz in Heerbrugg, sondern auch London und Paris. Letztlich war die Zusammenarbeit derart gut, dass einer der eingesetzten Studenten nach dem Abschluss des Projektes gleich bei Leica Geosystems anheuerte.

Bei allem Lob über die studentischen Berater, ein Nachteil bleibt: Irgendwann beenden sie ihr Studium und damit auch die Mitarbeit bei den ETH-Juniors. «Da kann es schon mal passieren, dass man sich wieder völlig neuen Leuten gegenübersieht», sagt Markus Stutz.