Heftige Vorwürfe der «Financial Times» lassen den Marktwert von Leonteq sinken. Die Aktien des Derivateanbieters haben seit der Publikation des Berichts rund 25 Prozent verloren. Leonteq ist nunmehr nur noch mit knapp über 700 Millionen Franken bewertet. Der Bericht der britischen Finanzzeitung hat demnach ein Loch in Höhe von über 200 Millionen geschlagen.

Die FT schreibt mit Berufung auf Whistleblower, die Derivatboutique habe möglicherweise Geldwäscherei und Steuerhinterziehung zugelassen. Im Fokus stehen zwei Handelsdeals von Anfang 2021. Laut den Whistleblowern hätten die beiden Deals wegen Verdachts auf Geldwäscherei und Steuerhinterziehung den französischen Behörden gemeldet werden müssen. Dies, nachdem sich herausgestellt hatte, dass hohe Kommissionen an ein Unternehmen auf den Britischen Jungferninseln gezahlt worden seien – statt an den Broker in Frankreich, der die Leonteq-Investment-Produkte verkauft habe.

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Leonteq ist spezialisiert auf strukturierte Produkte. Die Firma ist seit 2012 an der Börse. Grösster Aktionär mit 29 Prozent ist die Raiffeisen. Mit knapp über 7 Prozent ist Rainer-Marc Frey investiert. Er ist der grösste Privatinvestor nach Leonteq-CEO Lukas Ruflin, der knapp über 8 Prozent am Unternehmen besitzt und zu den vier Gründungspartnern von Leonteq gehört.

Debatte um Rolle von EY

Leonteq weist die Vorwürfe zurück. Die Firma verfolge eine strikte Nulltoleranzpolitik in Bezug auf nicht konformes Geschäftsverhalten, heisst es in einer Stellungnahme. Die Vorwürfe seien sowohl auf der Ebene der Compliance-Abteilung als auch auf der Ebene der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats mit der nötigen Sorgfalt und entsprechenden Prozessen behandelt, überwacht und gemeldet worden.

Weiter seien die Vorwürfe von der internen Kontrollabteilung, der internen Revision von Leonteq und einem Expertenteam von Regulierungsfachleuten von EY untersucht worden. «Alle Untersuchungen ergaben, dass keine wesentlichen Missstände vorlagen», schreibt Leonteq.

EY sei bei der Überprüfung der Vorwürfe zum Schluss gekommen, die Transaktionen müssten nicht gemeldet werden, so Leonteq. Die Untersuchung sei durch ein spezialisiertes EY-Team durchgeführt worden. Die FT stellt allerdings die Unabhängigkeit der Untersuchung infrage. 

Erinnerungen an den Wirecard-Skandal

Autor des FT-Artikels ist ausgerechnet Dan McCrum. Der Journalist ist berühmt für seine Rolle beim Aufdecken des Wirecard-Skandals. Er war der Erste, der das skandalöse Kartenhaus des einst gefeierten deutschen Fintech-Unternehmens durchschaut hat. In einer Reihe von Artikeln hat er aufgezeigt, wo die Probleme sind. Statt zu handeln, haben die deutschen Behörden ein Verfahren gegen McCrum eröffnet. Als Wirecard schliesslich zusammenkrachte, musste der Chef der deutschen Finanzaufsicht den Hut nehmen.

Dan McCrum hingegen erhielt diverse Auszeichnungen. Die Deutschen verliehen ihm den Reporterpreis. Die Laudatio hielt der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz. 

Die Wirecard-Verantwortlichen wehrten sich bis zum Schluss gegen die Berichte von McCrum und der «Financial Times». Sie warfen dem Unternehmen vor, wahrheitswidrig zu berichten und mit kriminellen Spekulanten gemeinsame Sache gegen ein aufstrebendes deutsches Unternehmen zu machen. Wirecard-Chef Markus Braun sitzt nun in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfälschung und Manipulation des Aktienkurses. Ein anderes Mitglied der Geschäftsleitung, Jan Marsalek, ist flüchtig. Er ist international zur Fahndung ausgeschrieben.

(ise)

EY-Split: Das «Project Everest»

Es galt höchste Geheimhaltung, als in der EY-Chefetage das «Project Everest» anlief. Es war Anfang Oktober 2021. Intern brütete eine Handvoll Executives über einem Plan, der es in sich hat: Aufteilung eines Weltkonzerns mit 312’000 Mitarbeitenden, verstreut über den Globus, in einer Partnerschaft organisiert, Jahresumsatz 45 Milliarden Dollar.

Das brisante Projekt flog sieben Monate unter dem Radar, doch am 21. Mai liess eine Meldung des «International Accounting Bulletin», einer Plattform der Revisorengilde, aufhorchen: «EY und die Aufspaltungs-Gerüchte». Splitting, Breakup – seither steht die verschwiegene Firma im Scheinwerferlicht.

Auch in der Schweiz. Mittlerweile wurde immerhin bestätigt, dass die Zellteilung eine «strategische Option» sei. Doch sie ist viel mehr als das, wie Recherchen zeigen. Die geplante Trennung ist weit fortgeschritten, bereits im November soll in ersten Ländergesellschaften unter den Partnern abgestimmt werden; möglicherweise ist auch die Schweiz darunter.

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