Es gibt kaum Medikamente in der Deutschschweiz mit Rabatten. In der Romandie gibt es kaum noch Medikamente ohne Rabatte», sagte Philippe Milliet, Leiter Retailgeschäft bei der Galenica, der «HandelsZeitung» noch im vergangenen Mai.

Diese Aussage ist bereits überholt: Denn die kämpferischste Apothekenkette der Westschweiz, Sun Store, erobert nun «Outre Sarine». Erst im Dezember hat sie in der «Shopping-Brücke» in Würenlos und in Egerkingen je eine neue Filiale eröffnet. Im vergangenen Jahr gingen auch zwei Sun-Store-Apotheken in Baselland und eine in Bern auf.

Norbert Piller, bei Sun Store für die Expansion in der Deutschschweiz verantwortlich, sagt: «Unser Ziel ist es, möglichst schnell ein Netz aufzubauen, das so dicht ist wie in der Westschweiz.» Der nächste Schritt sei, vier Drogerien, die man in Bern und Basel gekauft habe, in Apotheken umzuwandeln.

Die Genfer Apotheker können ihren Deutschschweizer Kollegen ein Liedchen davon singen, was auf sie zukommt. Aus Ärger über den «unlauteren Wettbewerb» von Sun Store geht die Association des pharmacies du canton de Genève gerichtlich gegen die Waadtländer Drogerie-, Parfümerie- und Apothekenkette vor - ist auf erster Instanz erst einmal gescheitert.

Existenzängste löst bei den Genfer Apothekern vor allem hervor, dass die Kunden von Westschweizer Krankenkassen wie Assura, KPT, Groupe Mutuel, Philos oder Supra bei Sun Store keine Apothekerpauschalen mehr bezahlen müssen.

*«Sektorielles Dumping»*

Das ist keine Kleinigkeit: Die Pauschalen brachten den Apothekern 2003 fast einen Drittel ihres Bruttogewinns ein (siehe Tabelle). Mit anderen Worten: Sun Store verzichtet im Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten auf einen Drittel der Marge. «Das ist ein sektorielles Dumping», sagt Marcel Mesnil, Generalsekretär des Schweizerischen Apothekerverbands. Weil Sun Store weniger als einen Viertel ihrer Umsätze mit verschreibungspflichtigen Medikamenten erziele, könne sie diesen Bereich mit dem Drogerie- und Parfümeriegeschäft quersubventionieren.

Auch Deutschschweizer Kunden kommen bereits in den Genuss der Tiefpreise: Von den grössten fünf Krankenkassen in der Deutschschweiz etwa kooperieren Helsana, CSS und Visana mit Sun Store, wie sie der «HandelsZeitung» bestätigten.

Mit der neuen Konkurrenz dürfte sich das «Lädelisterben» der unabhängigen Apotheken akzentuieren. «Eine traditionelle Apotheke kann ohne die Pauschalen nicht überleben», sagt Etienne Jornod, Präsident und Delegierter des Verwaltungsrats von Galenica, die mit Galenicare eine der vier grossen Apothekenketten unter ihrem Dach hat. «Für eine Apotheke, die hauptsächlich im Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten tätig ist, wäre es fatal, auf die Apotheker- und Patientenpauschale zu verzichten», sagt auch Max Gächter, Präsident der Top Pharm, einem Verein von unabhängigen Apothekern. Denn die Pauschalen entsprächen etwa der Nettomarge. «Ohne Pauschalen würden wir Apotheker gratis arbeiten», so Gächter.

In zwölf Deutschschweizer Kantonen sind die Apotheken ohnehin bereits unter starkem Druck durch selbstdispensierende Ärzte. In Gebieten, wo Ärzte auch Medikamente abgeben dürfen, erzielen die Apotheken mit verschreibungspflichtigen Medikamenten nur noch 20% ihrer Umsätze. In Kantonen ohne Selbstdispensation sind es 80%. Dazu kommt die Konkurrenz durch die beiden Versandapotheken Mediservice und Apotheke zur Rose, die ebenfalls auf die Apotheker-Pauschalen verzichten.

*Steht ein Preiskampf bevor?*

Wird sich Galenicare auf einen Preiskampf einlassen? «Wir beobachten nun einmal, was geschieht. Wir kennen das Kommunikationskonzept von Sun Store noch nicht», sagt Jornod. Galenica hat den Vorteil, dass sie sowohl im Gross- als auch im Detailhandel tätig ist und daher für einen allfälligen Preiskampf gut gewappnet wäre. Doch Jornod winkt ab: Die Marge im Grosshandel betrage nur 0,7% und die Galenicare-Apotheken bekämen dieselben Konditionen wie alle anderen Apotheken auch. Das Geschäft werde für alle schwieriger. Galenicare sei aber aufgrund ihrer Grösse gut für die Zukunft gerüstet, sagt Jornod.

Max Gächter von TopPharm glaubt zwar, dass ein gewisser Umsatz in den Discountkanal abfliessen wird, er ist aber auch überzeugt: «Apothekern, die Top-Dienstleistungen erbringen und sich konsequent auf ihre Kunden ausrichten, wird die Arbeit aber nicht ausgehen.»

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