Larry Page und Sergey Brin, die Gründer, haben Sundar Pichai, der seit 2015 Chef von Google ist, nun auch zum Chef der Konzernmutter Alphabet gemacht.
Der Schritt wirkt konsequent: Page und Brin waren zwar noch die Chefs von Alphabet, aber in der Öffentlichkeit waren sie in den letzten drei Jahren praktisch unsichtbar geworden. Pichai stand mehr und mehr für Google, und da Google der alles beherrschende Teil von Alphabet geblieben ist, stand er auch für den Gesamtkonzern.
Sundar Pichai, geboren 1972 im südindischen Tamil Nadu, studierter Werkstoffingenieur, hatte längst schon alle wichtigen Unternehmensteile unter sich: Websuche, Cloud, Gmail, Youtube (auch der Videokanal untersteht organisatorisch Google, nicht der Muttergesellschaft Alphabet). Auch heute noch, knapp fünf Jahre nach dem Umbau zur Alphabet-Struktur, werden noch mehr als 99 Prozent des Konzernumsatzes dort erzielt, wo Google drauf steht.
Die beiden Gründer, beide 46 Jahre alt, kümmerten sich derweil um ausgewählte Projekte im Bereich AI, Healthtech, autonomes Fahren oder Wearables. Also dort, wo Zukunftsvisionen aufgegleist und das Geld ausgegeben wurde.
Es sei eigenartig gewesen bislang: Mit Larry Page hatte Alphabet einen Konzernchef, der kaum sichtbar war – die sagte David Kirkpatrick, Chef des Fachmediums Techonomy, in einer ersten Reaktion. Unter Pichai werde die «visibility» wohl steigen; und dies könnte auch schon die grösste Veränderung sein.
Alphabet, gegründet 2015, wurde bislang nicht wirklich fassbar. Es blieb eine Art Holding-Gesellschaft mit angeschlossener Tüftel-Stiftung. Sobald es ums Geldverdienen ging, landete die Sache dann wieder unter den Fittichen von Sundar Pichai.
Ein Beispiel ist Nest, der Hersteller von Smart-Home-Produkten Nest. Er wurde klein geschluckt, wuchs bei Alphabet, wurde aber schliesslich in Google integriert. Aber auch andere bei Alphabet entwickelten Produkte, insbesondere im Cloud-Bereich, wurden bei Google verortet.
Hier finden sich auch Indizien, wohin der ausgewiesene Pragmatiker Pichai als Superboss das Konstrukt Alphabet führen könnte: Vielleicht wird unter dem Alphabet-Dach bald etwas weniger an Zukunftsvisionen getüftelt, für die kaum limitierte Budgets und Deadlines gelten, und mehr an Produkten. Weniger Forschung, mehr Entwicklung.
Page und Brin haben Visionen, Pichai hat Projekte. «Er ist nun der einzige Sheriff in der Stadt», kommentieren die Analysten von Evercore die Ausweitung seiner Verantwortlichkeiten.
Aber es geht nicht nur darum, neue Produkte zu Boden zu bringen. Pichai muss sich als Chef eines Konzerns mit 100'000 Mitarbeitern und fast einer Billion Dollar Börsenwert auf vielen anderen Ebenen beweisen: «Alphabet braucht einen kompetenten Technologen, einen charismatischen Champion und einen guten Politiker», schreibt Mark Bergen von «Bloomberg» über das Anforderungsprofil.
Die grössten Herausforderungen für Google sind ohnehin nicht technologischer Natur, sondern politischer. Der regulatorische Druck auf die Internetkonzerne steigt. Auch dies dürfte beim Sesselwechsel im Tech-Olymp eine Rolle gespielt haben. Als Larry Page im Herbst 2018 vom amerikanischen Kongress zu einem Hearing geladen wurde, blieb sein Sitz leer. Der CEO des wichtigsten Tech-Konzerns zog es vor, ein Papier der Firmenanwälte verlesen zu lassen.