Die Laune von Jon Erni könnte nicht besser sein. Der Leiter des Geschäftskundenbereichs bei Sunrise hatte in den vergangenen Wochen gleich doppelt Grund zum Jubeln. Sein Kunde FC Basel gewann mit einem Sieg im letzten Heimspiel die Schweizer Fussballmeisterschaft. Wenige Tage später verwies Sunrise die Konkurrentin Swisscom für einmal auf den zweiten Platz. Ernis Truppe erhielt ausgerechnet den Zuschlag für den Betrieb und die Wartung von BEWAN. Das Datennetz gehört der Verwaltung des Kantons Bern – wo Swisscom grösste Arbeitgeberin ist.

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Sunrise entschied freilich nur eine kleine Schlacht für sich. Den Krieg um Privat- und Geschäftskunden dominiert Gigant Swisscom weiterhin klar. Branchenkenner schätzen den Marktanteil bei Firmenkunden auf 60 Prozent. Laut Telekom-Experte Jörg Halter von der Unternehmensberatung Ocha beherrscht der blaue Riese gar zwischen 70 und 80 Prozent des lukrativen Geschäftsfeldes. Dahinter folgen weit abgeschlagen Cablecom und Sunrise mit – je nach Schätzung – jeweils drei bis zehn Prozent Anteil am Kuchen.

Geschäftskunden sorgen für besonders satte Profite. 30'0000 KMU zählt die Schweiz. Bei Swisscom trägt die Sparte KMU zwar keine 10 Prozent zum Nettoumsatz bei. Laut Geschäftsbericht 2010 liegt die Marge aber gemessen am Nettoumsatz mit 74 Prozent deutlich höher als bei den Privat- und Grosskunden.

Von dieser Transparenz sind Sunrise-Manager noch weit entfernt. Zum Anteil der Geschäftskunden am Gesamtumsatz herrscht Schweigen. Man verbreitet lieber positive Nachrichten.So lancierte das Telekomunternehmen im Februar den neuen Subbrand «Sunrise Business». «Wir investieren einen zweistelligen Millionenbetrag», sagt Erni. Ende April wechselten mit Hans Jörg Denzler und Yves Zischek der Geschäftsführer und ein weiterer Top-Manager des Konkurrenten Colt Technology Schweiz zu Sunrise.

Luzi von Salis, ebenfalls ein ehemaliger Colt-Mann und heute selbstständiger Unternehmensberater, sagt: «Man merkt im Markt, dass Sunrise Gas gibt.» Laut Erni will Sunrise bis 2014 den Marktanteil im Business-Segment auf «deutlich über 10 Prozent» steigern.

Gutes Massengeschäft

Vor allem die Colt-Transfers von Sunrise gelten in der Branche als entscheidender Schlag. «Im Geschäftskundenbereich sind persönliche Beziehungen das wichtigste Kriterium», sagt Andreas Danuser vom TV-, Internet- und Telefonanbieter MyGate. Das gilt vor allem für das Segment der KMU mit 15 bis 100 Mitarbeitern. Diese Unternehmen haben laut Danuser «die gleichen Anforderungen wie Grossunternehmen, aber das Budget von Kleinfirmen».

Die Aufholjagd von Sunrise trifft in erster Linie den Konkurrenten Colt Technology mit Hauptsitz in Grossbritannien. In der Branche heisst es, Colt stehe in der Schweiz vor einer sehr unsicheren Zukunft. Die Managementwechsel gelten als starkes Indiz dafür. Zudem scheint das Unternehmen in gewissen Segmenten kaum noch präsent zu sein. Ein Konkurrent, der nicht genannt werden will, sagt, Colt sei am Markt nicht mehr sichtbar, offenbar gebe es keine aktive Marktbearbeitung und im KMU-Bereich keinen Support mehr.

Bei Colt räumt man tiefgreifende Veränderungen ein. Schweiz-Chef Jörg Dannheim spricht von einer Umorientierung. Im KMU-Bereich habe ein Wechsel vom Direktgeschäft zu einem Vertriebspartner-Modell stattgefunden. Ein Rückzug aus der Schweiz sei aber kein Thema.

«Die Colt-Gruppe will sogar vermehrt in die Schweiz investieren», kontert Dannheim die Branchengerüchte. Das zwischenzeitliche Abtauchen habe damit zu tun, dass sich Colt auffrische, neu aufstelle und neue Dienstleistungen anbiete. «Der Tanker richtet sich neu aus», fasst ein ehemaliger Colt-Manager die Entwicklung zusammen.

Derweil nimmt die Swisscom die neusten Turbulenzen im Markt betont gelassen auf. Laut Sprecher Olaf Schulze spüre man noch «keinen Einfluss» durch die neue Businessunit von Sunrise: «Wir sind mit dem Neukundengeschäft im KMU-Segment sehr zufrieden.»

Langzeitverträge erschweren Akquise

Sunrise gewinnt immerhin prominente neue Kundschaft wie etwa die Krankenkasse Innova, den Schweizer Ableger des deutschen Medienunternehmens Bertelsmann oder das Transportunternehmen des Aargauer SVP-Nationalrats Ulrich Giezendanner.

Den Fünfjahresauftrag des Kantons Bern für über 25 Millionen hat Sunrise nicht alleine, sondern als Sublieferantin der Berner Connectis AG gewonnen – der 2008 verselbständigten ehemaligen Sunrise-Geschäftseinheit «Business Communications». Zusammen setzten sich die beiden Unternehmen in einer öffentlichen Ausschreibung gegen Swisscom durch. Offenbar war der Preis nicht der entscheidende Faktor. Sunrise-Business-Leiter Erni: «Wir waren nicht billiger.» Swisscom will sich zu der Ausschreibung nicht äussern.

Erschwert wird Sunrise die Kundenakquise durch mehrjährige Verträge, die einen Wechsel erschweren. Fünf- bis Siebenjahresverträge sind die Regel für Geschäftskunden. Zweijahresverträge gelten als Ausnahmefälle.

Doch die Jagd auf neue Kunden verspricht reiche Beute. Das Heer der Wechselwilligen wächst. Laut dem neusten Telekom-Rating, das Unternehmensberater Halter jährlich erstellt und das in der «Bilanz» publiziert wird, sind die Geschäftskunden nämlich zunehmend unzufrieden mit ihren Anbietern.

 

Telekom-Spagat

Dreiteiliges Segment
Unterteilt wird der Geschäftskundenbereich in drei Segmente: Zu den Grosskunden gehören die Top-500-Unternehmen in der Schweiz, beispielsweise aus Industrie, der Banken- oder Versicherungsbranche. Kleinunternehmen sind den Privatkunden ähnlich: Kostenbewusst und umsatzmässig klein. Dieses Massengeschäft ähnelt jenem für Privatkunden. Dazwischen stehen die rund 300 000 KMU in der Schweiz.

Minutengeschäft am Ende
Die Kunst für die Anbieter liegt im Spagat zwischen Standardisierungen und Spezialisierungen. Der Schlüssel zum Erfolg sind die persönlichen Beziehungen – gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen. Die Sprachkommunikation verliert zunehmend an Bedeutung. Dafür wird Cloud Computing wichtiger.