Nach dem Scheitern des milliardenschweren Kaufs von UPC macht Sunrise jetzt alleine weiter. Es gebe keine weiteren Verhandlungen mehr mit Liberty Global, sagte Sunrise-Chef Olaf Swantee am Dienstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.
Sunrise werde nicht mehr versuchen, die UPC-Besitzerin noch zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen. Der Kaufvertrag bleibe noch bestehen, damit auf beiden Seiten eine koordinierte Abwicklung der Integrationsarbeiten stattfinden könne und die Vertraulichkeit der Informationen weiter gewahrt bleibe, sagte Sunrise-Finanzchef André Krause.
Das Gute sei, dass Sunrise eine sehr starke Standalone-Strategie habe, sagte Konzernchef Swantee: «Die werden wir jetzt weiterhin umsetzen. Es ist enttäuschend, dass wir die Synergien mit UPC nicht umsetzten können, dass wir keine eigene Internetinfrastruktur aufbauen können und dass wir die Kundenbasis nicht auf einen Schlag verdoppeln können. Aber wir haben eine sehr starke Position in allen Marktsegmenten.»
Sein Hauptfokus sei, sich in den nächsten paar Wochen mit dem Managementteam Gedanken zu machen, ob allenfalls noch Anpassungen an der langfristigen Strategie nötig seien, sagte Swantee. «Im Prinzip ist unsere Standalone-Strategie stark und wir werden damit jetzt weiterfahren. Wir werden uns auf unseren Plan für 2020 fokussieren.»
Auf die Frage, ob er oder andere Spitzenmanager jetzt das Unternehmen verlassen würden, sagte Swantee: «Es ist wichtig, dass wir jetzt da sind. Unser Fokus ist, die Firma zu stabilisieren und eine langfristige Strategie mit dem Managementteam umzusetzen.»
Millionenkosten für Scherbenhaufen
Die Kosten des Scherbenhaufens wollte Finanzchef Krause nicht beziffern: Man habe eine Abbruchsgebühr von 50 Millionen vereinbart, die fällig werde, wenn der Vertrag beendet werde. «Darüber hinaus sind Finanzierungs-, Beratungs- und Integrationskosten entstanden, die wir im Moment noch nicht abschliessend benennen können.»
Diese Kosten hätten aber nicht die Grössenordnung, dass die Finanzlage von Sunrise in irgendeiner Form negativ beeinträchtigt würde, sagte Krause: «Wir haben Cash auf der Bilanz, auch durch die günstiger als erwartet ausgefallene 5G-Auktion, so dass wir hier im sicheren Bereich sind.»
ISS gewichtiger Faktor für Scheitern
Eine gewichtige Rolle für das Scheitern des UPC-Kaufs habe die Nein-Empfehlung des einflussreichen amerikanischen Stimmrechtsberaters ISS gehabt, sagte Swantee. Die Ablehnung der Kapitalerhöhung durch ISS habe den Trend verändert. «Das hat damit zu tun, dass viele passive Investoren den Empfehlungen der Stimmrechtsberater folgen. Wir hatten zwar die drei Stimmrechtsberater Glass Lewis, Ethos und zRating hinter uns, aber ISS hat sehr viel Bedeutung und ist sehr gross», sagte der Sunrise-Chef.
ISS habe die Nein-Empfehlung aufgrund eines Berichts abgegeben, der gravierende Fehler enthalten habe. Zwar habe ISS auf Intervention von Sunrise Fehler in dem Bericht korrigiert, aber die Empfehlung nicht geändert, sagte Swantee: Und die passiven Investoren würden halt weniger die Details im Bericht anschauen, sondern der Empfehlung folgen.
«Wir haben Klarheit bekommen, dass die Kapitalerhöhung von den Aktionären nicht akzeptiert wird. Und dass die Abwahl von Verwaltungsratspräsident Peter Kurer und Verwaltungsrat Jens Jesper Ovesen nicht durchkommt. Deshalb haben wir die ausserordentliche GV abgesagt, denn wir wollten so schnell wie möglich Sunrise stabilisieren.»
Wie gross das Nein-Lager unter den Aktionären war, die sich für die ausserordentliche GV registriert hatten, wollte Finanzchef Krause nicht bekannt geben, weil die GV nicht stattgefunden habe. "Es waren klar mehr als 50 Prozent", sagte er lediglich. Die offenen Stimmen hätten das Mehrheitsbild nicht verändert, selbst wenn sie alle für die Kapitalerhöhung gewesen wären.
Dass Liberty Global jetzt umgehend einen neuen Käufer für UPC sucht, ist der Sunrise-Spitze gemäss eigenen Aussagen nicht bekannt. «Liberty hat keinen Handlungsdruck. Die müssen nicht verkaufen», sagte Krause. Die sässen auf sehr viel Cash aus dem Verkauf von mehreren Töchtern in Europa an Vodafone für über 18 Milliarden Euro.
Der Umsatz von UPC war zwischen April und Juni um 3,6 Prozent auf 315,6 Millionen Franken gesunken. Allerdings sah das Unternehmen positive Tendenzen. So habe der Geschäftskundenbereich zugelegt. Auch die Kundenzahlen gehen laut dem Unternehmen in die richtige Richtung. So sei die Zahl der Mobilfunkkunden gestiegen. Und der Rückgang bei den TV-Kunden und Internetkunden habe sich verlangsamt.
Sunrise-Grossaktionär Freenet
Sunrise-Grossaktionär Freenet hatte nach der Vorlage der UPC-Halbjahreszahlen den Kauf von 6,3 Milliarden Franken durch Sunrise abgelehnt. UPC sei ein fallendes Schwert, hatte Freenet-Chef Christoph Vilanek der Nachrichtenagentur AWP gesagt.
Obwohl die Kabelnetzbetreiberin seit Monaten versuche, mit Kampfpreisangeboten für TV, Festnetz, Internet und Mobilfunk neue Kunden zu gewinnen, zeigten die Zahlen nach unten. «Das ist eine traurige Geschichte», sagte Vilanek zum angestrebten UPC-Turnaround. Die angespannte Marktsituation der Kabelnetzbranche und die operative Entwicklung von UPC würden den Kaufpreis von 6,3 Milliarden nicht rechtfertigen.
Freenet stellt Forderungen
Der deutsche Sunrise-Grossaktionär Freenet zeigt sich über die Absage des Kaufs von UPC erfreut. «Der Kaufpreis von 6,3 Milliarden Franken ist zu hoch, die strategische Logik überzeugt nicht und die Struktur des Deals ist nachteilig für die Sunrise-Aktionäre», sagte Freenet-Chef Christoph Vilanek am Dienstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.
Personelle Konsequenzen aus dem Debakel für die Sunrise-Spitze forderte Vilanek keine: «Dazu ist jetzt nicht der Zeitpunkt. Jetzt muss Sunrise wieder Fahrt aufnehmen. Dazu braucht man die besten operativen Leute.» Über allfällige personelle Änderungen könne man sich unterhalten, wenn es in Richtung ordentliche Generalversammlung im nächsten Jahr gehe.
Vilanek verlangte, dass Sunrise jetzt zum Tagesgeschäft zurückkehre und sich darauf konzentriere, Marktanteile zu gewinnen. «Ich fordere, das UPC-Kabelgeschäft dort zu attackieren, wo das Sunrise-Produkt überlegen ist», sagte der Freenet-Chef.
(awp/mlo)