Was haben Schriftsteller Charles Lewinsky, TV-Moderator Bernard Turnheer, Pro-Helvetia-Chef Pius Knüsel, Musiker DJ BoBo, «Berner Zeitung»-Chefredaktor Andreas Z’Graggen, Ständerat Rolf Schweiger, Unternehmerin Carolina Müller-Möhl und der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gemein? Dass sie, jeder in seiner Disziplin, prominent und erfolgreich sind?
Mag sein, ist aber nicht der eigentliche Grund, dass sie an dieser Stelle zusammen in einem Atemzug genannt werden. Von Ackermann bis Z’Graggen sassen sie in der diesjährigen «Academy», einem 100-köpfigen Gremium, das den Swiss Award 2004 zu vergeben hat. Und zwar in den Kategorien Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft, Sport und Showbusiness. Veranstalter ist das Schweizer Fernsehen DRS, in Zusammenarbeit mit SwissLos, «Blick», der «Schweizer Illustrierten», Radio DRS 1 und – für die Kategorie Wirtschaft – der BILANZ. Wenn das Schweizer Fernsehen am 8. Januar 2005 die Siegerehrung live übertragen wird, wird zumindest eines schon klar sein: Die Chancen, dass in der Kategorie Wirtschaft erstmals eine Frau gewinnen könnte, liegen bei exakt 66,6 Prozent.
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Kandidatin 1: Beatrice Weder di Mauro
Als die Wahl vorüber war, waren die qualifizierenden Attribute schnell zur Hand: «Jung, weiblich, undogmatisch», schrieb der «Spiegel», «modern», die «Frankfurter Allgemeine», «ausgewogen und angepasst», urteilte die «Zeit». Alle diese Schreiber qualifizierten dieselbe Person: Beatrice Weder di Mauro, die Mitte Jahr zum Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, des so genannten Rats der fünf Wirtschaftsweisen von Deutschland, gewählt worden war. Und zwar als erste Frau und erste Ausländerin – sie besitzt einen Schweizer und einen italienischen Pass – und als jüngstes Mitglied in dem 1963 gegründeten Rat.
Was Beatrice Weder di Mauro jedoch stärker für den Job qualifiziert als jedes journalistische Attribut, ist ihr beeindruckender beruflich-wissenschaftlicher Werdegang: Geboren in Basel, aufgewachsen teilweise in Guatemala, schloss Weder di Mauro ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften in Basel ab. Dann arbeitete die Ökonomin beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, später am selben Ort bei der Weltbank und absolvierte einen Gastaufenthalt an der United Nations University in Tokio. Im Jahre 2001 folgte die inzwischen habilitierte Ökonomin einem Ruf an den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftspolitik und internationale Makroökonomie der Universität Mainz. Und mit einer gewissen wissenschaftlichen Hochachtung meinte ein Kollege aus dem Weisen-Rat nach ihrer Wahl: «Ausgezeichnete Ökonomin und nicht eindeutig einer ökonomischen Schule, Keynesianer oder Angebotstheoretiker, zuzuordnen.» Oder wie es das deutsche «Handelsblatt» einst ausdrückte: Sie habe «sich mit fachlich tadelloser Arbeit einen Namen» gemacht und «nicht durch besondere parteipolitische Präferenzen». Und das ist ja wohl die wichtigste Qualifikation für den Job.
Kandidat 2: Sergio Magistri
Es ist eine der Geschichten, für die wir die USA halt doch ein bisschen lieben, trotz allem, womit sich das Land in den letzten Jahren unmöglich gemacht hat. Es ist die Geschichte eines Tessiner ETH-Doktoranden, der in die USA reist, um sein Englisch aufzubessern, und dann dort hängen bleibt. Es ist die klassische «Vom Tellerwäscher zum Millionär»-Geschichte. Nach dem Bombenanschlag von Lockerbie 1988 fördert die amerikanische Regierung die Forschung in Sachen Flugsicherheit. Sergio Magistri, so heisst der Mann, um den es hier geht, gründet mit elf Kollegen im Silicon Valley die Firma Invision Technologies. Die Idee ist bestechend: Mit Hilfe von Computertomografie sollen nicht Tumore im Körper, sondern Bomben in Koffern aufgespürt werden.
Der Weg ist steinig: 20 Millionen Dollar steckt Magistri in die Entwicklung, doch das Scannen dauert zu lange, und die Geräte sind bei Stückpreisen von 1,5 Millionen Dollar zu teuer. Elf Jahre interessierte sich kaum jemand für Magistris Produkte. Mehrmals schrammt Invision Technologies an der Pleite vorbei, einmal muss Magistri die Löhne sogar von seinem privaten Bankkonto begleichen. Im Sommer 2001 produziert das Unternehmen wöchentlich noch genau einen Kofferscanner – bis ein paar verrückte Terroristen zwei Flugzeuge in das World Trade Center fliegen und so den Bedarf nach Magistris Maschinen von einem Tag auf den anderen explodieren lassen. Invision versechsfacht die Produktion und kann die Nachfrage doch nicht befriedigen. Über 500 Leute beschäftigt das Unternehmen, macht bei 440 Millionen Dollar Umsatz 79 Millionen Gewinn. Dieses Jahr im März verkauft Magistri seine Firma für 1,2 Milliarden Franken an den Giganten General Electric. Magistri wird zum Multimillionär, seither preisen ihn die Schweizer Medien als Vorzeigeunternehmer. Hartnäckigkeit, Risikobereitschaft und Innovationsfreude zeichnen diesen Unternehmertyp aus, den es in der Schweiz leider nicht mehr allzu häufig gibt.
Kandidatin 3: Paola Ghillani
Unermüdlich arbeitet Paola Ghillani darauf hin, sich überflüssig zu machen. Wenn fairer Handel zur Norm wird, braucht es die 41-Jährige nicht mehr. Die vom World Economic Forum zum Global Leader of Tomorrow gekürte Managerin ist auf dem besten Weg dazu.
Die Max-Havelaar-Stiftung (Schweiz), der Ghillani seit 1999 vorsteht, beeindruckt durch Zuwachsraten von 30 Prozent und mehr. 2003 betrug der Umsatz 156 Millionen Franken, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. 2004 dürfte die Marke von 200 Millionen erreicht worden sein. Dies dank dem Entscheid von Coop, ausschliesslich Max-Havelaar-Bananen zu verkaufen. Keine andere Gütesiegel-Initiative der Welt ist so erfolgreich wie die Max-Havelaar-Stiftung (Schweiz).
Eine Million Familien in Entwicklungsländern arbeiten mittlerweile unter fairen Bedingungen, für welche die Max-Havelaar-Stiftung garantiert. Sie erhalten einen existenzsichernden Preis für ihre Erzeugnisse, also rund 50 Prozent mehr, als sie im herkömmlichen Handel für ihre Produkte bekämen.
Ihre Überzeugungsarbeit leistet Ghillani nicht mit glänzenden PowerPoint-Präsentationen, sondern im offenen Feld. Ein Drittel ihrer Arbeitszeit hält sie sich in den Ländern des Südens auf. Sie reist mit Industriellen und Einkäufern, um ihnen vor Augen zu führen, dass fairer Handel funktioniert. Oder sie entwickelt mit den Bauern und Arbeitern Produkte. Zuerst waren es Nahrungsmittel wie Zucker, Reis, Kaffee oder Honig, dann kamen Blumen, und nun steht die Expansion in Non-Food an mit Textilien oder Sportbällen.
Die Pharmazeutin mit Managementausbildung am IMD in Lausanne wurde unter anderem darum an die Spitze der Organisation berufen, weil sie beweisen wollte, dass Max Havelaar nichts mit einem auf Spenden angewiesenen Hilfswerk zu tun hat, sondern Geld generiert, und zwar für alle Beteiligten. Das hat sie geschafft. Die Max-Havelaar-Stiftung (Schweiz) ist seit 2000 selbsttragend. Damit hat Ghillani bewiesen: Fairer Handel ist ein Geschäftsmodell.