Reiserestriktionen im Zuge der Coronakrise bremsen die Erholung im Luftverkehr. So läuft das Hochfahren der Flugkapazitäten bei der Swiss holpriger als noch im Sommer gehofft. Das Vorkrisenniveau dürfte frühestens 2024 wieder erreicht werden.
Die Swiss rechnet aufgrund der Reiserestriktionen damit, im Winterflugplan etwa 30 bis maximal 40 Prozent der Kapazitäten des Vorjahres anzubieten. Eigentlich hatte die Lufthansa-Tochter das Ziel verfolgt, bis Dezember etwa die Hälfte des geplanten Flugplans wieder anbieten zu können.
«Im Laufe des Julis waren wir noch ganz zuversichtlich, dass wir das erreichen können», sagte Swiss-Netzwerkchef Michael Trestl am Montag an einem Mediengespräch. So habe die Swiss über die Sommermonate Juli und August eine überraschend starke Nachfrage verzeichnet. Vor allem bei den Kurzstrecken waren Ferienziele beliebt, dazu kamen Flüge zum Besuch von Freunden und Verwandten.
Doch bereits im September haben Reiserestriktionen der Swiss wieder einen kräftigen Strich durch die Rechnung gemacht. So gibt es etwa in der Schweiz eine Quarantänepflicht für Rückkehrer aus beliebten Ferienzielen wie Spanien. Umgekehrt haben auch einzelne Länder wie Grossbritannien die Schweiz auf ihre Risikoliste genommen.
Das führt zu zahlreichen Annullationen und sogenannten «No Shows», also wenn Passagiere ihren Flug nicht antreten. Unter dem Strich kämen die Buchungszahlen der Swiss somit nicht vom Fleck, so Trestl: Die Nettobuchungen stagnierten oder seien sogar leicht rückläufig.
Entsprechend muss auch der Flugplan immer wieder angepasst werden. Dabei gilt es, den Kunden Verlässlichkeit zu bieten und gleichzeitig grössere Verluste zu verhindern. «Der Wiederaufbau des Netzwerks bedeutet Investition», sagte Trestl. «Aber zumindest die variablen Kosten müssen gedeckt sein.»
Frachtflüge sind gefragt
Immerhin profitiert die Swiss zugleich von einer starken Nachfrage nach Frachtflügen. Diese stehen normalerweise bei der Airline nicht im Vordergrund: So werden vor allem Passagierflugzeuge mit Fracht aufgefüllt. Doch seit die Coronakrise die Lieferketten weltweit unterbrochen hat, hat sich das geändert. Bis Ende August führte die Swiss rund 800 reine Frachtflüge durch und transportierte 27'000 Tonnen an Material. Dadurch kann sie auch einige Langstreckenflüge anbieten, die sonst nicht möglich wären.
Dennoch: Es zeichne sich ab, dass der Winterflugplan von November bis März deutlich hinter den Erwartungen liegen werde, sagte Netzwerkchef Trestl. Der neue Winterflugplan der Swiss soll am nächsten Dienstag (29. September) vorgestellt werden.
Lufthansa legt mehr Flugzeuge still
Die Swiss steht mit den aktuellen Problemen konzernintern nicht alleine da: Der Mutterkonzern Lufthansa gab am Montag bekannt, vorerst nur noch 20 bis 30 Prozent des Vorjahresangebots in die Luft zu bringen. Die Lufthansa will nun eine grössere Zahl an Flugzeugen als ursprünglich geplant stilllegen. So soll die Flotte von Lufthansa und den anderen Airlines des Konzerns bis zu dem erst für Mitte des Jahrzehnts erwarteten Ende der Krise um 150 Maschinen auf dann rund 610 Flugzeuge schrumpfen und damit um 50 mehr als bislang vorgesehen. Dazu kommt ein noch grösserer Stellenabbau als geplant, um die Kosten zu senken.
Gespräche mit der SBB
Die Auswirkungen auf die Swiss sind unklar. «Wir gehen für 2024 vom gleichen Flottenbestand wie im Frühjahr 2020 aus», sagte Trestl. Es komme natürlich zu Veränderungen im Rahmen der geplanten Flottenerneuerung. «Da kann man jetzt nicht einfach die Reisslinie ziehen.» Aber die Grössenordnung solle dieselbe bleiben.
Auch beim Personal hofft die Swiss weiterhin, ohne Entlassungen durchzukommen, wie Flugbetriebsleiter Oliver Buchhofer erklärte. Am Wochenende hatten Medien darüber berichtet, dass die Swiss eine Job-Kooperation mit den SBB prüfe. Dabei geht es darum, ob Piloten auch als Lokführer eingesetzt werden könnten.
Buchhofer bestätigte entsprechende Gespräche. «Es gibt in dieser Krise fast nichts, das wir uns nicht anschauen.» Er dämpfte aber auch entsprechende Erwartungen: Es müssten erst noch viele Fragen geklärt werden.
Eine Million Verlust pro Tag
Weiterhin verliert die Swiss rund eine Million Franken pro Tag, wie Buchhofer sagte. Zu Spitzenzeiten im April und Mai waren es rund 3 Millionen gewesen. Die Swiss ist derzeit auf Bundeshilfe angewiesen: Insgesamt hat die Schweiz 1,275 Milliarden Franken Garantien für die Airline und ihre Schwester Edelweiss beschlossen. Damit können sich die beiden Fluggesellschaften Kredite im Umfang von 1,5 Milliarden Franken bei den Banken holen.
mbü/tim/AWP