Die niedrigen Zinsen und stark steigende Schadenzahlungen fordern die deutschen Rückversicherer heraus. Kräftige Preissteigerungen auf breiter Front haben sich die Branchengrössen Munich Re und Hannover Rück dennoch abgeschminkt. Höhere Prämien blühen allenfalls den deutschen Autofahrern, auch in der Wohngebäudeversicherung halten die Hannoveraner höhere Prämien für notwendig.
Weltmarktführer Munich Re sieht die Versicherer durch explodierende Pflegekosten bedroht. Derweil erschwert die drohende Verzögerung bei den neuen Kapitalvorschriften «Solvency II» die Planung.
In der Branche tobt ein heftiger Konkurrenzkampf. Nach dem Katastrophenjahr 2011, in dem vor allem der Tsunami in Japan und die Erdbeben in Neuseeland der Versicherungsbranche Schäden in Rekordhöhe eingebrockt hatten, stehen die Rückversicherer wieder bestens da.
Zur Jahresmitte war ihr Eigenkapital nach Zahlen des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield auf den Rekordwert von 480 Milliarden US-Dollar geklettert. Dazu trug wesentlich die Bewertung älteren, höher verzinster Anleihen in den Beständen der Unternehmen bei. Für dieses Kapital gilt es nun ausreichend rentables Geschäft zu finden.
Stabile Preise 2013 erwartet
Angesichts der Konkurrenz erwartet die Munich Re bei der Vertragserneuerung zum kommenden Jahreswechsel über alle Sparten der Schaden- und Unfall-Rückversicherung hinweg lediglich weitgehend stabile Preise. Der weltweit Branchendritte Hannover Rück ist für seinen Heimatmarkt etwas optimistischer: Die Preise sollten «mindestens stabil» bleiben, sagte Vorstandsmitglied Michael Pickel.
Der Grossteil der Verträge zwischen den Rückversicherern auf der einen Seite und Erstversicherern wie Allianz und Talanx auf der anderen steht derzeit zur Neuverhandlung an. In Baden-Baden verhandeln die Geschäftspartner die Konditionen für 2013.
Die Hannover Rück rechnet für 2013 erneut mit Preissteigerungen in der Kfz-Versicherung. Im Schnitt dürften die Prämien für Kfz-Haftpflicht und -Kasko um 3,5 Prozent auf 380 Euro klettern, sagte Andreas Kelb, Zentralbereichsleiter bei der Hannover-Rück-Tochter E+S Rück. Dies wäre weniger als in diesem Jahr, als die Prämien um 4 Prozent nach oben gegangen waren. Das eigentliche Tarifniveau dürfte diesmal sogar um sieben Prozent anziehen. Dass bei den Kunden nur die Hälfte ankommt, liegt daran, dass die meisten in eine höhere Schadenfreiheitsklasse mit höherem Rabatt wechseln.
Aktienrückkauf derzeit ausgeschlossen
Die Munich Re wies unterdessen Überlegungen zu einem möglichen Aktienrückkauf zurück. «Derzeit muss man auf schwierige Situationen eingestellt sein und auch Kapital bereithalten, um Geschäftschancen nutzen zu können», sagte Vorstandsmitglied Ludger Arnoldussen etwa mit Blick auf Euro-Schuldenkrise und die Schwäche anderer Versicherer. Der Dax-Konzern hatte seinen bislang letzten Aktienrückkauf nach der Tsunami-Katastrophe in Japan 2011 ausgesetzt und bisher nicht wieder aufgenommen.
Arnoldussen sieht eine Hauptgefahr für die Branche in der Geldpolitik der grossen Zentralbanken. «Die langfristig niedrigen Zinsen werden die derzeit noch starke Kapitalbasis unserer Branche zunehmend auf die Probe stellen.» Die sinkenden Zinseinnahmen müssten Erst- und Rückversicherer durch höhere Prämien ausgleichen.
Besonders bei Personenschäden sieht Arnoldussen Handlungsbedarf. Bei schweren Personenschäden kletterten die Pflegekosten in bislang nicht einkalkulierte Höhen. Während die Verbraucherpreise pro Jahr derzeit nur um etwa 2 Prozent stiegen, schössen die Pflegekosten jährlich um mehr als 9 Prozent in die Höhe. Diese Steigerung muss ein Versicherer im Zweifel über Jahrzehnte schultern.
Viele Sprünge bei Solvency II-Debatte
Auf die erwartete Verspätung bei der Einführung der neuen Eigenkapital-Richtlinien reagieren die Rückversicherer zunehmend verärgert. «Wir brauchen einen klaren Zeitplan und klare Kriterien», sagte Munich-Re-Vorstand Arnoldussen. Er halte das Jahr 2015 als Zeitpunkt für das Inkrafttreten realistisch.
Der Chef der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa, Gabriel Bernardino, hatte hingegen zuletzt angekündigt, es könne auch 2016 werden. Bislang war 2014 geplant. «Die Solvency II-Debatte macht so viele Sprünge, da muss man für alles gewappnet sein», sagte Hannover-Rück-Manager Pickel.
(aho/tno/awp)