Heute braucht es eine nationale Fluggesellschaft nicht mehr. Das Verdikt ist hart, Richter war das Volk. Hätte vor zwei Jahren jemand prognostiziert, dass bald ein Grossteil der Schweizer und Schweizerinnen nicht mehr an die Notwendigkeit der Swiss glaubt, er wäre als Nestbeschmutzer ausgeschimpft worden. Heute ist es anders.
Nach all den Abbaumassnahmen die Swiss schrumpfte von 10000 Mitarbeitern auf 6000 und von 130 Flugzeugen auf 67 ist das Vertrauen in den Nachfolger der legendär gewordenen «Fliegenden Bank» dahin. Patriotische Verbundenheit ist wirtschaftlichem Realitätssinn gewichen. Und der zeigt: Auch ohne Swiss wird die Schweiz über den Luftweg mit der Welt vernetzt bleiben. Denn wo immer eine Restrukturierung ein Loch ins Streckennetz riss und Destinationen aufgegeben wurden, kamen sogleich andere Airlines und besetzten den Markt. Beispiele dafür gibt es zuhauf, etwa in dem unter dem Rotstift der Swiss besonders in Mitleidenschaft gezogenen Euroairport in Basel. Dort füllte der Billigflieger Easyjet vieles auf, was von der nationalen Fluggesellschaft leer zurückgelassen wurde. Dies entbehrt nicht einer gewissen Ironie, sind es doch gerade Airlines mit Tiefstkosten wie Easyjet, die der Swiss auf den Europastrecken das Leben schwer machen.
Allein von der Tatsache, dass es die Swiss für die internationale Anbindung nicht braucht, auf ihre Überflüssigkeit zu schliessen, wäre verfehlt. Denn eine nationale Airline transportiert nicht nur Menschen, sie schafft auch Identität und Sicherheit. Und sie ermöglicht Kontrolle. Die Luftfahrt eines Staates ist damit nicht dem schieren Wettbewerb ausgeliefert und kann innerhalb unternehmerischer Grundsätze auf regionale Besonderheiten Rücksicht nehmen.
Wegen des einen verbliebenen Gründungsmotivs eine marode Gesellschaft künstlich am Leben zu erhalten, wäre jedoch nicht zu rechtfertigen. Im Fall von Swiss ist es auch nicht nötig. Die Fluggesellschaft ist allen Unkenrufen zum Trotz in der Lage, sich im harten Airline-Markt zu behaupten. Das Produkt im Langstreckenbereich ist gut, die Qualität stimmt, und das Image im Ausland ist in Gold nicht aufzuwiegen. Auch das Sorgenkind der Swiss, die Europaflotte, kann rentabel betrieben werden. Dazu müssen jedoch die Strukturen angepasst und die Kosten auf das Niveau der Billigflieger gesenkt werden. Dies will das Management der Swiss nun endlich tun.
Selbstverständlich sind die Umstände wegen einengender Gesamtarbeitsverträge mit den Pilotengewerkschaften schwierig. Und ja, der Start von Swiss war eine einzige, am Markt vorbeigeplante politische Rettungsaktion. Doch sich angesichts der Vernichtung von Milliarden einzig auf den einengenden Rahmen zu berufen, hiesse die Verantwortung abschieben. Es wurden strategische Fehler begangen, auch nach dem verfehlten Start. Wenn nun die Swiss-Spitze es so aussehen lassen will, als würde das Überleben alleine vom Entgegenkommen der Angestellten abhängen, werden die Pflichten unrechtmässig nach unten delegiert.
Aus der Betrachtung der Vergangenheit sollte die Swiss-Führung eine Erkenntnis gewinnen: Nicht dieselben Fehler nochmals zu begehen. Ansonsten bringt der Blick zurück nichts. Viel wichtiger ist der Blick nach vorne und die konsequente Umsetzung einer eigentlich simplen Strategie: Die Swiss auf wettbewerbsfähige Beine zu stellen.