Sie ist die Letzte ihrer Art, und bald lebt sie nur noch auf unseren Fotos. Die Maschine HB-IWG trägt als einzige noch die Bemalung der einst so stolzen Swissair. Abgestellt zur Konservierung auf dem Wüstenparkplatz Mojave in Kalifornien, dämmert sie seit mehr als drei Jahren vor sich hin.

Die empfindlichen Triebwerke sind mit Folien zugeklebt, aber seltsamerweise zieht sich im Cockpit eine Staubschicht über die Instrumente, und Staub bedeckt auch die Sitzreihen in der Kabine – vermutlich ist der feine Wüstensand beim Lüften eingedrungen. Zwar sieht es innen aus wie in einer Rumpelkammer. Aber die wertvolle Ausstattung der Bordküchen, die speziell für Swissair entwickelten Espressomaschinen, auch die Erste-Klasse-Sitze, die internationalen Standard gesetzt haben – das alles ist noch vorhanden.

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Rolf Stuber blickt umher. Erinnerungen werden wach bei dem Swiss-Piloten, der mit dem Fotografen Markus Jegerlehner der HB-IWG einen letzten Besuch abstattet. Beide sind zu Swissair-Zeiten oft mit der «Whisky-Golf» geflogen. Diese Bezeichnung leitet sich aus den letzten beiden Buchstaben der Registriernummer ab: HB steht für Helvetischen Bund, I für Jetflugzeug, und der eigentliche Name der letzten Swissair-Maschine, WG, wird im Luftfahrt-Alphabet «Whisky-Golf» buchstabiert. «Sie war in der damaligen Flotte mein Lieblingsflugzeug», sagt Stuber. Unter den insgesamt 20 Maschinen, die Swissair vom Typ MD-11 betrieb, fand er die «Whisky-Golf» «flugtechnisch besonders angenehm». Grundsätzlich überzeugte die dreistrahlige MD-11 durch ihre Performance, also durch Reichweite, akzeptablen Spritverbrauch und Steigverhalten. Die Steuerruder mussten allerdings noch über Stahlseile vom Cockpit aus bewegt werden; bei dieser mechanischen Arbeit mit Händen und Füssen machte sich eine geglückte Abstimmung je nach Flugzeug für die Piloten besonders stark bemerkbar.

Im September 1991 wurde die HB-IWG vom Hersteller McDonnell Douglas an die Swissair übergeben. Zunächst erhielt sie den Namen «Valais/Wallis» und wurde später, zusammen mit der Schwestermaschine IWN, zur «Swissair Asia» umlackiert. China verbot Fluggesellschaften aus politischen Gründen, zugleich chinesisches Festland und Taiwan zu bedienen, deshalb gründete die Swissair, wie andere westliche Airlines auch, einen Asia-Ableger. «Swissair Asia» flog also ab April 1995 Taipeh an (mit einem Zwischenstopp in Bangkok) und auch alle anderen Langstreckenziele der Swissair, nur eben China nicht.

Knapp 300 Passagiere konnte die MD-11 transportieren, die Reichweite lag bei über 12 000 Kilometern. Der Listenpreis betrug rund 100 Millionen Dollar. Bei den Swissair-Kunden war dieser Flugzeugtyp wegen der geräumigen Kabine beliebt. Allerdings war eine MD-11 auch an der dunkelsten Stunde der Swissair beteiligt. Die HB-IWF «Vaud» stürzte am 2. September 1998 mit 229 Menschen an Bord bei Halifax ins Meer. Wahrscheinliche Ursache war ein Kabelbrand hinter der Cockpitverkleidung, der Steuersysteme lahm legte und die «Vaud» unkontrollierbar machte.

Nach dem Grounding der Swissair übernahm die Swiss zunächst die meisten Maschinen, aber das Ende war absehbar. Moderne Airbusse ersetzten Zug um Zug die betagten Trijets; die «Whisky-Golf» wurde am 14. Mai 2002 in der Mojave-Wüste geparkt. Ein Jahr zuvor hatte der Boeing-Konzern, der McDonnell Douglas mittlerweile übernommen hatte, die Produktion der MD-11 mangels Nachfrage eingestellt. An die 200 Exemplare dieses Typs sind nun also auf dem Gebrauchtflugzeugmarkt, und sie sind begehrt als Frachtmaschinen. Cargo-Fluggesellschaften können oder wollen sich meist keine fabrikneuen Flieger leisten – ausser sie heissen Emirates und unter ihren Füssen blubbert das Erdöl. Eine gebrauchte MD-11 kostet inklusive Umbau zum Frachter zwischen 40 und 80 Millionen Dollar, danach ist die Maschine wie neu.

Die letzte Swissair-MD-11 dürfte im Preis am unteren Ende dieser Spanne liegen. Sie gehörte nicht der Swissair selbst, sondern einer Leasinggesellschaft und wird künftig vom Logistikkonzern UPS betrieben. Die Paketboten haben am letzten Donnerstag im Juli die Maschine abgeholt und nach Roswell, New Mexico, übergeführt. Bereits für den Flug dorthin wurde die Kennung HB-IWG getilgt und überpinselt. In Roswell zieht UPS zahlreiche Flieger zusammen, entrümpelt und bereitet sie vor für den Flug nach Singapur. Dort, bei Sasco, werden die MD-11 zu Frachtern umgebaut. Insgesamt elf Ex-Swissair-Trijets hat UPS gekauft. Falls sie irgendwann sogar für UPS zu alt werden, können sie sich ihr Gnadenbrot in Südamerika verdienen. Dort sind noch heute Douglas DC-3 als Frachter im Einsatz; dieses Modell hatte seinen Erstflug vor dem Zweiten Weltkrieg. Der ehemaligen HB-IWG könnte also noch ein langes Leben bevorstehen – mit ihrem Namen allerdings sind auch die Farben der Swissair für immer verschwunden. Künftig wird das Heckleitwerk vom erdigen UPS-Braun überzogen sein.