Vor rund zwei Wochen hat Swisscom das neue Produkt TV 2.0 vorgestellt, das den Fernsehkonsum grundlegend verändert. Wie ordnen Sie die Entwicklung ein?
Andreas Toscan*:
Im Falle des neuen Swisscom-Angebots haben wir einen regelrechten Quantensprung gesehen. Cloudbasiertes Fernsehen ist in dieser Form weltweit einzigartig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Cablecom praktisch zeitgleich das Ende von analogem TV angekündigt hat – entsprechend gibt es dort Platz für den Ausbau bestehender digitaler Dienste oder sogar neue Produkte.

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Heisst konkret?
Cablecom hat nun sicherlich die Möglichkeit, die Bandbreite im Kabelnetz auszubauen. Und was ebenfalls kommen wird, ist ein Fernsehangebot auf IPTV-Basis – also analog zur Swisscom-Technologie.

Welches sind denn die Vorteile von IPTV?
Bei internetbasiertem TV geht nur dasjenige Signal zum Endkunden, das dieser gerade auch schauen will. Für den Anbieter bedeutet dies, dass er quasi eine unbeschränkte Anzahl Sender aufschalten kann.

Mit diesen Neuerungen ist der Konsument nicht mehr an das Live-Programm gebunden.
Richtig. Das lineare Fernsehen, wie wir es bisher gekannt haben, wird es über kurz oder lang nicht mehr geben. On Demand oder Replay sind die aktuellen Themen. Ich schaue dann fern, wenn ich Zeit habe – und nicht dann, wenn eine Sendung ausgestrahlt wird.

Das kann zum Problem für die Sender werden.
Ja, vor allem bei Privatsendern, die über die Werbung finanziert sind. Dank Replay kann ich Werbung überspringen.

Und ich brauche streng genommen gar keine Live-TV-Produktionen.
Richtig. Ein Sterben klassischer TV-Sender ist denkbar. HbbTV ist in diesem Zusammenhang zu nennen: Sender machen ihr Angebot über eine Mediathek oder via App jederzeit zugänglich.

Das HbbTV-Angebot ist bei Swisscom TV noch nicht erhältlich, weil…
… die Sender noch keinen einheitlichen Standard bieten – es sich also um ein technisches Problem handelt.

Technologie spaltet seit jeher die Nation: Freaks wollen möglichst alles – gleichzeitig muss ein Produkt aber massentauglich bleiben. Wäre heute also grundsätzlich schon viel mehr möglich?
Die Einschränkungen sind nicht primär technischer Natur, sondern kommen in erster Linie von den Rechteinhabern. Nach wie vor ist für diverse Programme Replay nicht möglich – beispielsweise Teleclub oder das ganze Angebot der Premium-Sender. Es sind die Rechteinhaber respektive Studios, die das untersagen – und nicht etwa Swisscom oder Cablecom, die es unterbinden.

In der Cloud wird mein Konsum offengelegt. Das wird Kritiker auf den Plan rufen.
Die indiviudell generierten Programmvorschläge bei Swisscom TV 2.0 kann ich abschalten. Dass der Konsum erfasst wird, ist bei Swisscom schon länger der Fall. Beim klassischen Digital-Fernsehen ist das nicht möglich.

Stossen wir beim Fernsehen in der Cloud nicht irgendwann an Leistungsgrenzen?
Ja. Aber diese werden nicht von der Grösse der Server vorgegeben, sondern bei der Leistung der Datenleitungen. Entsprechend startet Swisscom das Angebot auch schrittweise: Zuerst werden Early Adopters angesprochen, von denen zusätzlich noch eine Gebühr von 99 Franken verlangt wird. Der komplette Umstieg in die Cloud wird über zwei, drei Jahre hinweg erfolgen. Nur so können die Performance und die Ressourcen der Netzwerke auch kontinuierlich angepasst werden.

Swisscom, Cablecom, Quickline, Sunrise, dazu kleinere Anbieter von TV-Services: Wer hat die Nase vorn?
Ganz klar die Swisscom. Es ist der einzige Anbieter, der schweizweit aktiv sein kann. Alle anderen Kabelnetzbetreiber spielen lokal und bieten kein einheitliches Produkt.

Für Swisscom spricht also das Monopol.
(überlegt lange) Monopol ist ein böses Wort. (lacht) Nein. Ich bezeichne es definitiv nicht als Monopol. Die Kabelnetzbetreiber müssten lediglich zusammenspannen und für alle Konsumenten eine einheitliche Box, ein einheitliches Produkt anbieten. Eine Strömung notabene, die es – siehe Beispiel der Finecom, die diverse Kabelnetzbetreiber aufkauft – gibt.

Seit 12 Jahren gibt es «digi-tv.ch»: An wen richtet sich das Angebot?
Als wir anfingen, war digitales Fernsehen noch weitgehend unbekannt. Heute sind wir die grösste Plattform zu diesem Thema – es diskutieren Freaks mit Einsteigern.

Häufig gehörte respektive gelesene Wünsche in den Diskussionen auf der Plattform sind?
4K, also Ultra-HD. Stand heute gibt es aber noch fast keinen Inhalt dafür – entsprechend werden sich die Provider mit Investitionen zurückhalten. Bei Swisscom könnte es 2015 ein ernsthaftes Thema werden. Weitere häufig gehörte Wünsche sind Replay auf möglichst allen Sendern – und die weltweite Empfangbarkeit von Schweizer Live-TV-Angeboten. Auch das wieder eine Rechtefrage…

… wie auch Serien, wo die Schweiz beispielsweise Deutschland – siehe Angebote auf Apple TV – hinterherhinkt.
Ja. Ein Serien-Store wird aber kommen. Ich rechne bei Swisscom noch im laufenden Jahr damit.

*Andreas Toscan ist CEO der Swissforums AG in Solothurn. Die Digital-TV-Plattform «digi-tv.ch» verzeichnet 65'000 Leser pro Monat und hat knapp 6500 registrierte Mitglieder.