Und sie wächst doch. Mit nahezu 10 Mio Kundinnen und Kunden in der Schweiz hat Swisscom einen Rekordstand erreicht. Zwei Drittel aller Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse sind beim blauen Riesen angemeldet. Sogar beim schnellen Internet surft jeder zweite Haushalt auf Leitungen des ehemaligen Staatsbetriebs. Besonders bemerkenswert: Obwohl Konkurrentin Cablecom noch vor Swisscom Breitbanddienste angeboten hatte, sank der Marktanteil der Kabelnetzbetreiberin seit 2004 kontinuierlich auf heute 20% (siehe Grafik).
Diese Dominanz des Ex-Monopolisten ist europaweit einzigartig - und sorgt im Markt für Unmut. «Wenn das so weitergeht, landen wir wieder bei den PTT», macht Sunrise-Chef Christoph Brand seinem Ärger Luft. Der frühere Chefstratege der Swisscom hat für deren faktische Alleinherrschaft kein ¬Verständnis. Ebensowenig wie Orange-CEO Andreas Wetter und Cablecom-Chef Rudolf Fischer.
*Das Spiel mit den Muskeln*
Swisscom, so die einhellige Meinung, verfüge dank ihrer Dominanz über beinahe unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten. Diese Muskeln lässt der Konzern auch spielen. «Im Wettbewerb um Kunden geht Swisscom seit einigen Monaten sehr aggressiv vor», klagt etwa Rudolf Fischer. Verständlich, hat Swisscom doch den Druck auf Konkurrentin Cablecom massiv erhöht. So stockte sie alleine die Werbeausgaben für ihre Tochter Bluewin, über die das eigene Fernsehen wie auch Breitbandinternet vertrieben werden, in den ersten sechs Monaten 2007 um fast das Doppelte auf 16 Mio Fr. auf. Über das ganze Jahr betrachtet gibt Swisscom mit 80 Mio Fr. deutlich mehr für die Werbung aus als all ihre Konkurrenten zusammen.
«Da der Zusammenhang zwischen verstärkten Werbeaktivitäten und Marktanteilsgewinnen gegeben ist», wie Cablecom-Sprecher Hans-Peter Nehmer betont, wird Swisscom in der Branche vorgeworfen, den Markt zu kaufen. Dagegen wehrt sich Swisscom-Sprecher Sepp Huber: «Das ist Blödsinn. Werbung ist nur ein Teil des Marketingmix.» Zudem investiere man weniger in Werbung, «als dies dem Marktanteil entsprechen würde». Entscheidend für den Kundenzuwachs seien die Angebotsqualität und das Image.
*«Es fehlt an Mut und Wille»*
Die Wettbewerber teilen diese Einschätzung insofern, als die Angebotsqualität der Nummer eins wirklich einzigartig sei. Dies sei jedoch auch kein Wunder: «Im Schutz des Monopols», kritisiert Orange-Chef Andreas Wetter, «konnte der Infrastruktur-Aufbau mit Steuergeldern und massiv überhöhten Gebühren finanziert werden.» In der Schweiz fehle «jeglicher politische Wille und Mut im Parlament, die Liberalisierung des Schweizer Telekommarktes konsequent umzusetzen».
Diesem harten Verdikt stimmen Tele2 wie Sunrise zu. Letztere geht sogar noch weiter: «Die Liberalisierung droht im schlimmsten Fall zu scheitern», skizziert Christoph Brand. Als Beweis für seine These führt er an, dass Swisscom zehn Jahre nach ihrem Startschuss noch immer 92% der Anschlüsse besitze und in sämtlichen Bereichen das Geschäft dominiere. Deshalb fordert Brand: «Es braucht klare Entscheide der Wettbewerbskommission, die der wirtschaftlichen Realität einer wachsenden Swisscom Rechnung tragen.»
*Vorsprung ist nicht aufholbar*
Selbst Swisscom-Kaderleute geben - selbstverständlich hinter vorgehaltener Hand - zu, dass die Liberalisierung in der Schweiz zu spät erfolgt sei. Das zeitigt heute ebenso Folgen wie die zögerliche Umsetzung, etwa bei der Entbündelung der Letzten Meile.
Das Resultat ist ein für die Herausforderer nicht aufholbarer Vorsprung des Ex-Monopolisten und für die Konsumenten höhere Preise als im Ausland. Dafür aber eine Infrastrukturdichte und -qualität, die wohl einmalig ist.