Die Schweiz und Schweden werden in Übersee nicht selten verwechselt. Beim Blick auf die aktuelle Entwicklung im Golf beispielsweise wären sie eigentlich unverwechselbar. Das 14-Mio-Volk im Norden mit schier unbeschränkten Landreserven und über 400 Golfplätzen ist längst die führende Golfnation Kontinentaleuropas. Ein halbes Dutzend Schweden, im Augenblick angeführt von neueren Namen wie Fredrik Jacobson und Carl Pettersson, hat sich auf der äusserst lukrativen US-PGA-Tour in Übersee etabliert, über 20 weitere tummeln sich in der PGA-European-Tour.
Die vor über 20 Jahren an die Hand genommene konsequente Förderung zahlte sich vor allem in den 90er Jahren aus, als immer wieder neue -ssons, -qvists, -bergs und -lunds auftauchten. Derzeit sprudelt die Quelle nicht mehr ganz so reichlich.
In ihrem engen Korsett von 44000 Quadratkilometer wird die Schweiz niemals Schwedens Weg gehen können. Mit mittlerweile 86 angeschlossenen Klubs nähert sich der Schweizerische Golfverband (ASG) allmählich dem Grenzwert, der bei 100, vielleicht bei 110 oder 120 liegen dürfte.
Im Segment Profi-Golfsport stimmt das Verhältnis im schweizerisch-schwedischen Vergleich dennoch bei weitem nicht. Zweieinhalb Jahre nach dem Rücktritt des Aushängeschilds Paolo Quirici ist der erstaunliche 22-jährige Genfer Julien Clément in seiner zweiten Saison als Profi der einzige Schweizer auf der Europa-PGA-Tour. In der zweiten Reihe stehen André Bossert und Alexandre Chopard, beide mit vollem Startrecht in der zweiten Liga, der Challenge-Tour. Der Zürcher strebt mit 40 Jahren nach wie vor die Rückkehr auf den ersten Circuit an, der Neuenburger hat mit 27 Jahren erst seine vierte Saison als Profi in Angriff genommen und darf als Hoffnung bezeichnet werden.
Ein Spieler auf der Europa-PGA-Tour, zwei auf der Challenge-Tour glücklicherweise gibt es seit 2002 für den etwas breiteren Sockel der kleinen Pyramide noch eine dritte Tour: Die Alps-Tour. Sie ist gleichsam das Sprungbrett zum Sprungbrett. Vergangene Saison hat Alexandre Chopard dank konstant guten Leistungen den Sprung von der Alps-Tour auf die Challenge-Tour geschafft, von wo aus er nun ganz nach oben zu springen versucht.
Die Credit Suisse hält den Athleten die Treue
Die ausserordentlichen Startmöglichkeiten (Wildcards) für Schweizer Profis auf der Challenge-Tour sind stark zurückgegangen, weil seit 2003 kein Schweizer Turnier mehr im regulären Challenge-Tour-Kalender figuriert. Die AlpsTour, zu der auch das Mémorial Olivier Barras in Crans-Montana (18.20. Juni 2004) und das Open de Neuchâtel (2.4. Juli 2004) zählen, ist umso wichtiger geworden. Auf ihr messen sich auch jene vier Profis, die 2004 nebst Clément und Chopard SwissGolf, dem Förderungsprogramm der Swiss Golf Foundation (SGF), angehören: Marc Chatelain (Flims), Ronnie Zimmermann (Heiligenschwendi BE), Franco Casellini (Chur) und Raphaël de Sousa (Cologny GE). Die SGF deckt die Spesen der SwissGolf-Spieler zu einem Teil ab, zudem dürfen die sechs Profis am Ende der Saison den 50000 Fr. enthaltenden Bonus-Pool von Hauptsponsor und Partner Credit Suisse untereinander aufteilen. André Bossert ist seit 2003 nicht mehr im SwissGolf-Programm.
Hinter Clément sorgt Raphaël de Sousa für weiteren Druck
Ein grosser Hoffnungsträger ist Raphaël de Sousa. Bevor er Ende Oktober 2003 ins Lager der Profis wechselte, war der 20-jährige Genfer in den Final der British Amateur Championships vorgestossen. Hätte er auch die letzte Matchplay-Partie noch gewonnen, so hätte De Sousa kürzlich als erster Schweizer am US Masters in Augusta, dem prestigeträchtigsten Golfturnier der Welt, mitspielen können. In der noch jungen Alps-Tour-Saison 2004 erreichte De Sousa Ende März einen 4. Platz in Marokko. Ronnie Zimmermann wurde nur eine Woche später an einem weiteren Turnier in Marokko Zweiter.
Auf Jahre hinaus sind die Aussichten für den Berufsstand der einheimischen Golfer nicht schlecht, zumal einige junge, hoffnungsvolle Amateure nachdrängen, die wild entschlossen sind, mit aller Konsequenz in eine Profi-Karriere zu steigen. Zu ihnen zählen der Schwyzer Tino Weiss und der Bündner Claudio Blaesi.
Alexandre Chopard: Zuerst will er kleine Brötchen backen
Turniersiege von Schweizer Golfprofis im internationalen Vergleich sind nicht allzu häufig. Zwei davon errang Alexandre Chopard letztes Jahr auf der Alps-Tour, der dritten Liga im europäischen Berufsgolf. Die Erfolge in Haugschlag (Österreich) Mitte Juni und in Asolo bei Venedig Mitte September 2003 sowie sechs weitere Top-10-Platzierungen trugen dem 27-jährigen Neuenburger den 2. Schlussrang der Alps-Tour ein und damit den Aufstieg in die Challenge-Tour, auf die zweite Stufe.
Am European Masters in Crans-Montana sorgte Chopard für Aufsehen, indem er im hochwertigen Teilnehmerfeld als einziger Schweizer den Cut für die beiden Finalrunden schaffte.
Dass es nicht einfach ist, an die Preisgeld-Honigtöpfe der höheren Tours heranzukommen, musste Chopard im Februar und März dieses Jahres an den ersten drei Challenge-Tour-Anlässen in Zentralamerika erfahren: In Guatemala wie auch in Costa Rica und Panama verpasste der gebürtige Chaux-de-Fonnier den Cut und belegte die Ränge 81, 88 und 70. Nicht nur aufgrund dieser ernüchternden Ergebnisse will Chopard einstweilen kleine Brötchen backen. «Ich muss realistisch bleiben», sagt er. «Ich stehe am Anfang meiner vierten Saison als Profi. Mein Ziel ist es, mich in den ersten 80 der Challenge-Tour zu behaupten.» Damit würde er die Challenge-Tour-Karte für die nächste Saison bestätigen und könnte den Weg der kleinen Schritte weitergehen.
Den ganzen Winter hindurch legte Chopard mit Training und kleineren Wettkämpfen in Florida eine Basis, die ihn für das ganze Jahr zuversichtlich stimmt: «Der Hauptteil der Challenge-Tour kommt noch. Ich bin noch nicht auf meinem Topniveau angelangt.» Unter der Sonne Floridas konnte er auch eine Zeit lang mit seinem Trainer und Neuenburger Kumpel Dimitri Bieri arbeiten. Bieri, einst selber ein Tourspieler, unterrichtet als Golflehrer in Vuissens FR. Er ist Chopards wichtigste Bezugsperson auf dem beschwerlichen Weg nach oben.