Der Mischkonzern HNA ist mit mehr als 400'000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 100 Milliarden Dollar eine der grössten Firmen Chinas. In den letzten Jahren sorgte HNA mit einer ausgiebigen Shoppingtour durch Europa und Nordamerika für Aufsehen. Zu den zusammengekauften Firmen gehört auch ein wichtiger Teil des Nachlasses der ehemaligen Swissair.
In der Schweiz hat HNA die Ex-Swissair-Töchter Swissport, SR Technics und Gategroup gekauft, zudem gibt es Beteiligungen an Dufry und HG Storage International. Weltweit haben sich die Chinesen alleine in den letzten zwei Jahren an 67 Firmen beteiligt oder sie gleich ganz gekauft. Rund 40 Milliarden Dollar hat HNA laut «NZZ am Sonntag» dafür ausgegeben. So ist HNA unter anderem Aktionär der Deutschen Bank (9,9 Prozent) und der Hilton Hotelgruppe (25 Prozent), sowie Besitzer des US-Elektronikgrosshändlers Ingram Micro.
Geld oder Struktur
Inzwischen aber wächst sowohl in China als auch international die Skepsis über die Nachhaltigkeit der Expansion. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Während sich die chinesische Regierung vor allem um die grossen Kapitalabflüsse aus dem Land sorgt – und diesen einen Riegel schieben will – steht im Westen die Frage nach der undurchsichtigen Konzernstruktur im Vordergrund.
Im Juli wurde bekannt, dass die chinesische Regierung HNA und weitere Firmen als «irrationale Käufer» einstuft. Einheimische Banken sollten deshalb keine Gelder für Firmenkäufe im Ausland mehr gewähren. Zudem berichteten Medien, dass auch wichtige Wall-Street-Banken die Zusammenarbeit mit HNA überdenken würden.
Stockende Übernahmen
HNA widerspricht dieser Darstellung: Man unterhalte weiterhin enge Beziehungen zu Banken wie JP Morgan, UBS und Morgan Stanley, so Chef Adam Tan gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Einzig die Bank of America Merrill Lynch mache keine Geschäfte mehr mit HNA. Die Überprüfung der chinesischen Regulatoren bezeichnete Tan als «Routine».
Dennoch ist die Strategie der weltweiten Übernahmen zuletzt ins Stocken geraten. Laut Insidern liegen die Käufe der Londoner International Currency Exchange (ICE) und das Pflichtangebot für die schwedische Hotelkette Rezidor wegen fehlender Genehmigungen aus China zur Zeit auf Eis, wie Reuters berichtete.
Anfang Juni hat Tan die Einkaufstour in einem Interview mit der BBC verteidigt. «Wir fokussieren uns auf drei Themen: Aviatik, Logistik und Finanzdienstleistungen.» Damit wolle man die gesamte Wertschöpfungskette des chinesischen Auslandstourismus abdecken, so Tan. «Wenn Leute reisen brauchen sie Hotels, Flüge, Flughafen und Geld.»
New Yorker Stiftung als Besitzerin
Doch wer steckt hinter HNA? Dieser Frage ist der Konzern lange ausgewichen. Erst kürzlich gab die Gruppe bekannt, dass 52 Prozent der Aktien von zwei Stiftungen gehalten werden. Diese tragen den Namen Hainan Cihang und sind in China und New York domiziliert. Recherchen des «Wall Street Journal» ergaben indes, dass die Stiftung in New York erst im Dezember 2016 gegründet wurde und noch ohne Stiftungszweck ist.
Der Rest der Aktien ist im Besitz der Gründer und des Topmanagements. Diese Anteile sollen sukzessive in die Stiftungen überführt werden. Der zuvor grösste Aktionär, ein Mann namens Jun Guan, ist plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Guan habe die Aktien lediglich für HNA gehalten, so Tan und diese nun der Stiftung überschrieben. Was das genau bedeutet, bleibt jedoch unklar.
Kredite besorgen
Unklarheit herrscht auch über die Schulden von HNA. Tan zeigte sich gegenüber der BBC zufrieden, dass der Konzern seine Verschuldungsquote in den letzten Jahren auf 57,5 Prozent des Gesamtkapitals gedrückt habe. Doch laut «South China Morning Post» hat HNA seine Einkaufstour finanziert, indem Aktien von Tochterfirmen wie Swissport als Pfand für Kredite hinterlegt wurden. Aktien von 15 Firmen im Wert von mindestens 24 Milliarden Dollar seien so gebunden, schreibt die Zeitung.
Die Verpfändung von Aktien ist an sich nicht ungewöhnlich. Doch der Umfang und die Komplexität von HNAs Kreditaufnahmen sei «ein bisschen besorgniserregend», sagt Analystin Carol Yuan vom Vermögensverwalter Aberdeen. «Deshalb haben wir diese Gruppe nie angerührt.» Laut «Finanz und Wirtschaft» führte die Methode bei Swissport in der Schweiz zum Bruch bestimmter Kreditbestimmungen.
EZB will genauer hinschauen
Inzwischen erwägt auch die Europäische Zentralbank (EZB) eine Überprüfung der beiden Deutsche-Bank-Anteilseigner HNA und Katar. Dabei geht es um die Frage, ob die Investoren zahlungsfähig und vertrauenswürdig sind. Auf die Ergebnisse einer allfälligen Untersuchung darf man auch aus Schweizer Sicht gespannt sein. Laut Tan hat die EZB bisher aber noch nicht mit HNA gesprochen.