Hansjörg Wyss beweist Ausdauer, wo immer er kann. Sei es, dass er jährlich mehrere Langlaufmarathons bestreitet, durch den Grand Canyon klettert oder dass er vier Jahre lang mit der Ärzte-Stiftung AO neue Verträge auspokert. Anfang März konnte der 70-Jährige dann den Abschluss des Tauziehens bekannt geben: Für eine Milliarde Franken kauft der Synthes-Chef und -Mehrheitsbesitzer (54 Prozent) der AO ihre 3500 Produktlizenzen einschliesslich des Markennamens ab.

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Ausdauer zeigt er aber auch, wenn es darum geht, seine langjährige Feindschaft mit Maurice Müller zu pflegen. Erst kürzlich leisteten sich die beiden gebürtigen Berner in einer langen Serie von Schlagabtauschen den vermeintlich letzten Höhepunkt, als Wyss 2005 seine 20-Millionen-Spende für die Abteilung Gegenwartskunst des Kunstmuseums Bern von einer Auflage abhängig machte: Das Kunstmuseum dürfe nicht mit dem Paul-Klee-Museum fusionieren, andernfalls gebe es keinen Rappen. Dieses nämlich wird von seinem Widersacher Maurice Müller finanziert.

Nun holt Müller zum Gegenschlag aus – gekonnt, präzise, via Mittelsmann. Der heisst Urs Würgler und ist immerhin Rektor der Universität Bern. Er stellte in Interviews die gesamten Verträge zwischen der Synthes und der AO in Frage: «Die AO verkauft etwas, was ihr vermutlich gar nicht oder nicht ganz gehört. Wir wollen klarstellen, welches unser geistiges Eigentum ist, welches nicht und ob wir dafür ausreichend entschädigt werden.»

Der Hintergrund der Attacke: Das Institut für Biomechanik und spätere Orthopädische Forschungszentrum der Universität Bern wurde 1981 von Maurice Müller gegründet. Bis vor zwei Jahren finanzierte er das Institut mit nicht weniger als 50 Millionen Franken aus seiner Privatschatulle.

Müller wirft Wyss vor, er sei auf Kosten der AO reich geworden, jener AO, die Müller vor rund 50 Jahren als gemeinnützige Stiftung gegründet hatte, zur Forschung und Schulung im Traumabereich. «Der Kaufpreis ist auf Grund einer ‹fairness opinion› durch die Credit Suisse zu Stande gekommen, die von Synthes in Auftrag gegeben wurde», moniert ein Mediziner. Wo gibt es denn so was?

Nun mobilisiert Müller gegen diesen «Ausverkauf», wie er es nennt: Alle renommierten Ärzte der AO stellen weltweit ihre Leistungen für die Stiftung (wie Ausbildung oder Forschung) mehr oder weniger nur gegen eine Aufwandsentschädigung zur Verfügung. Wyss hat es hingegen durch die exklusive Zusammenarbeit mit der AO innert 30 Jahren zu einem Vermögen von geschätzten neun bis zehn Milliarden Franken gebracht.

Auch der neue Vertrag ist eine finanzielle Glanzleistung von Wyss. So konnte er sich nicht nur die exklusive Zusammenarbeit mit der AO bis ins Jahr 2016 sichern, sondern besitzt nun auch deren Patentrechte. Bislang war Synthes gezwungen, die selbst entwickelten Patente von der AO-Stiftung lizenzieren zu lassen und dafür Lizenzgebühren an die AO zu bezahlen.

Anfang der neunziger Jahre war dies noch kein Problem für Wyss. Damals stammten rund 80 Prozent der Patente aus der Schmiede der Davoser AO, 20 Prozent von Synthes. Heute hat Synthes die AO forschungstechnisch überholt, und das Verhältnis ist umgekehrt, wie selbst Synthes-kritische Orthopäden zugeben müssen. Allein letztes Jahr überwies Synthes 73 Millionen Dollar für die Patentrechte an AO. Also schlug Wyss vor vier Jahren auf den Tisch und verlangte eine Änderung der Verträge.

Die hat er nun, und damit den Fünfer und das Weggli: Zum einen besitzt er die Patente, zum anderen stehen ihm mit der AO auch gleich die Abnehmer seiner Produkte zur Verfügung: Rund 5000 Ärzte, Assistenten und Pflegepersonen wurden in den Kursen in Davos mit Synthes- Produkten ausgebildet. Immerhin waren sich die Vertreter der AO dieses Assets bewusst, lassen sie sich doch künftig ihre Ausbildungstätigkeit mit rund 50 Millionen Franken pro Jahr sponsern. Peanuts für Synthes und daher für das Unternehmen nicht mal der Kommunikation wert.

Einzig: Ganz unter Dach und Fach ist der Vertrag mit der AO noch nicht. Denn zum einen sitzt Wyss das deutsche Bundeskartellamt im Nacken. Es ermittelt seit längerer Zeit, ob Synthes eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Im April schickt Wyss deshalb eine hochrangige Delegation von Synthes-Leuten nach Bonn, um bei den Beamten für gute Stimmung zu werben. Zudem steht vom 15. bis 18. Juni das Trustee Meeting der AO an. Waren in den Verhandlungen auf Seiten der AO rund um VR-Präsident Markus Rauh nur eine Hand voll Ärzte und ein Jurist beteiligt, muss dort 90 delegierten Ärzten der Vorteil des Vertrags plausibel gemacht werden. Zwar hatte das Verhandlungsteam rund um Rauh die statutarische Befugnis, über die Zukunft der Stiftung zu entscheiden. Doch Müller wird bis zum Meeting weiterhin Stimmung gegen den Vertrag machen.

Einige Ärzte in Bern und London ziehen bereits mit. Die meisten haben jedoch Angst vor Repressalien, wie sie gegenüber BILANZ beteuern, und ziehen es daher bislang vor, sich bedeckt zu halten. Ob Müller mit seinem Aufstand durchkommt, ist fraglich.