Liebe Leserinnen und Leser
Wenn das US-Wirtschaftsmagazin «Business Week» alljährlich – zum vierten Mal im August 2004 – in Zusammenarbeit mit Interbrand ihr Ranking über die top 100 der wertvollsten Marken der Welt veröffentlicht, ist das Resultat beeindruckend: Werte von über einer Billion, mehr als tausend Milliarden Dollar also, kommen da zusammen. Das zeigt, welch überragende Bedeutung dem Branding heute zukommt, welch einzigartigen Beitrag zur Steigerung des Unternehmenswertes Marken zu leisten vermögen. «Wenn wir Firmen kaufen», sagt folgerichtig Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe, «kaufen wir nicht Fabriken und Technologien, sondern Marken» (siehe Artikel zum Thema «Schweizer Marken: Starke Marken werden immer wichtiger»). Und eine weitere Erkenntnis haben die Rechercheure von «Business Week» bei ihrem letzten Ranking gewonnen: «Consumers are changing how they view and even relate to brands. They remain purchasers of products, true, but through the power of Internet and as a result of cultural and demographic shifts, many consumers now actively form larger communities around their favourite brands. Creating these new sense of belonging is what the most successful marketers are striving for. And those that have succeeded become ‹Cult Brands›.»
Kultmarken also sind jene Superbrands, die dem Konsumenten mehr geben als ein qualitativ hoch stehendes Produkt. Sie geben Heimat, Zugehörigkeit und im besten Fall eine Gemeinschaft Gleichgesinnter – für einen Marketingfachmann das höchste der Gefühle. Interessant ist, dass in den USA, dem Land des Marketings, es insbesondere relativ junge Marken sind, die dieses Kriterium erfüllen. Solche, die noch in den hinteren Rängen des Rankings zu finden sind, aber anscheinend unaufhaltsam nach vorne drängen, wie Apple, Ebay, Amazon. Den Kultmarken gehört die Zukunft.
Gibt es solche in der Schweiz? BILANZ hat erstmals zusammen mit Interbrand Zintzmeyer & Lux nach den gleichen Kriterien ein Ranking der top 50 erstellt. Die erste gute Nachricht: Die 50 wertvollsten Marken der Schweiz bringen immerhin rund 100 Milliarden Franken auf die Waage. Die zweite gute Nachricht: An prominenter Stelle finden sich viele relativ junge Marken wie Novartis (Platz 2), UBS (3), ABB (12), Adecco (13), Holcim (19). Wer hätte darauf gewettet, dass wenige Jahre nach der Fusion von Ciba und Sandoz der unbekannte Nachfolgebrand dieser eingeführten Labels knapp zehn Milliarden Franken schwer sein würde? Oder ABB: Eine konsequente One-Brand-Strategie zahlt sich aus und hilft, Krisen ohne Substanzverlust bei der Marke zu überstehen. Nun die weniger gute Nachricht: Die Topmarken in der Schweiz stammen praktisch ausschliesslich aus den traditionellen Branchen des Landes, aus jenen Bereichen also, die man während des Dotcom-Hype despektierlich Old Economy nannte. Wenn die Analyse unserer amerikanischen Kollegen von «Business Week» zutrifft, sieht es bezüglich Kultmarken im amerikanischen Sinne hier zu Lande jedenfalls eher trist aus. Wir haben Kambly, Rivella, Ricola, aber keine Apples oder Ebays. Zufall oder Ausdruck eines tiefer liegenden Malaise, wie das Henri B. Meier, ehemaliger Roche-VR und heutiger Risikokapitalgeber, in unserer Rubrik «Hier schreibt der Chef» analysiert? Die Schweiz verfüge über zu wenig Risikokapital, schreibt er, ein entscheidender Grund für unsere anhaltende Wachstumsschwäche. Und weiter: «Geht man den Faktoren des US-Wachstums nach, finden sich dort als die wichtigsten Wachstumsmotoren Gesellschaften wie Microsoft, Cisco, Google» (siehe Artikel zum Thema «Hier schreibt der Chef Henri B. Meier, HBM BioVentures: Ohne Risikokapital kein Wachstum»). Zufall, dass diese das Zeug zur Kultmarke haben?
Natürlich haben wir die Gelegenheit beim Schopf gepackt und von den Spezialisten auch unsere Marke bewerten lassen. Das Resultat: Der Brand BILANZ ist zwölf Millionen Franken wert. Noch nicht ganz eine Kultmarke. Aber wir bleiben dran.