Liebe Leserinnen und Leser

And the winner is Hansueli Loosli. Das Jahr war erst wenige Tage alt, als der Coop-Chef am 3. Januar zum Unternehmer des Jahres gewählt wurde. Fast etwas verloren wirkte er unter all den Prominenten, die an diesem Tag neben ihm in die Kränze kamen: Micheline Calmy-Rey, die mit Charme und Eigenwilligkeit öffentliche Diplomatie betreibt. Roger Federer, der mit seiner Bubenhaftigkeit die Herzen der Schwiegermütter entflammen lässt. Oder auch DJ BoBo, dessen «Chihuahua»-Ohrwurm zum Schweizer Exportschlager 2003 avanciert ist. Und Loosli? Er ist Detailhändler und steht mit seiner unaufgeregten Bodenständigkeit möglicherweise für einen Paradigmawechsel in den Schweizer Teppichetagen: Nach den «Anything goes»-Managern haben nun die «Jeder Franken muss verdient sein»-Wirtschaftsführer Oberwasser. Darum ist Looslis Wahl das richtige Zeichen.

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5. Januar: Es mag Zufall sein, dass diese beiden Texte am gleichen Tag auf der Redaktion eintreffen: die Recherche von Peter Hossli, unserem Mitarbeiter in den USA, und der Essay von Hans J. Bär, dem Doyen der helvetischen Privatbankiers. Peter Hossli beschreibt den Fall von Hanspeter Walder, einem ehemaligen Bankier der UBS, der seine Kunden über Jahre um 75 Millionen erleichterte und die Dollars in ein Schloss investierte, das selbst von Topmanagern der geschädigten Bank frequentiert wurde – freilich ohne Wissen um Walders kriminelle Machenschaften. Bär macht sich in seiner Autobiografie Gedanken über ethisches Verhalten in der Wirtschaft und kommt zur Überzeugung, dass es damit nicht sehr weit her sein kann: «Vielleicht wird gar nicht einmal so viel mehr gestohlen als früher», notiert Bär, «aber es fehlt einfach die Anmut.» Mit Blick auf Walders Story lässt sich hinzufügen: Das ist auch kein Wunder, wenn offensichtlich wird, wie leicht sich Kontrollmechanismen selbst bei einer Grossbank aus den Angeln heben lassen. Dass Kreditbegehren über Jahre praktisch blind unterschrieben worden sind, führt zur Erkenntnis: Es fehlt einfach die Kontrolle.

16. Januar: Wo Macht ausgeübt wird, ist Machtmissbrauch nicht fern. Wo Macht Opfer fordert, sind die Folgen bisweilen traumatisch. Ich treffe die Partnerin eines Topmanagers, der nach einem Machtkampf seinen Job verloren hat. Sie spricht anonym. Nicht weil sie nicht zu ihren Aussagen stehen würde. Sondern weil der Fall juristisch nicht endgültig abgeschlossen ist. Das Gespräch ist aufschlussreich. Es macht bewusst, dass jeder Topmanager gut daran täte, einen Teil seiner Energien in ein familiäres und privates Umfeld zu stecken. Gewissermassen im Sinne einer Risikoverteilung. Den Job verlieren kann heute jeder, und dass viele potenziell gefährdet sind, zeigt unsere Cover-Story. Überstehen kann eine derartige Situation nur, wer über ein stabiles soziales Netz verfügt.

20. Januar: Eine Pressemitteilung flattert ins Haus: «Markus Gemünd, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Lonza-Gruppe, hat den Verwaltungsrat über seine Entscheidung informiert, von seiner Position zurückzutreten.» Und sein Präsident, Sergio Marchionne, meint im selben Schreiben: «Wir respektieren seine Rücktrittsentscheidung.» Zwei Tage zuvor hatte der Lonza-Präsident über seinen CEO öffentlich erklärt: «Ich bin nicht zufrieden.» Und auf die Frage, was passiere, wenn die Führung versage, geantwortet: «Dann gibt es eine neue.» Schneller und deutlicher kann man einen Manager kaum öffentlich demontieren. Pure Machtdemonstration? Blanker Zynismus? Oder lediglich «unsentimentale Ungeduld», wie die NZZ anmerkt, obwohl es «keine Hinweise auf ein Versagen des CEO» gebe? Marchionne selbst sieht das ganz pragmatisch. «Ich mag es, Macht zu haben, weil sie einem, sinnvoll eingesetzt, die Chance gibt, das Leben anderer zu beeinflussen», sagte er einmal in einem Gespräch mit einer BILANZ-Journalistin. Immerhin: Ein Manager, der im Einflussbereich Marchionnes tätig wird, weiss nun um den Gestaltungswillen des Chefs.