Es gibt, zum Glück, für (fast) alles einen Markt, selbst für Dienstleistungen, die man als Schweizerin oder Schweizer intuitiv dem Kanton oder der Gemeinde zuschlagen würde. Also auch für Notfalltransporte oder Patientenverlegungen. Zwar spielt der Staat in diesem Bereich eine wichtige Rolle, in gewissen Kantonen gar die des Monopolisten. Doch es gibt viele private Firmen, die mit ihren Krankenwagen Notfalleinsätze fahren. Mit Blaulicht und Martinshorn.

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Die Branche der privaten Notfalldienste ist eine typische KMU-Branche, kleinteilig und divers. Noch jedenfalls. Denn jetzt schickt sich eine Organisation dazu an, die Branche zu konsolidieren: der TCS. Der Verein, der bislang vor allem durch seinen Pannendienst, seine Camping-Plätze und seine Reise- und Rechtsschutzversicherung bekannt ist, stösst in ein neues Geschäftsfeld vor. Und nicht nur das: Er hat in diesem Geschäft grosse Ambitionen.

Grösster privater Notfalldienst der Schweiz

Angefangen hat der Vorstoss bereits vor einem Jahr, still und leise. Im März 2021 hat der TCS im Kanton Genf die Swiss Ambulance Rescue übernommen. Bekannt wurde dieser Deal allerdings nur bei Insidern in der Notfallbranche. Dieser Tage hat der TCS zwei weitere Firmen dazugekauft: Alpha Medic aus dem Kanton Zug und Unité de Secours Régional aus der Waadt. Damit ist der Touring Club der Schweiz nun die grösste private Notfallorganisation der Schweiz. Mit total 162 Mitarbeitenden, 38 Fahrzeugen, 10 Logistikbasen und 25’200 Einsätzen pro Jahr. Das ist die neue TCS Swiss Ambulance Rescue.

TCS Swiss Ambulance Rescue

TCS-Rettungswagen: So sieht die Flotte von TCS Swiss Ambulance Rescue aus.

Quelle: ZVG

«Wir wollen», so Generaldirektor Jürg Wittwer, «den TCS weiterentwickeln. Aber nicht irgendwie, sondern so, dass es zu unseren Genen passt.» Und Krankenwagen würden passen: «Wir stehen für mehr als gelbe Pannenfahrzeuge. Im Kern sind wir eine Organisation für Notfälle.» Tatsächlich beschäftigt der TCS – neben dem neuen Notfalldienst-Business – schon heute sieben Ärzte und fünf Krankenschwestern, betreibt eine 24-Stunden-Notfallzentrale, bietet Mitgliedern medizinische Hilfe im Ausland an und organisiert jedes Jahr Tausende von Repatriierungen in Notfällen.

Wichtig: Einen TCS-Krankenwagen bestellt man nicht über eine TCS-Notfallnummer, sondern genau wie eine staatliche Ambulanz über die Notfallzentralen unter der Nummer 144. Diese Einsatzzentralen bieten dann, unabhängig vom Anbieter, die Ambulanzen auf. Anders ist es bei Krankentransporten oder Patientenverlegungen, die der TCS neu ebenfalls anbietet.

Jürg Wittwer

TCS-Lenker Jürg Wittwer: «Die nächsten Ambulanz-Übernahmen sind schon in der Pipeline.»

Quelle: ZVG

Der TCS sei, so Wittwer weiter, im Notfalldienst-Geschäft «sehr warm empfangen» worden. Bereits seien zwei weitere Firmen auf den TCS zugekommen, die sich dem neuen Marktführer anschliessen wollten. Will heissen: Wittwer hat mit den Übernahmen gerade erst angefangen, weitere werden folgen.

Gleichzeitig stellt er klar: «Wir wollen nicht die bestehenden Akteure im Gesundheitswesen konkurrenzieren.» Das passe nicht zum TCS als gemeinnütziger Organisation. «Es wird bei den Notfall-Rettungen wie bei den Pannendiensten», so Wittwer. «Wir bringen die Pannenfahrzeuge von der Strasse in die Garagen, haben aber selbst keine Garagen und werden nie welche haben.»

«Keine Goldgrube»

Ein Grund, weshalb der TCS in seinem neuen Geschäftsfeld Erfolg haben könnte, ist, dass er mit 1800 Angestellten und knapp 400 Millionen Franken Umsatz eine Organisation von stattlicher Grösse ist. Dies im Gegensatz zu den Notfall-KMU, die schnell an die Grenzen ihrer finanziellen Fähigkeiten kommen, wenn sie aufgrund gestiegener Anforderungen zum Beispiel in eine neue Flotte investieren müssen. Ein Krankenwagen kostet aktuell rund 350’000 Franken oder mehr, ein Lift, der Patienten automatisch in die Fahrzeuge hievt, zusätzlich 60’000 Franken.

Hinzu kommt: «Wäre die Branche eine Goldgrube, wären wohl schon längst Private-Equity-Gesellschaften oder andere Akteure im grossen Stil eingestiegen», so Wittwer. Man könne aber durchaus Geld verdienen: «Wir reden nicht von einem strukturell defizitären Geschäft, sonst würden wir natürlich nicht einsteigen.» Das Geschäft solle selbsttragend sein. «Und vor allem eines: Es soll schweizweit für qualitativ hochstehende Dienstleistungen sorgen», legt Wittwer die Latte hoch.

Und der Junior-Partner des TCS in dem neuen Geschäftsfeld schon gar nicht. Zwar hält der TCS «eine komfortable Mehrheit» an der TCS Swiss Ambulance Rescue. Mit an Bord ist aber auch der Westschweizer Tausendsassa, Unternehmer und Investor Antoine Hubert mit seiner Beteiligungsgesellschaft Aevis Victoria. Sie war bis im März 2021, also bis zur Übernahme durch den TCS, Hauptaktionärin von Swiss Ambulance Rescue in Genf. «Jetzt freuen wir uns, zusammen mit dem TCS den Ausbau des Notfalldienst-Netzwerkes fortzusetzen», so Hubert.

Für den TCS ist Hubert ein wertvoller Partner, kennt er sich doch mit Konsolidierungen im Gesundheitswesen aus. Sein Swiss Medical Network – früher als Genolier bekannt – ist eine der zwei grossen Privatklinik-Ketten der Schweiz und besteht aktuell aus 22 Kliniken sowie diversen Ambulatorien. Ausserdem gehören diverse Hotels zu Aevis Victoria. Und bis vor kurzem auch der Telemedizin-Anbieter Medgate, der an die deutsche Otto Group verkauft wurde.

Antoine Hubert, Chef des Swiss Medical Networks.

Antoine Hubert: Der Unternehmer-Tausendsassa ist der neue Junior-Partner des TCS.

Quelle: Fabian Unternährer

Übrigens: Der TCS finanziert sich fast vollständig selbst. Aus den Beiträgen seiner gut 1,5 Millionen Mitglieder und aus den Erträgen aus dem Campinggeschäft mit gegen 1’000’000 Logiernächten sowie aus den Gewinnen seiner ETI-Reiseschutzversicherungen und seiner Rechtsschutz-Policen.