Peter Stöckli fährt keinen Mercedes, sondern einen bescheidenen Toyota. Sonst könnte der Taxifahrer die Leasinggebühren nicht mehr bezahlen. «Vor 15 Jahren machte ich ? damals als angestellter Taxifahrer ? jeweils bis 15000 Fr.Umsatz pro Monat, heute sind es noch knapp 5000 Fr.» Stöckli ist einer von 800 selbstständigen Taxifahrern in Zürich. Vom erwähnten Umsatz schmilzt fast die Hälfte für Benzin und Fahrzeugkosten wieder weg. Es bleibt ihm kaum mehr genug Geld zum Leben.

Dass er nicht längst ausgestiegen ist, erklärt er mit seiner Leidenschaft: «Ich liebe diesen Job, bin Vollbluttaxichauffeur, bin gewillt zu kämpfen.» Als Präsident des Taxiverbands Zürich, den Stöckli vor anderthalb Jahren zusammen mit Kollegen gegründet hat, setzt er sich für eine Verbesserung der Existenzgrundlagen seines Berufsstandes ein. Das Taxigewerbe sei zur tristen Tieflohnbranche verkommen. Damit sich Taxi fahren wirklich lohnen würde, müsste ein Fahrer monatlich mindestens 8000 bis 10000 Fr. umsetzen.

Von dieser Summe träumen in Zürich viele Taxifahrer. Der Hauptgrund für die Misere: Es gibt zu viele Taxis. Die Stadt hat mit 3,7 Fahrzeugen auf 1000 Einwohner eine der höchsten Taxidichten Europas. Üblich sind im EU-Raum ein bis zwei Fahrzeuge. «Mitschuldig an der miserablen Situation sind die Behörden, die in den letzten Jahren zu vielen zu schlecht ausgebildeten Taxifahrern zu schnell eine Bewilligung erteilt haben», sagt Stöckli.

*Kampf mit harten Bandagen*

Kaum besser geht es den Taxifahrern in Bern. Seit der Abschaffung der Bedürfnisklausel vor ein paar Jahren wuchs die Taxiflotte von 180 auf 280 Fahrzeuge. Weil auch die Tarife freigegeben wurden, ist Taxi fahren in Bern zudem teuer geworden. Es gibt Taxifahrer, die vor dem Bundeshaus 15 Fr. Grundtaxe und 5 Fr. pro Kilometer verlangen.

Trotz solch horrender Preise kommen auch die Berner Taxifahrer kaum auf einen grünen Zweig. «Wirklich gut verdienen tut keiner mehr», klagt René Bösiger von der Nova Taxi AG, mit 35 Fahrzeugen, zusammen mit der Bärentaxi AG, lokaler Platzhirsch. Es werde «mit immer härteren Bandagen» um einen kaum grösser werdenden Kuchen gekämpft. Um Ruhe ins Gewerbe zu bringen, müsste man die Zahl der Konzessionen wieder auf 180 herunterschrauben und einheitliche Tarife festlegen. Bösiger weiss von Einzelhaltern, die mit bloss 2500 Fr. Umsatz regelmässig Geld beim Sozialamt abholen müssen. «Zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben», kommentiert er und spricht generell von einer Working-Poor-Branche.

Ganz so schlimm will es Jean-Richard Salamin, Sprecher der Fachgruppe Taxi des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands Astag, noch nicht sehen. Er räumt aber ein, dass die Umsätze an der Front massiv gesunken seien. Besser behaupten konnten sich nur die wenigen Betreiber von Taxifunkzentralen, die zumindest keine gravierenden Einbussen verkraften mussten.

Ein Indiz für die schlechte wirtschaftliche Situation der rund 4000 Taxifahrer in der Schweiz ist weiter, dass nur ein Drittel die ab einem Jahresumsatz von 75000 Fr. fällige Mehrwertsteuer abliefert. Allerdings ist diese Zahl vorsichtig zu interpretieren. Faktisch dürften, vermutet Salamin, viele Taxifahrer deutlich mehr umsetzen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass mancher Franken in keiner Buchhaltung verrechnet wird. Weil in der Schweiz die Gemeinden das Taxigewerbe reglementieren, ergeben sich regional unterschiedliche Rahmenbedingungen. Während Zürich und Bern mit ähnlichen Problemen kämpfen, haben laut Astag andere Städte die Sache besser im Griff. Genf zum Beispiel hat nach einer Liberalisierungswelle in den frühen 90er Jahren mit verschiedenen Massnahmen die Zahl der offiziellen Taxis in den letzten Jahren von 1050 auf 850 verringert.

Gleichzeitig aber kurven immer mehr wilde Taxis ohne Bewilligung durch die Rhônestadt, schätzungsweise 200 Fahrzeuge. Jetzt wollen die Politiker über ein neues Taxigesetz diesen Wildwuchs eindämmen. «Wir haben in Genf mit der Liberalisierung nur schlechte Erfahrungen gemacht», bilanziert René Stauffer von der Funkzentrale Taxi-Phone, der 460 Einzelfahrer angeschlossen sind. «Ohne einen gewissen gesetzlichen Rahmen kann das Taxigewerbe nicht funktionieren.»

Genau den hat Basel mit dem kantonalen Taxigesetz 1997 verwirklicht. Dieses verlangt über die Taxifahrerprüfung hinaus, dass jeder Unternehmer einer Funkzentrale angeschlossen ist. Nur so ist er berechtigt, einen öffentlichen Standplatz zu benützen. Christoph Betschart, Geschäftsführer der Dreiunddreissiger Taxi AG, findet die Regelung gut, um Professionalität, Sicherheit, Qualität und eine bessere Auslastung der einzelnen Fahrzeuge zu garantieren. Wie in Genf versuchen aber auch hier immer mehr wilde Taxis, am knappen Kuchen zu knabbern.

In sämtlichen erwähnten Städten müssten die Behörden dichter reglementieren und strenger kontrollieren, tönt es einhellig in der Branche. Bei einer Grosskontrolle im letzten Jahr in Zürich mussten drei Viertel der Kontrollierten verzeigt werden, weil sie Pausen nicht einhielten und am Fahrtenschreiber herumgebastelt hatten. Bei einer weiteren Kontrolle in Zürich wurden 150 Taxis ertappt, die ohne Bewilligung unterwegs waren.

Wie gegen Missstände und schwarze Schafe vorzugehen wäre, darüber gibt es selbst unter Taxifahrern geteilte Meinungen. Stöckli wünscht sich für Zürich, dass die Gewerbepolizei die Bewilligungen auf 800 Fahrzeuge begrenzt. Remo Santi vom Dachverband Stadt Zürcher Taxi, der die Interessen der an eine Funkzentrale angeschlossenen Taxihalter vertritt, sieht die Begrenzung bei 1200 Taxis. Die Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer ihrerseits bekräftigte jüngst die liberale Haltung des Stadtrats, dass der Markt für eine Strukturbereinigung sorgen soll. Deshalb werde auf eine Reduktion der Taxibewilligungen verzichtet.

Eine strengere Zulassungspraxis mit höheren Einstiegshürden, und zwar in der ganzen Schweiz, das läge auch im Sinn der Astag. «Heute kann jeder, der will, Taxifahrer werden», kritisiert Salamin. Er verweist auf die EU, wo eine bessere Ausbildung der Taxifahrer über eine Art Berufslehre diskutiert wird. Immerhin werden in Zürich seit dem1. August angehende Taxifahrer strenger geprüft, und von den fremdsprachigen Bewerbern werden bessere Deutschkenntnisse verlangt.

Ebenfalls uneinig sind sich die Taxifahrer, ob die Einführung eines Qualitätslabels die gewünschte Strukturbereinigung beschleunigen könnte. Während Santi für eine solche Zertifizierung plädiert, glaubt Stöckli, dass damit bloss Zusatzkosten ohne weiteren Nutzen für den einzelnen Taxifahrer entstehen. In Bern jedenfalls ist die Labeldiskussion bereits wieder vom Tisch.

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