Ende April konnte Apple aufs Neue ein Superquartal feiern. Ein Gewinn von 13,6 Milliarden Dollar schaute zu Jahresbeginn für die Kalifornier heraus. Und die Rekordjagd ist lange nicht zu Ende. Denn obwohl noch unklar ist, wie die kürzlich lancierte Apple Watch bei den Kunden ankommen wird, dürfte sich das Gadget zumindest für die Firma erneut lohnen.

Apple gilt nicht umsonst als König der Mega-Margen. Nach Berechnungen von Analysten der Beratungsfirma IHS liegen die gesamten Herstellungskosten für die Apple Watch bei gut 80 Dollar. Dies bei einem Verkaufspreis von 349 Dollar in den USA und sogar 399 Euro in Deutschland. Bei der goldenen Edelausgabe soll die Gewinnspanne laut Analysten gar 800 Prozent betragen.

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30'000 Arbeiter angeworben

Weniger schön ist die Situation jedoch für die Arbeiter in den Zuliefererbetrieben. «Immer wenn Apple ein neues Produkt auf den Markt werfen will, ist es für die Arbeiter am schlimmsten», sagt Li Qiang von der Nicht-Regierungsorganisation (NGO) China Labor Watch. Auch vor dem Verkaufsstart der Apple Watch seien die Arbeiter bei den Zulieferern wieder unter extremen Druck gesetzt worden.

Nach Informationen von China Labor Watch wurden für die Produktionsstätte des Zulieferers Quanta in Changshu innert kürzester Zeit 30'000 Arbeiter angeworben. Weil die Firma dort zuvor nur einige tausend Arbeiter beschäftigt hatte, fehlte es zu Produktionsbeginn an Unterkünften und sanitären Anlagen für die neuen Angestellten.

Keine Unterkunft für Neuankömmlinge

«Die Arbeiter mussten zunächst im Bus schlafen», so Li Qiang. Schulungen hätten bei eiskaltem Wetter im Freien stattgefunden. Im Winter seien viele an Masern und anderen Infektionen erkrankt. «Einige befinden sich noch heute im Spital.» Und zu den schlechten Rahmenbedingungen komme der Stress. Wenn es viel Arbeit gebe, sei es quasi unmöglich, einen freien Tag zu bekommen.

Die Vorwürfe von China Labor Watch stützen sich auf Informationen von Arbeitern vor Ort und eingeschleuste Informanten beim Apple-Zulieferer Pegatron in Shanghai, wo das iPhone 6 zusammengebaut wird. China Labor Watch hatte bei dieser Fabrik zudem Ende vergangenes Jahr 96 Lohnausweise von Angestellten gesammelt und ins Netz gestellt.

60-Stunden-Woche oft überschritten

Die publizierten Lohnausweise zeigen von September bis November 2014 durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeiten von über 60 Stunden, mit einer Spitze von 63,7 Stunden im September. Dies in offensichtlichem Gegensatz zu Apples eigenen Informationen, wonach die rund eine Million Angestellten von Pegatron durchschnittlich 55 Stunden pro Woche arbeiten würden.

Natürlich habe Apple Zugang zu viel mehr Lohnausweisen als China Labor Watch, räumt auch Li Qiang ein. Trotzdem glaube man mit den 96 Lohnausweisen einen guten Einblick erhalten zu haben, zumal verdeckte Reporter der BBC im Dezember auf ähnliche Ergebnisse gekommen seien. Weil Pegatron den Arbeitern seit kurzem keine Lohnausweise mehr aushändige, sei es zur Zeit nicht mehr möglich zu kontrollieren. Inzwischen könnten die Angestellten ihre Abrechnungen nur noch an einem Computer vor Ort anschauen, sagt Li.

18 Tage am Stück arbeiten

Ein eingeschleuster Reporter musste Ende letzten Jahres laut BBC-Angaben 18 Tage am Stück arbeiten. Freie Tage wurden auch auf Anfrage nicht gewährt. Die längsten Arbeitstage dauerten bis zu 16 Stunden. Regelmässig seien Mitarbeiter während ihren 12-Stunden-Schichten vor Erschöpfung am Arbeitsplatz eingeschlafen, so die Reporter der Sendung «Panorama». Apples eigene Arbeitsstandards würden fortlaufend gebrochen, lautete das Fazit.

Apple selbst wies die Ergebnisse der Recherche zurück. Er und Geschäftsleiter Tim Cook seien «zutiefst gekränkt» über die Vorwürfe der BBC, schrieb Apple-Manager Jeff Williams in einem offenen Brief an die britischen Angestellten der Firma. Kein anderes Unternehmen tue mehr für die Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen als Apple.

Apple sieht klare Fortschritte

Noch vor einigen Jahren seien Arbeitszeiten von mehr als 70 Stunden in der Woche normal gewesen, so Williams. Inzwischen habe Apple dank strenger Kontrollen erreicht, dass das Limit von 60 Stunden zu 93 Prozent eingehalten werde. 2014 wurden nach Aussage von Apple 633 Kontrollen bei Firmen der Zulieferkette gemacht. Entdeckte Verstösse gegen den eigenen Code of Conduct werden laut Apple konsequent geahndet und korrigiert.

Bekämpft wird von Apple zudem die Praxis der Gebühren, die Arbeiter in China oftmals an dubiose Rekrutierungsfirmen bezahlen müssen. Durch das System sind sie zu Beginn ihrer Anstellung bereits so verschuldet, dass sie in eine Art Schuldknechtschaft geraten, aus der ein Entkommen sehr schwierig wird. Seit Anfang 2015 könne kein Arbeiter in Apples Produktionskette mehr mit Rekrutierungsgebühren belegt werden, heisst es in einem Bericht des Techriesen.

Extreme Überstunden weiter möglich

Dass überlange Arbeitszeiten ungesund sind, braucht keine Erklärung. Trotzdem sind extreme Überstunden offenbar weiter möglich. Gemäss den eingesammelten Lohnausweisen von Pegatron hatten von August bis November 2014 die Hälfte der Arbeiter mehr als 90 Überstunden im Monat absolviert.

Für Aufsehen sorgte der Todesfall des Arbeiters Tian Fulei im Februar. Aus persönlichen Aufzeichnungen des 26-Jährigen ging hervor, dass er in den Monaten vor seinem Tod bis zu 84 Stunden pro Woche für die Herstellung des iPhone 6 gearbeitet hatte. Nachdem in der Todesurkunde «plötzlicher Tod» angegeben wurde, bot Pegatron den Angehörigen zunächst eine Entschädigung von 15'000 Renminbi (RMB), die später auf 80'000 RMB erhöht wurde (etwa 12'000 Franken).

Die Selbstmordserie bei Foxconn

Pegatron sieht den Tod des Arbeiters nicht in Zusammenhang mit den Arbeitszeiten. Es ist indes nicht das erste Mal, dass Todesfälle von Arbeitern bei Apple-Zulieferern für Furore sorgen. 2010 hatten sich bei Foxconn 14 Arbeiter das Leben genommen, wobei offenbar die schlechten Arbeitsbedingungen der Auslöser waren. Apple hatte daraufhin ein Programm ins Leben gerufen, welches die Bedingungen bei den Zulieferern verbessern sollte.

Im neuen «Supplier Responsibility Progress Report» vom Februar schreibt Apple von zahlreichen Fortschritten in verschiedenen Bereichen. Auch Li Qiang sagt, dass sich seit den Vorfällen bei Foxconn einiges getan habe. So seien die Unterkünfte und Löhne zunächst etwas besser geworden und die Arbeitszeiten zurückgegangen.

Problematische Diversifikation der Zulieferer

Eine problematische Entwicklung ist laut Li aber die Diversifikation der Zulieferer seit 2012. So habe Apple die Arbeit zwischen mehreren konkurrierenden Firmen aufgeteilt, die sich mit billigeren Angeboten zu übertreffen versuchten. So bezahle beispielsweise Pegatron 20 Prozent tiefere Basislöhne als Foxconn.

Dass die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern anderer Techkonzerne, die in China produzieren lassen, kaum besser sind als bei Apple, lässt Li Qiang nicht gelten. «Apple produziert ein symbolisches Produkt und Apple hätte das nötige Geld, um den Arbeitern ein menschenwürdiges Auskommen zu sichern.»

«Nur Apple kann einen Wandel bewirken»

«Nur Apple kann einen echten Wandel in der Industrie bewirken», sagt Li. Nach Berechnungen von China Labor Watch hat Apple seit 2010 alleine 61 Prozent der Gewinne in der Branche erwirtschaftet. Schreiben viele Konkurrenten Verluste, sprudeln die Milliarden bei Apple Quartal für Quartal. «Wenn Apple zehn Dollar pro verkauftem Gerät in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen stecken würde, wäre das für die Arbeiter eine grosse Erleichterung.»

Die Zulieferer Quanta und Pegatron haben auf schriftliche Anfragen nicht reagiert. Apple wollte zu den konkreten Fragen ebenfalls keine Stellung nehmen und verweist auf den «Progress Report» und Jeff Williams Replik auf die BBC-Sendung. Für Williams ist klar, dass Apple sehr viel mehr in Sachen Arbeitsbedingungen unternimmt als viele Konkurrenten.

«Arbeit noch lange nicht getan»

«Wir kümmern uns um jeden Arbeiter in unserer Lieferkette», schreibt Williams. 2014 habe Apple in diesem Bereich enorme Fortschritte gemacht. Dass bei vielen Zulieferern noch Raum für Verbesserungen da ist, weiss aber auch der Apple-Manager. «Wir wissen, dass es da draussen viele Probleme gibt und dass unsere Arbeit noch lange nicht getan ist.»