Eigentlich ist diese Uhr, 10 cm dick und fast ebenso hoch, fürs Handgelenk zu gross. Sie ist weniger Armbanduhr als vielmehr Taschenuhr. Zu bewundern ist die ungewöhnliche Kreation seit einigen Wochen im Internet. Hersteller Christoph Laimer hat ein 5-minütiges Video auf YouTube geladen. Allein im ersten Monat haben sich über 170 000 Besucher den Streifen angeschaut. Die wie ein filigranes Spielzeug wirkende Uhr geniesst inzwischen Kultstatus. Viele Fans möchten sie kaufen. Verfügbar ist aber nur eine limitierte Auflage von zwölf Stück in vier verschiedenen Dekors. «Preis auf Anfrage», sagt Laimer.
Der 45-jährige ETH-Elektronikingenieur und Software-Entwickler hat die Uhr in seiner Freizeit entworfen und produziert, aus Spass und ohne geschäftliche Absichten. Umso überraschter ist er vom Interesse, zumal seine Kreation zwei für eine Uhr unverzeihliche Mängel aufweist: Sie ist so kurzatmig, dass sie nach einer halben Stunde wieder neu aufgezogen, und so unpünktlich, dass sie in dieser kurzen Zeitspanne bereits um 15 Sekunden korrigiert werden muss.
Gedruckte Uhr mit einem Tourbillon
Doch die technischen Unzulänglichkeiten stören die Fans nicht. Was zählt, ist der Herstellungsprozess. Laimer hat die Uhr auf einem gewöhnlichen 3D-Printer gedruckt – Marke Ultimaker 2. Damit ist ihm ein Kunststück gelungen, für das ihn rund um den Globus 3D-Print-Enthusiasten und passionierte Uhrenmacher bewundern.
Die Laimer-Uhr ist weltweit die erste rundum gedruckte Armband- oder Taschenuhr. Mal abgesehen von ein paar Schrauben und Metallstiften haben sämtliche der über 50 Teile, mitsamt der Feder aus der 0,4 Millimeter grossen Düsenöffnung des Printers das Licht der Welt erblickt. Die Teile im Innern sind aus PLA, einem Bio-Kunststoff aus Stärke, das Gehäuse aus einem transparenten PET-Gebilde. «Eine Metallfeder wäre zwar für die Ausdauer und die Genauigkeit der Uhr sicher besser gewesen, aber die passenden Metallfedern auf dem Markt zu finden ist schwierig», so Laimer.
Er hat seine gedruckte Uhr sogar mit einem Tourbillon ausgestattet. Die Vorrichtung steht für höchste handwerkliche Uhrmacherkunst, wird aber in modernen Uhren nur noch selten verwendet. Sie dient dazu, die in mechanischen Uhren durch die Schwerkraft verursachte fehlerhafte Ganggenauigkeit auszugleichen.
Szene spricht von einem Kunstwerk
Die Tourbillon-Uhr ist Laimers zweites Uhrenprojekt, und er wollte damit die Möglichkeiten seines 3D-Druckers ausloten. Das Gerät hatte er vor etwas mehr als zwei Jahren gekauft. Als die Firma, für die er viele Jahre gearbeitet hatte, weiterverkauft wurde, gönnte er sich eine Auszeit, um eine Weile seiner eigentlichen Leidenschaft zu frönen, dem 3D-Print-Design. Zuerst experimentierte er mit Lego-Bausteinen. Dann entstanden eine von einem 1,2 Kilogramm schweren Gewicht angetriebene Wanduhr und die filigrane Uhr.
«Für das Design einer Uhr ist es wichtig, dass man sich die Mechanik genau vorstellen kann», betont Laimer. Letztlich musste er aber die Mechanik neu konfigurieren, die einzelnen Teile modellieren und dann mit der Software «Fusion 360» in die Sprache des 3D-Druckers übersetzen. Über die Technik hinaus legte Laimer grossen Wert auf eine ansprechende Optik, was ihm offensichtlich gelungen ist. Denn die Szene spricht von einem Kunstwerk.
Die Uhr kann jeder nachdrucken
Noch ist offen, wie es weitergeht. Laimer könnte das Uhrenprojekt zum professionellen Geschäft ausweiten. Er will weitere Print-Uhrenprojekte nicht ausschliessen. Doch der Familienvater, dessen Sabbatical sich dem Ende zuneigt, hat noch andere Pläne. Seine Zukunft sieht er primär als 3D-Print-Designer. Bereits hat er einen ersten grösseren Auftrag an Land gezogen, für einen Kunden aus den USA.
Wer nun enttäuscht ist, dass die Laimer-Uhr allenfalls eine Episode in der jungen Geschichte des 3D-Prints bleibt und nicht in einer industriellen Serienproduktion ausgeschlachtet wird, sei getröstet: Die begehrte Uhr kann im Prinzip jeder nachdrucken. Laimer hat Anleitung, Materialliste und Drucker-Files im Internet gepostet. Allerdings ist der Nachbau der Laimer-Uhr nicht unbedingt Anfängern zu empfehlen. Je nach Einstellung der Qualität und Auflösung dauert es auf einem gewöhnlichen 3D-Printer 30 bis 60 Stunden, bis die Komponenten ausgedruckt sind.