Telefongespräche mitzuschneiden gerät womöglich bald zum Volkssport. Was früher unter Androhung von Busse und Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr Gefängnis verboten war, ist seit kurzem völlig legal: Das elektronische Aufzeichnen und Archivieren von Anrufen ohne vorgängige Bekanntgabe. Mit der wichtigen Einschränkung allerdings, dass es sich um Geschäftsanrufe handelt und diese Bestellungen, Reservationen, Aufträge oder «ähnliche Geschäftsvorfälle» zum Inhalt haben müssen. Dafür können Tondokumente nun in Rechtsstreitfällen als Beweismittel vorgebracht werden. Bis anhin waren Mitschnitte ohne Einwilligung illegal und deshalb auch als Beweismittel nutzlos. Ein entsprechender Artikel des Strafgesetzbuches wurde entsprechend angepasst. Die Gesetzesrevision ist seit dem 1. März in Kraft.
«Es handelt sich dabei um eine Lockerung der gängigen Praxis», sagt Kosmas Tsiraktsopoulos, Informationschef des eidgenössischen Dateschutzbeauftragten, der erfolglos gegen die Gesetzesänderung opponierte. «Ob diese Änderung zu Missbräuchen führen wird, wird sich in der Praxis zeigen.» Er betont, dass die Lockerung nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich betrifft und dass die Gesprächsmitschnitte «einzig und allein zum Zwecke der Beweissicherung» angefertigt werden dürften.
Das sieht die Firma Little Red Hood anders. Die sich in Gründung befindende Firma startete noch am Tag des Inkrafttretens der Gesetzesänderung eine Dienstleistung, die das einfache Aufzeichnen von Telefongesprächen über eine 0900-Gebührennummer erlaubt. Im Pomotionstext der Speech2Record genannten Dienstleistung werden eine Vielzahl von Anwendungen angepriesen, die aus Sicht des Datenschützer höchst problematisch sind. So könne der Dienst beispielsweise «Wunder wirken» bei Anrufen von «geldgierigen Erpressern» oder «anonymen Sadisten». Oder man könne die Gesprächsmitschnitte einfach Mitarbeitern weiterreichen, die die Inhalte «minuziös abarbeiten».
Für den Datenschützer ist klar, dass solche Aufnahmen, falls sie ohne Einwilligung erfolgt sind, strafbar sind. Thomas Frauenfelder von Little Red Hood hingegen sieht einen grösseren Interpretationsspielraum. Rechtliche Abklärungen hätten ergeben, dass die Gesprächsaufnahmen auch für Marketing- oder statistische Zwecke innerhalb des Unternehmens verwendet werden dürfen. Aber er räumt ein, dass die gerichtliche Praxis sicher noch zeigen müsse, was zusätzlich zur Beweisführung als «Verwertung» im Sinne des Gesetzes gilt. Little Red Hood ist eine Schwesterfirma der Berner Sprechtechnologiespezialistin Scapevision, die unter anderem für Carrier wie Orange eine Voice-E-Mail-Lösung entwickelt hat. Das Jungunternehmen zählt derzeit 20 Beschäftigte und erzielte in den letzten 18 Monaten einen Umsatz von rund 5 Mio Fr.
Callcenter-Verband empfiehlt Zurückhaltung
Die Auslegung von Little Red Hood ist heikel. Der Schweizer Branchenverband Swiss Contact Center Association mahnt jedenfalls seine Mitglieder zu einem vorsichtigen Umgang mit den Gesprächsdaten. Für Stefan Buess, den Vizepräsidenten des Verbands, besteht der Zweck des Gesetzeslockerung darin, die Beweisführung und Nachvollziehbarkeit von konkreten Geschäftsabschlüssen über das Telefon zu erleichtern. Die Verwendung der Aufnahmen seien deshalb ausschliesslich für diesen und keinen anderen Zweck bestimmt. Die Gesetzesänderung bedeute also keinen «Freipass», welcher das Aufnehmen von Gesprächen «schrankenlos billigt». Man müsse sich fragen, ob es im Sinn einer offenen und transparenten Geschäftsbeziehung sei, wenn ohne Wissen des Kunden im Hintergrund Gesprächsanalysen angestellt und daraus Cross-Selling-Angebote oder Persönlichkeitsprofile angefertigt werden, sagt Buess. Der Verband empfiehlt deshalb ein «gewisses Mass an gesunder Zurückhaltung».
Es steht den Unternehmen frei, ihre Kunden auch in Zukunft über die Gesprächsmitschnitte zu informieren. Im Sinne einer möglichst transparenten und offenen Geschäftsbeziehung spricht tatsächlich nichts gegen eine Transparentmachung, wie dies beispielsweise im Telefonbanking seit Jahren praktiziert wird. Keinen Handlungsbedarf sehen auch die drei grossen Telefongesellschaften in der Schweiz. Swisscom, Sunrise und Orange wollen an der hergebrachten, transparenten Aufnahmepraxis festhalten, wie es auf Anfrage heisst. Ebenfalls kein Thema ist ein Gesprächsaufnahmeservice, wie ihn Little Red Hood mit Speech2Record gestartet hat.
Abhörverbot: Was geändert wurde
Am 1. März 2004 ist eine Gesetzesänderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Artikel 179) in Kraft getreten, die eine Erleichterung bei der Aufzeichnung von Fernmeldegesprächen im Geschäftsverkehr, bei Bestellungen, Aufträgen, Reservationen und ähnlichen Geschäftsvorfällen, zum Inhalt hat. Ferner dürfen Gesprächsteilnehmer straffrei Fernmeldegespräche mit Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdiensten aufnehmen. Einen heiklen Punkt stellt die spätere Verwendung der Gesprächsdaten dar. So soll sich die straflose Verwendung auf den Zweck beschränken, mit dem das Aufnehmen verbunden war. Damit will der Gesetzgeber die Beweisführung und Nachvollziehbarkeit von Geschäftsabschlüssen über das Telefon erleichtern.