Zwölf Jahre gibt es das BILANZ-Telekom-Rating bereits. Selten aber war so viel los wie in diesem Jahr: gefallene Engel, gleich zweimal ein Phönix aus der Asche, dazu neue Sieger in allen Kategorien. «Aussergewöhnliche Veränderungen in der Schweizer Telekomlandschaft», das konzediert auch Jörg Halter von der Telekomberatung Ocha, die wie jedes Jahr die Umfrage im Auftrag der BILANZ ausgeführt hat. Zwar wurde bereits im vergangenen Jahr die Reihenfolge ordentlich durcheinandergewürfelt, was angesichts der Verwerfungen im Markt (Stichworte: geplatzte Fusion Orange–Sunrise, Swisscom mit ihren juristischen Problemen, Cablecom-Umbau) kein Wunder war. Dieses Jahr war die Telekomszene bedeutend ruhiger, abgesehen von der Ankündigung eines möglichen Orange-Verkaufs.

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Und noch etwas ist anders: Erstmals seit langem steigt die Kundenzufriedenheit wieder leicht. Als Folge rücken die Ergebnisse enger zusammen. Neue Player kommen kaum mehr hinzu, der Markt ist mehr oder weniger gesättigt. Und die Produkte gleichen sich untereinander immer mehr an. Gab es früher das iPhone nur bei Swisscom oder Digital TV nur bei Cablecom, versucht heute fast jeder fast überall präsent zu sein.

Das sieht man besonders im Bereich der Fixnetztelefonie. Auf den ersten vier Plätzen liegen reine IP-Anbieter, erst Colt auf Platz 5 besitzt noch ein traditionell geschaltetes Festnetz. Denn die IP-Technologie ist inzwischen stabil, sie ist flexibler und kosteneffizenter, und der Wechsel geht in der Regel problemlos vonstatten. So liegen vor allem Günstiganbieter vorne.

Zwei Bewegungen sind besonders auffällig: Einen grossen Sprung von Platz 9 auf Platz 4 bei stark verbesserter Benotung hat UPC Cablecom gemacht. Damit ist sie erstmals der beste Grossanbieter im Fixnetzmarkt. Die Turnaround-Massnahmen von CEO Eric Tveter wirken sich ganz konkret bei der Kundenzufriedenheit aus, besonders der Support wird als deutlich besser wahrgenommen. Auch dass die Firma einen Technologiewechsel durchgeführt hat, zahlt sich aus: Sie verkauft das IP-Produkt von E-Fon wieder. «Wir haben den Sprung erwartet», sagt UPC-Cablecom-Geschäftskundenleiter Marco Quinter. Denn E-Fon war in der Schweizer Internettelefonie der Technologievorreiter, hat entsprechend die längste Erfahrung und schneidet auch selber seit Jahren im Rating hervorragend ab – dieses Jahr mit dem zweiten Platz hinter VTX.

Abgestürzt auf Platz 6 ist hingegen der Vorjahressieger Netstream. «Die Firma hat nun die typischen Probleme eines schnell wachsenden Unternehmens», sagt Halter, «das bleibt auch den Kunden nicht verborgen.» So ist die Zufriedenheit quer durch alle Kriterien dramatisch zurückgegangen. Eine Erklärung dafür hat Netstream-Gründer Alexis Caceda nicht: «Die Ergebnisse sind für uns sehr überraschend, besonders unser Abschneiden im Support. Unsere eigenen Umfragen zeigen ein anderes Bild.»

Netstream hat aber auch jene Art von Schnäppchenjäger angezogen, die viel wollen und dafür wenig zu zahlen bereit sind. «Die typischen Tele2-Kunden», so nennt sie Martin Steinmann, Co-Autor der Studie. Genau die hat Tele2-Käuferin Sunrise inzwischen abgeschüttelt. Sie vermeldet klar bessere Benotungen als im Vorjahr, als Sunrise die grosse Verliererin war. Besonders im Support hat sie quer durch alle Produktbereiche markant zugelegt: Es hat sich ausgezahlt, dass Sunrise hier stark investiert, die Kapazitäten ausgebaut und die Prozesse neu aufgesetzt hat. Von einer «Mindeständerung im Unternehmen» spricht CEO Oliver Steil: «Wir sind heute deutlich weniger kostenfokussiert und dafür deutlich stärker qualitätsorientiert.» In der Platzierung schlägt sich das noch nicht nieder: Sunrise verliert einen Rang, weil die durchschnittliche Zufriedenheit mit allen Anbietern noch stärker zugenommen hat.

Profiteur Swisscom. Steil kann sich immerhin über einen gewonnenen Platz im Mobilfunk-Rating freuen. Denn hier ist Vorjahressieger Orange bis ans Tabellenende durchgereicht worden. Seit dem Fusionsverbot ist Orange paralysiert, obwohl die Firma bei den Plänen für den Zusammenschluss im Lead war. Der damalige Juniorpartner Sunrise hingegen wirkt befreit. «Die Fusion lag wie ein Schatten über der Organisation», bestätigt Sunrise-CEO Steil: «Jetzt herrscht Aufbruchstimmung.» Jörg Halter stellt fest: «Es ist erstaunlich, wie schnell sich das im Markt bemerkbar macht.» Der Entscheid der Wettbewerbskommission hat also das Gegenteil bewirkt von dem, was Kritiker befürchteten: Der Markt ist nun nicht weniger, sondern härter umkämpft. So klar wie heute waren die Positionierungen noch nie: Swisscom setzt auf Technologieführerschaft, Sunrise auf Preisführerschaft, Orange auf Emotionen. «Aber nur Feeling Good reicht heute nicht mehr», sagt Steinmann. Orange erhält nun die Quittung dafür, dass sie jahrelang vergleichsweise wenig Geld in den Ausbau des Handynetzes investiert hat. Und die erneuten Verkaufsabsichten von France Télécom lassen für die Schweizer Tochter auch weiterhin nichts Gutes erwarten: Die nächste Zeit wird die Firma mehr mit sich selbst als mit den Kunden beschäftigt sein. «Aber wer am Markt nicht hundertprozentig präsent ist, stürzt ab, das lässt sich hier beweisen», sagt Halter. Am stärksten von den Turbulenzen profitiert Swisscom, die sich auf den Markt konzentrieren und die Spitze zurückerobern konnte. Der ungebremste iPhone-Hype (niemand verkauft hierzulande so viele Stück des Apple-Kultproduktes wie Swisscom) hat seinen Teil dazu beigetragen.

Deutlich ruhiger geht es im Markt der Corporate Networks zu, also der Datendienstleistungen für Unternehmen. Die grossen Trends lassen sich auch hier festmachen: UPC Cablecom verbessert sich und holt sich Platz eins von der Swisscom zurück. In den letzten acht Jahren stand UPC Cablecom ununterbrochen auf dem Treppchen, fünfmal auf Platz eins. «Das macht uns sehr stolz», sagt Quinter. Auch Sunrise erzielt deutlich positivere Bewertungen und rutscht nach vorne. Der einstige Seriensieger Colt hingegen hat Probleme im Schweizer Markt: Jahrelang verfügte die Schweizer Ländergesellschaft über viele Freiheiten, bis sie von der Firmenzentrale in London mehr und mehr zurückgebunden wurde. Das Resultat: In den Bewertungen rutscht die Firma immer weiter ab; zahlreiche Spitzenmanager (wie Länderchef Hans Jörg Denzler) haben Colt inzwischen verlassen. Orange leidet auch hier unter der Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Eigentümerschaft. «Der Datenmarkt reagiert am schnellsten auf Strategiewechsel», erklärt Halter. Die Gesamtzufriedenheit steigt, die Resultate liegen enger beieinander, doch es gibt nur wenig Wettbewerb(er).

Hart umkämpfter ISP-Markt. Spannend auch die Veränderungen im Markt der Internet Service Provider (ISP): Einst war hier die Swisscom das Mass aller Dinge. Doch inzwischen haben sich immer mehr andere Anbieter am Ex-Monopolisten vorbeigeschoben – er findet sich nun auf dem vorletzten Platz wieder. Nach einem Jahr jenseits des Treppchens hat sich Cyberlink den Spitzenrang vor Colt zurückgeholt. Auch die beiden jungen Anbieter Finecom und SolNet klettern weiter nach oben, während Sunrise und UPC Cablecom ihre verbesserten Bewertungen noch kaum in Positionsavancen ummünzen können. «Dieser Markt ist von allen vier der am härtesten umkämpfte», sagt Martin Steinmann. Innovationen spielen dabei kaum eine Rolle: «Er wird vor allem über die Qualität und weniger über die Preise gewonnen.»

Entscheidend für den Schweizer Markt ist die Zukunft von Orange. Sollte ein strategischer Investor wie etwa die spanische Telefónica die Firma übernehmen, könnte das den Markt erneut aufmischen. Von neuen Technologien wie LTE oder Glasfasern ist das vorerst nicht zu erwarten. Denn auch wenn jeder von Fiber to the Home (FTTH) spricht: Kein einziger Anbieter hat es damit ins Ranking geschafft. «Diese Zukunftstechnologie wird von Business-Usern komplett ignoriert», sagt Halter.

Der Schweizer Telekomkunde ist, bei allen Bekenntnissen zur Innovationsfreude, konservativer, als man denkt.