Mathias Camenzind mag nicht jammern. Der Geschäftsführer der Spinnerei Camenzind & Co. in Gersau am Vierwaldstättersee fürchtet sich nicht vor den Fluten fernöstlicher Billigstoffe. Anfang 2005 waren fast alle internationalen Importquoten für Textilien abgeschafft worden. Mit der Folge, dass die europäischen und amerikanischen Märkte seither mit billigen chinesischen Textilien überschwemmt werden.

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Qualität als Trumpf im Ärmel

Klar werde er die chinesische Konkurrenz künftig noch stärker spüren. Doch Camenzind begegnet dem riesigen Mitbewerber mit Selbstvertrauen. Er hat einen Trumpf im Ärmel: «Wir verkaufen unseren Kunden Garne in höchster Qualität, die sie in China zurzeit nicht bekommen.»

So optimistisch tönt es längst nicht bei allen Schweizer Textilproduzenten. Auf harte Zeiten macht sich zum Beispiel André Meyer gefasst. Der Geschäftsführer der Weberei Meyer-Mayor in Neu St. Johann erwartet, dass die steigenden Billigimporte aus China den Preisdruck nochmals kräftig verstärken werden. In seinen europäischen Exportmärkten werde es nun enger und enger. «Dort werden sich die chinesischen Produkte immer stärker durchsetzen», macht sich Meyer keine Illusionen.

Schon kommen Forderungen nach neuen Quoten

Fakten belegen Meyers Befürchtungen: Der Verband der europäischen Textilindustrie Eurax berichtet, dass die Importe aus China bereits im Laufe des Jahres 2004 um 46,5% zugelegt haben; das laufende Jahr, ohne Quoten, dürfte noch höhere Zuwächse sehen. Rasant breiten sich die fernöstlichen Textilien auch in den USA aus. Im 1. Quartal 2005 haben sich dort die chinesischen Importe für einzelne Produkte verzehnfacht.

Mit politischen Schutzklauseln und neuen Quoten wollen Europäer und Amerikaner nun Gegensteuer geben und ihre heimische Produktion verteidigen. Die EU-Kommission ist auf Druck von verschiedenen Mitgliedstaaten aktiv geworden: Sie will den Übergang in den quotenfreien Zustand mittels Schutzklauseln zumindest abfedern. Federführend sind dabei die bedeutendsten Textilproduzenten Europas, nämlich Frankreich, Italien und Spanien. Noch massiver möchte man in den Vereinigten Staaten vorgehen. Der Handelsminister Carlos Gutierrez will sicherstellen, dass die US-Textilproduzenten dank der Wiedereinführung von Quoten dem chinesischen Wettbewerb nicht schutzlos ausgeliefert sind. Präsident George W. Bush hat bereits angekündigt, er verfolge das Problem mit grösster Aufmerksamkeit, und man erinnert sich, dass er nach WTO-Recht illegale Schutzzölle zugunsten der Stahlindustrie eingeführt hatte.

Nischenprodukte in China salonfähig machen

Von solchen Schutzmassnahmen hält André Meyer gar nichts. Trotz eigener Nachteile plädiert er für eine totale Öffnung der Grenzen und Wirtschaftsliberalismus pur. Diesem sind die Schweizer Textilproduzenten ohnehin ausgesetzt, da hierzulande im Gegensatz zur EU nie Importquoten festgelegt worden sind. Entsprechend befindet sich die Branche wegen des Siegeszugs der billigeren Konkurrenz aus dem Ausland seit Jahren in einem Schrumpfungsprozess. Zwar konnte der Verband Swiss Textiles fürs Jahr 2004 ausnahmsweise einen kleinen Umsatzzuwachs um 1,9% auf 3,7 Mrd Fr. für die Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie verbuchen. In den kommenden Jahren werden aber weitere Betriebe schliessen oder ihre Produktion in Billiglohnländer verlegen müssen. In der Schweiz beschäftigt die Branche heute noch knapp 17000 Personen. Vor zehn Jahren waren es noch fast doppelt so viele. Die Halbwertszeit könnte sich künftig noch beschleunigen.

Swiss Textiles eröffnet Kontaktbüro in Schanghai

Wer überleben will, muss erfolgreich eine Nische besetzen. Gefragt sind innovative und hochwertige Produkte. Die Importflut aus China versteht die Branche indes nicht nur als Gefahr. Der bevölkerungsreichste Staat der Erde anerbietet sich auch als lukrativer Absatzmarkt für Qualitätsware aus der Schweiz. Swiss Textiles hat für seine Mitglieder bereits ein Kontaktbüro in Schanghai eröffnet.

Von der steigenden Nachfrage in China für edle europäische Stoffe hat auch Camenzind Wind bekommen. Er hat mit dem Export seiner Seidengarne nach Hongkong den Spiess umgedreht und sich damit eine viel versprechende Einnahmequelle erschlossen.