Wir verkaufen seit Jahren mit grossem Erfolg in unserem Laden am Zürcher Rennweg sowie in anderen Filialen exklusive indische Textilien», erklärte Urs Grütter, Geschäftsleiter und Inhaber von Tucanos. Nicht nur seine Geschäfte, sondern viele Boutiquen und andere Läden in der Schweiz sowie in anderen Ländern führen neuerdings indische Mode und Accessoires in ihrem Sortiment, deren Nachfrage steigend ist.
Dabei sorgen auf der einen Seite die indischen Stoffe wie feine Seide und Baumwolle für diese Beliebtheit, anderseits überzeugt das kreative Design der indischen Modeschöpfer, wie an verschiedenen Modeschauen festzustellen ist. Die bekannteste indische Modedesignerin Ritu Beri erntet für ihre Kreationen weltweit Beifall. Ebenso der Inder Varun Bahl. Als einer der Türöffner für diesen internationalen Durchbruch gilt die zunehmende Bekanntheit der indischen Bollywood-Filme, in denen die Helden in modischen Kleidern auftreten. Die Schauspielerinnen und Schauspieler agieren gleichzeitig als Werbeträger für die indische Modeindustrie.
Hollywoodstars lieben indische Stoffe
Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind bereit, für die modische Kleidung, die ihre Idole tragen, tief in die Tasche zu greifen. Ein Hemd und eine Hose (Kurta Pyajama) der Filmlegende Shah Rukh Khan werden für 239 Dollar verkauft, oder der blaue Sari der Schauspielerin Aishwarya Rai wird im Internet für 1099 Dollar angeboten. Nicht nur Bollywood-Sternchen kleiden sich in opulente Textilien aus ihrer Heimat. Auch Hollywoodstars wie Cate Blanchett, Renée Zellweger und Diane Krüger flanieren derzeit gerne in indischen Stoffen.
Bekannte Modeschöpfer wie Roberto Cavalli, Giorgio Armani oder Oscar de la Renta wählen für ihre Modekleider ebenfalls indische Stoffe und Stickereien.
In den letzten sechs Jahren organisiert Indien jährlich im Frühjahr seine eigenen Modeschauen mit durchschlagendem Erfolg. Immer mehr ausländische Abnehmer besuchen diesen Anlass; sie stammen aus Europa, den USA und Kanada. Neben den Bollywood-Aushängeschildern waren dieses Jahr auch Vertreter der hochklassigen Kaufhäuser wie Saks Fifth Avenue aus New York sowie Selfridges, Harrods und Boho aus London anwesend. Dabei erhielten verschiedene indische Designer Aufträge von etwa 3 Mio Dollar aus dem Ausland.
Modekleider aus Indien sind wie die indische Software nicht nur preisgünstig, sondern qualitativ hochstehend. Ein exklusives Modekleid kostet in Indien zwischen 20 und 120 Dollar. Wegen fehlender Infrastruktur verkaufen sehr viele indische Modeschöpfer ihre Produkte immer noch in kleinen Boutiquen und speziellen Läden im In- und Ausland.
Für einen langfristigen Durchbruch wäre es wichtig, die Ware auch als Massenproduktion verkaufen zu können. Im Land selbst wächst das Bewusstsein für Mode besonders bei der kaufkräftigen Mittelschicht, deren Zahl auf 200 bis 300 Mio (Gesamtbevölkerung über 1 Mrd) Menschen geschätzt wird. Die indische Mode entspricht hauptsächlich den klimatischen Bedingungen von warmen Jahreszeiten und ist für Regionen wie West- und Südasien geeignet. Sie weist auch hier eine grosse Nachfrage auf.
Die Mode- und Kleiderindustrie spielt für die indische Wirtschaft eine wichtige Rolle. Der Umsatz der gesamten Branche im Jahre 2004 betrug etwa 12 Mrd Dollar und beschäftigt mehr als 35 Mio Menschen (IT-Branche: 1 Mio). Nimmt man die angegliederten Tätigkeiten wie die Baumwollproduktion dazu, ergeben sich weitere 47 Mio Jobs. Etwa die Hälfte der indischen Produktion wird exportiert.
Die Schweiz hat 2004 Textilien und Bekleidung im Wert von 183 Mio Fr. importiert. Bei wie viel Prozent dieser Einfuhren es sich um modische Teile handelt, ist schwer abzuschätzen. In Indien aber schätzt man, dass die heutige Modeindustrie Kleider im Wert von zwischen 50 und 60 Mio Dollar exportiert.
Der Staat fördert die Modeindustrie
In Indien wird dieser Sektor als zuwachsfähig betrachtet. Allein in die USA haben die Exporte im 1. Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 30% zugenommen. So erkennt die indische Regierung das Potenzial und fördert die Modeindustrie durch staatliche Massnahmen wie spezielle Fonds mit verbilligten Kreditzinsen. Die Verantwortlichen zeigen sich optimistisch und schätzen, dass sich innerhalb der nächsten fünf Jahre allein der Export auf 250 Mio Dollar erhöhen kann.