Die Zahl stellt selbst die dunkelsten Tage der Finanzkrise in den Schatten: Seit Juni haben europäische Grossbanken den Abbau von 130'000 Stellen angekündigt. Und wenn es nach Investoren und Analysten geht, dann ist das längst nicht das Ende.
Der Druck zum Sparen dürfte nach ihrer Einschätzung auch 2016 gross bleiben. Die strengere Regulierung macht viele Bereiche des Investmentbankings dauerhaft unattraktiv. Hinzu kommen eine kraftlose Wirtschaft im Euroraum und die Niedrigzinsen, die das Kreditgeschäft abwürgen und an den Margen nagen. Ganz zu schweigen von technologischen Neuerungen, die viele klassische Verwaltungsfunktionen überflüssig machen. Eine rosige Zukunft sieht anders aus.
Gefragt sind kleinere und schlankere Banken
«Die Täter von 2008 müssen Busse tun und ihre Bilanzen eindampfen», sagt Jamie Clark vom Investmenthaus Liontrust mit Blick auf die Zockereien vieler Geldhäuser, die vor über sieben Jahren zu unzähligen staatlichen Rettungsaktionen führten. Manche Länder haben sich davon bis heute nicht richtig erholt.
Nach Clarks Einschätzung ist die Schrumpfkur der Banken keinesfalls ein vorübergehender Trend. Kleinere und schlankere Banken seien die Zukunft. Die einzige Frage, die er sich wie andere Experten stellt: Warum wachen die europäischen Institute erst jetzt auf?
US-Banken auf gutem Weg
Unzählige Studien belegen, dass die US-Institute unmittelbar nach der Krise aggressiver gespart haben – und jetzt zunehmend die Früchte einfahren. Sie verdienen wieder satte Milliardengewinne. «Die meisten US-Banken haben das getan, was getan werden musste und sind jetzt im Aufwärtstrend», erklärt Chris Wheeler vom Analysehaus Atlantic Equities.
«Und dann gibt es diejenigen Banken, die vom Saulus zum Paulus geworden sind. Sie haben endlich realisiert, dass niemand sie retten wird und sie selbst fundamentale Veränderungen angehen müssen – Credit Suisse, Deutsche Bank, Barclays.» Die Umbauarbeiten bei diesen Häusern dürften nach Wheelers Einschätzung Jahre dauern. Bei allen drei Adressen sind neue Chefs am Ruder.
Neue sind zum Sparen angetreten
Der neue Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam krempelt das Haus um. Das Unternehmen erhielt eine neue Struktur mit flacheren Hierarchien und weniger Zentralismus. Die Privatbankensparte wird an die US-Bank Wells Fargo verkauft. Bis 2018 will die Bank ihre Fixkosten um 3,5 Milliarden Franken jährlich senken. Das hat in der Schweiz den Abbau von 1600 Stellen zur Folge. Auch in den USA und in London fallen Stellen weg.
John Cryan bei der Deutschen Bank macht kein Geheimnis daraus, dass es lange dauern wird, bis das einstige Vorzeigehaus wieder in der Erfolgsspur ist. Die Dividende ist auf absehbare Zeit gestrichen, weil das Aufräumen Geld verschlingt: Die weltweit rund 100'000 Köpfe zählende Belegschaft soll um ein Viertel schrumpfen – durch Verkäufe wie die Postbank, aber auch durch den Abbau von netto 9000 Stellen im Konzern.
Kündigungswellen überall
Es gibt noch andere Beispiele: Bei der britischen Grossbank Standard Chartered sollen bis 2018 rund 15'000 der zuletzt gut 86'000 Stellen wegfallen. Bei der italienischen UniCredit sind es mehr als 18'000 Jobs, womit die Mannschaft um ein Siebtel kleiner wird.
In vielen Fällen ist mit dem Stellenabbau auch eine Rückbesinnung auf die Heimatmärkte verbunden, zumindest aber will man nicht mehr weltweit alles für jeden anbieten. Dafür ist das Bankgeschäft zu teuer geworden.
«Bärenmarkt» für Banking-Jobs
Für Xavier VanHove vom Fondshaus THS Partners spielt die fortschreitende Digitalisierung ebenfalls eine zentrale Rolle, insbesondere im Privatkundengeschäft. Man brauche einfach weniger Filialen. Für den Abwärtstrend bemüht er ein Börsenbild: «Wir sind in einem anhaltenden 'Bärenmarkt' für Banking-Jobs.»
Noch drastischer beschreibt es Stephane Rambosson vom Headhunter DHR International. «Es ist wie in den 1980er-Jahren. Damals mussten sich eine Million Bergarbeiter neue Berufe suchen. Ich bin sicher, für die Finanzbranche gilt das jetzt auch.»
(sda/jfr/me)